Neblig ist es auf dem Hof von Lupps Schafschlachterei in Grevenbroich. Etwa ein Dutzend Arbeiter in weißen Kitteln und Gummistiefeln stehen in kleinen Grüppchen beisammen, trinken Kaffee und wärmen sich an einer Feuerstelle. Gleich wird die erste Kundschaft kommen, direkt nach dem Gebet in der Moschee. Dann steht für den Rest des Tages echte Knochenarbeit an. Wenigstens frieren wird dann keiner mehr. Etwa 100 Schafe warten hinter einem Gatter und kauen an Strohballen. Die Nummer an ihrem Ohr zeigt, dass ein Kunde sie schon vor Tagen reserviert hat. Die rituelle Schlachtung eines Opfertiers ist die wichtigste Tradition zum islamischen Opferfest, das von Donnerstag (20.12.2007) bis Sonntag (23.12.07) gefeiert wird.
Biblische Übereinstimmung
Das Opferfest geht auf ein Ereignis zurück, das auch im Alten Testament beschrieben wird: Gott verlangte der Überlieferung zufolge von Abraham, ihm einen Sohn zu opfern. Doch kurz bevor Abraham sein Kind wirklich töten konnte, gebot Gott ihm Einhalt. Stattdessen opferten ihm die Gläubigen einen Widder. Im Gedenken an diese Opferbereitschaft schlachten Muslime an diesem Tag ein Schaf oder einen Widder und verteilen einen Teil des Fleisches an Arme und Bedürftige. Das Opferfest stellt außerdem den Höhepunkt der Hadsch, der Wallfahrt nach Mekka, dar.
"Fast nur muslimische Kunden"
Etwa 100 bis 150 Euro müssen gläubige Muslime zahlen, die sich auf dem Hof von Züchter Werner Lupp ein Schaf aussuchen möchten. "Die Leute achten sehr auf Qualität", sagt Lupp. "Die Schafe sollen das ganze Jahr über frei gehalten werden, bei der Schlachtung müssen die Tiere mindestens sechs Monate alt sein." Auch zu normalen Zeiten hat der Schafzüchter fast nur muslimische Kunden. Für die vom Islam vorgeschriebenen rituellen Schlachtungen hat er den muslimischen Metzger Bülent Caltekin aus Köln engagiert. Allerdings wäre nach Auskunft von Imam Alboga, Imam und Dialogbeauftragter der Ditib, auch ein christlicher oder jüdischer Schlachter kein Problem. "Er muss allerdings gläubig sein, das ist die Voraussetzung", sagt der Imam. Lupp hat da andere Erfahrungen gemacht: "Den meisten meiner Kunden ist Religion nicht so wichtig. Hauptsache, das Fleisch schmeckt."
Empörte Tierschützer
Jedes Jahr zum Opferfest melden sich auch Tierschützer zu Wort und protestieren gegen die nach ihrer Meinung grausamen Schlachtriten. Dabei durchtrennt der Schlachter Halsschlagader und Luftröhre und lässt das Tier anschließend vollständig ausbluten. In den meisten islamischen Ländern werden die Tiere dabei nicht betäubt. In Deutschland schreibt das Tierschutzgesetz dagegen zwingend eine Betäubung vor, die von den hier lebenden Muslimen größtenteils auch beachtet wird. "Wenn die Veterinäre garantieren, dass die Betäubung das Tier nicht umbringt, dann ist sie zulässig", meint Imam Alboga. Sterbe das Tier jedoch vor diesem Eingriff, sei es nicht "halal" und dürfe nicht verzehrt werden. Grundsätzlich können Schlachter allerdings eine Sondergenehmigung für das betäubungslose Schächten beantragen, wenn ihre Religionsgemeinschaft dies zwingend vorschreibt. Allerdings wird diese Erlaubnis nur äußerst selten erteilt. "In NRW gibt es zurzeit keine Ausnahme und uns liegt auch kein Antrag vor", sagte eine Sprecherin des zuständigen Landwirtschaftsministeriums auf Anfrage von WDR.de.
"Nie ohne Betäubung"
Vor Ort ist auch Gerhard Fischer, Leiter des zuständigen Veterinäramts Neuss: "Wir haben lange Jahre erfolgreiche Überzeugungsarbeit geleistet", sagt er. Inzwischen gebe es im Kreis Neuss fünf Betriebe, an denen regelmäßig nach islamischem Ritus geschlachtet werde. "Aber nie ohne Betäubung. Und Tierärzte und Fleischbeschauer sind immer dabei. Das ist bei uns seit 20 Jahren so." Heute wird die Tierärztin Claudia Zielik bei der Schlachtung die Aufsicht führen. Die strengen deutschen Regeln würden inzwischen von der muslimischen Gemeinde ohne Probleme akzeptiert, sagt Fischer. Früher seien illegale Schächtungen häufig vorgekommen, inzwischen seien sie die absolute Ausnahme. Allerdings habe das Veterinäramt vor einigen Tagen doch noch einmal eingreifen müssen. Ein Mann habe in Grevenbroich Fleischabfälle vergraben und sei dabei beobachtet worden. "Er hat uns gegenüber dann zugegeben, dass er privat ein Schaf geschächtet hat. Das Tier sei ein Geschenk gewesen und er habe von einem Verbot nichts gewusst." Der Mann müsse nun mit einer hohen Geldstrafe rechnen, sagt Fischer.
Schlachtbänke sind gen Mekka ausgerichtet
Inzwischen sind die ersten Kunden eingetroffen, und ihre reservierten Schafe werden zur Schlachtbank geführt. Mehrere Helfer heben die Tiere auf die Bänke, die alle gen Mekka ausgerichtet sind. Dann werden sie mit der Elektrozange betäubt. Schlachter Caltecin murmelt die arabische Formel "Im Namen Gottes, Gott ist groß" und schneidet dem Tier mit einem einzigen routinierten Schnitt die Kehle durch. Einmal bittet ihn eine verschleierte Kundin um einen etwas aufwändigeren Ritus: Caltecin nimmt sich Zeit für die gewünschten Gebete. Obwohl das Blut in dichten Strömen fließt, haben die Helfer auch mit toten Tieren alle Hände voll zu tun: Selbst kopflose Schafe können sich anscheinend noch mit aller Kraft gegen ihr Schicksal wehren. "Das sieht schlimm aus, aber es sind nur noch Reflexe. Die merken nichts mehr", erklärt Tierärztin Zielik, die aufmerksam den Schlachtprozess verfolgt.
"Schaffleisch ist Tradition"
Gleich vier Schafe hat Alkac Menderes aus Köln für sich und seine Familie reserviert. "Das Fleisch wird zum Teil in der Nachbarschaft verteilt, auch an die Deutschen", sagt er. Früher habe er zum Opferfest meistens Geld in die Türkei geschickt. Aber diesmal seien Kinder bei der Feier dabei. Den Kleinen müsse natürlich was geboten werden. "Und Schaffleisch ist beim Opferfest Tradition, das muss einfach da sein."