Der Tag danach

Alles auf Wahlkampf

Stand: 15.03.2012, 18:26 Uhr

Keine Zeit für einen politischen Kater. Nach dem überraschenden Ende der rot-grünen Minderheitsregierung sind die Schalter auf Neuwahlen umgelegt. Volle Versprechungen und ein halber Berliner - der Tag, nachdem sich der Landtag auflöste.

Von Jenna Günnewig

Am Tag danach sieht es eigentlich aus wie am Abend zuvor. Vor dem Landtag Übertragungswagen, vor den Kameras Politiker. Von einen auf den anderen Tag ist Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen - da wird kein Mikro ausgelassen.

Sylvia Löhrmann (Grüne) hat über Nacht ihr Jackett von grün auf blumig-anthrazit gewechselt, ihre Botschaft bleibt die gleiche: "Kinder, Klima und Kommunen", das könnte keiner besser als ihre Grünen. Und damit geht's auch in die Neuwahl - in der Rot-Grün laut ARD-Umfrage eine sehr gute Chance auf eine absolute Mehrheit hat.

"Noch nie war ich stolzer, Vorsitzender meiner Fraktion zu sein"

Gerhard Papke bei der entscheidenden Haushaltsabstimmung | Bildquelle: dpa

Deswegen ist nicht nur FDP-Chef Gerhard Papke davon überzeugt, dass die Grünen es geradezu darauf angelegt haben, dass sich der Landtag auflöst. "Die wollten keine Verständigung!", macht er am Donnerstag (15.03.2012) in einem Pressegespräch noch einmal deutlich. Es wäre eine Bankrotterklärung der FDP gewesen, diesen Schuldenhaushalt durchzuwinken.

Aus diesem Grund hätte seine Fraktion letztendlich auch keine Verschiebung der zweiten Lesung des Haushalts beantragt - was politisch ein Leichtes gewesen wäre - sondern geschlossen mit "Nein" gestimmt. Und zu keinem Zeitpunkt sei er stolzer auf seine Fraktion gewesen. Ob das politischer Selbstmord der Liberalen war, entscheidet sich am 13. Mai, denn dann soll wahrscheinlich neu gewählt werden.

"Umfragewerte sind nun mal keine Wahlergebnisse"

Bis dahin wirkt der Landtag wirklich ein wenig aufgelöst. Düsseldorf nach dem politischen Beben verbraucht viel Kaffee und noch mehr Papier. Pressekonferenzen werden ab- und wieder zugesagt. Hintergrundgespräch reiht sich an Hintergrundgespräch, Eil-Meldungen, Kandidaten-Gerüchte, Koalitions-Absagen schwirren durch die Gänge.

Hannelore Kraft hat eine angekratzte Stimme. Die Ministerpräsidentin ist seit halb sechs in der früh unterwegs. Hunderte Mails, Anrufe und SMS habe sie bekommen und "weil Umfragewerte nun mal keine Wahlergebnisse sind", stürzt sie sich mitten rein in den Kampf. Sie verteidigt ihren Haushalt mit Zahlenkolonnen, greift Herausforderer Röttgen an, nennt Bildung, Kommunen-Konsolidierung und nachhaltige Wirtschaftspolitik als voranginge Wahlkampfziele. "Mein Herz hängt hier an NRW, ich bleib hier. Das sag ich klipp und klar - anders als mein Gegenkandidat."

"Rot-Grün ist eine alte Socke"

Norbert Röttgens politische Achillesferse ist allzu naheliegend - er ist Bundesumweltminister in Berlin. Ein attraktiver Job. Immer dann, wenn Krafts Herausforderer gefragt wird, ob er auch im Falle einer Neuauflage von Rot-Grün als Oppositionsführer nach Düsseldorf wechseln würde, windet er sich um die Antwort. "Ich will Ministerpräsident werden, nicht Oppositionsführer", sagt Röttgen. Und: "Nach der Wahl stellen sich alle anderen Fragen, die werden klar und eindeutig beantwortet."

Rot-Grün habe keinen Anspruch, keine Projekte, keine Inhalte, so Röttgen in seiner ersten Pressekonferenz als Spitzenkandidat - "Rot-Grün ist eher eine alte Socke", rechts und links neben ihm nicken Oliver Wittke und Karl-Josef Laumann im Akkord. Hat die CDU einen Koalitionswunsch? "Im schönsten Fall haben wir viele Optionen", so Röttgens mal wieder etwas ausweichende Antwort.

"Das ist wie bei Tarifverhandlungen, irgendwann ist Schluss."

"Mit so einem halben Berliner können wir nichts anfangen", erstickt Grünen-Spitzenkandidatin Löhrmann nur eine halbe Stunde später mögliche konservative Avancen im Keim. Die Grünen wollen es auf alle Fälle wieder mit der SPD versuchen. Und was sagt man hier zu dem Vorwurf der FDP, die Grünen-Fraktion habe gar keine Gespräche gewollt? Die FDP habe die Latte für Verhandlungen zum Haushalt immer höher gehängt, erklärt Fraktionschef Reiner Priggen. "Das ist wie bei Tarifverhandlungen, irgendwann ist Schluss."

Und wer rettet die FDP?

Einzig die Linkspartei beteiligte sich nicht am Pressekonferenz-Marathon. Sie war anscheinend mit der Suche nach geeigneten Spitzenkandidaten beschäftigt. Wolfgang Zimmermann, einer der beiden Fraktionsvorsitzenden, und die Landessprecherin Katharina Schwabedissen sollen es machen, war dann irgendwann aus Parteikreisen zu hören.

Bleibt somit nur noch der geheimnisvolle Spitzenkandidat der Liberalen. Der liberale Retter soll am Abend in einem Düsseldorfer Hotel der Presse vorgestellt werden. Ob es Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr oder vielleicht sogar Polit-Talent Christian Lindner wird - sicher ist, er hat bis zu den Neuwahlen in NRW ein hartes Stück Arbeit vor sich.