2.800 Einladungen zu diesem besonderen Treffen waren verschickt worden, 219 wurden angenommen: Man könnte das als Zeichen dafür werten, dass das Parteivolk glaubt, seine Stimme werde gar nicht mehr gebraucht, weil Norbert Röttgen sowieso zum Kandidaten im Wahlkreis Bonn I gewählt wird. Man könnte es aber auch als Zeichen dafür sehen, dass die Mitglieder des CDU-Kreisverbandes Bonn frustriert sind, weil sie nicht wissen, wofür sie kämpfen sollen. Röttgen, der künftige Spitzenkandidat für die Landtagswahl, will sich einfach nicht äußern, ob er auch im Fall einer Niederlage im Land bleibt. Das nimmt ihm die Basis jedenfalls anderswo im Land übel. Hier, im Brückenforum in Bonn-Beuel, offensichtlich nicht. Zumindest wollen die Anwesenden im Brückenforum den Eindruck erwecken, alles sei in bester Ordnung.
"Ein Kandidat muss seine Freiheit haben"
"Ich kann nachvollziehen, dass jemand ein klares Bekenntnis braucht", sagt Evelyn Höller, Vorsitzende des CDU-Ortsverbandes Beuel-Mitte. "Und ich denke auch, dass bald eine Klarstellung kommt. Aber ich mache auch so Wahlkampf für ihn." Philipp Lerch, Vorsitzender des Kreisverbandes, findet, "wir sollten jetzt auf Sieg spielen. 'Was wäre, wenn...' können wir nach der Wahl machen." Und Christiane Overmans, die den Wahlkreis Bonn I vor zwei Jahren an den SPD-Mann Bernhard von Grünberg verlor und zugunsten Röttgens nicht wieder antritt? "Dafür habe ich nicht verzichtet, dass er Oppositionsführer wird und wir einen Bundesminister verlieren." Ansonsten ist sie sicher, dass Röttgen "die Befindlichkeiten der Partei wahrnimmt. Aber ein Kandidat muss seine Freiheit haben, die sollten wir ihm lassen."
Student und Minister
Dass Vermutungen angestellt werden, Röttgen trete bewusst nicht im heimischen Rhein-Sieg-Kreis an und habe den Wahlkreis Bonn I ausgesucht, weil er gar nicht gewinnen wolle, stößt hier auf Unverständnis. Vorsitzender Lerch: "Wer ihm so etwas unterstellt, der kennt Norbert Röttgen nicht. Er will gewinnen" - auch wenn allen klar sei, dass es nicht einfach werde. "Hätten wir einen der anderen Kandidaten in Rhein-Sieg rauswerfen sollen?", fragt einer der Gäste empört. Sein Sitznachbar fügt hinzu: "Natürlich hätte er irgendwo in NRW antreten können, aber da hat er keinen Bezug zu." Der Bezug zu Bonn dagegen sei da, Röttgen sei in der Nähe aufgewachsen, habe hier studiert und setze sich als Bundesminister für die Stadt ein: Das betonen Röttgens Mitstreiter immer wieder, damit argumentiert auch das Parteivolk an diesem Abend.
Röttgen mag nicht an eine Niederlage denken
"Es ist eine Ehre für mich, hier anzutreten. Ich empfinde Bonn als meine Heimat": Auch Röttgen setzt auf die Heimatgefühle, als er sich vorstellt. Eine Vorstellung muss laut Parteisatzung sein, auch bei einem so prominenten Kandidaten. Die nutzt er aber bald, um von Bonn aus auf ganz Nordrhein-Westfalen zu blicken und einen Vorgeschmack auf seinen Wahlkampf zu geben. Gegen die rot-grüne Schuldenpolitik, für eine Politik, in der Natur und Industrie keine Gegensätze sind: Das sind einige seiner Ziele, die vom Publikum heftig beklatscht werden. Zu seiner Zukunft im Land sagt er nichts, äußert sich erst, als eine sichtlich skeptische Zuhörerin ihn fragt, was er im Fall einer Wahlniederlage machen würde. "Die gibt es nicht!", schallt es aus dem Saal. Röttgen lacht und antwortet: "Ein Sportler, der in den Wettkampf geht und über eine Niederlage nachdenkt, kann nicht gewinnen", und: "Wir werden klären, was für meine Partei das Beste ist. Dem werde ich mich dann unterordnen." Das Publikum klatscht wieder begeistert, nur die Frau scheint immer noch nicht überzeugt.
92 Prozent für Röttgen
17 Mitglieder bleiben bis zum Schluss skeptisch und verweigern Röttgen ihre Zustimmung. Aber 201 CDU-Leute geben ihm ein "Ja". Norbert Röttgen ist damit offiziell mit 92 Prozent der Stimmen zum Direktkandidaten im Wahlkreis Bonn I gekürt - zumindest von den Parteimitgliedern, die den Weg ins Brückenforum gefunden haben. Gegenkandidaten gab es übrigens nicht.