Markus Lanz gilt als netter Moderator. Als kürzlich FDP-Chef Philipp Rösler zu Gast in seiner Talkshow war, warf man Lanz später vor, zu unkritisch gewesen zu sein. Am Donnerstag (22.03.2012) war Hannelore Kraft eingeladen, Ministerpräsidentin von NRW und Spitzenkandidatin der SPD. Sie hatte einen schweren Stand. Gerade darf sie sich noch freuen, dass ihr die CDU einen Wahlkampfauftakt nach Maß verschafft hat - indem sich Norbert Röttgen nicht festlegen will, ob er als Wahlverlierer die Opposition im Landtag anführen will -, da rutschen ihr jene zwei Sätze heraus: "Wenn ich verlieren würde, muss ich sehen, was ich mache. Dass ich dann sitzen bleibe in der ersten Reihe wie mein Vorgänger (gemeint ist Jürgen Rüttgers, Anm. d. Red.), kann ich mir nicht vorstellen."
Dinge, die man im Wahlkampf besser nicht sagt
Im Grunde ist es wenig aufregend, was Kraft sagt. Wenn die SPD trotz der guten Ausgangslage die Wahl verlieren sollte, wird jemand die Verantwortung dafür übernehmen müssen, und das kann nur die Spitzenkandidatin sein. Nur: So etwas sagt man als Politiker im Wahlkampf nicht. Man beschäftigt sich nicht mit Niederlagen. Und man gibt Spekulationen, nach einer Wahl womöglich andere Aufgaben, etwa in der Bundespolitik, anzustreben, nicht unnötig Raum. Schon mal gar nicht, wenn man sich gleichzeitig über die CDU freut, deren Spitzenmann aus taktischen Erwägungen nicht zugeben will, dass er im Falle einer Niederlage lieber Umweltminister bleiben will.
Eine brenzlige Situation
Kraft hat nicht gesagt, dass sie bei einer Wahlpleite in die Bundespolitik wechselt. Sie hat es bei "Lanz" im Gegenteil vehement bestritten. Dennoch hat sie einen Fehler gemacht. Als der Moderator ihr unterstellt, sie mache den Röttgen, wird es brenzlig. Kraft versucht zu erklären: "Es kann die Situation entstehen, dass ich nicht mehr in NRW bleiben kann, einer muss ja die Verantwortung für das Desaster übernehmen", sagt sie. Später schickt Kraft noch hinterher, dass sie doch auch Oppositionschefin werden würde, wenn die SPD sie behalten möchte. Doch der Schaden ist entstanden.
Wahlkampf-Motto: NRW im Herzen
Einen Tag später steht der Generalsekretär und Wahlkampfmanager Mike Groschek in Düsseldorfer SPD-Haus und läutet offiziell den Wahlkampfauftakt ein. Es werde ein "Gute-Laune-Wahlkampf", sagt er selbstbewusst. Die Mitglieder seien "hochmotiviert" und "sehr optimistisch". Und er trägt das Motto für den Wahlkampf vor, Groschek nennt es Claim: "NRW im Herzen." Da passt es natürlich absolut nicht, dass Kraft am Abend vorher davon gesprochen hat, NRW im Falle des Falles den Rücken zu kehren.
Einen Tag später folgt die Klarstellung
Groschek, ganz treuer Wahlkämpfer, bestreitet erst einmal alles. Von einem Zettel liest er ab: "Krafts Platz ist in NRW, sie hat keine Fahrkarte nach Berlin." Als die Nachfragen drängender werden, behauptet er, die Ministerpräsidentin habe nur im Konjunktiv gesprochen. Sie bleibe im Land, unabhängig vom Wahlergebnis. Keine halbe Stunde später meldet sich Kraft selbst per Pressemitteilung und stellt die Sache klar. "Ich gehe nicht nach Berlin", schreibt sie. "Wenn es die Partei wünscht, mache ich auch die Aufgabe als Oppositionsführerin."
Damit hat sich Kraft eindeutig positioniert. Trotzdem hat sie unnötig eine Debatte ausgelöst, die der CDU nun die Gelegenheit gibt, vom Lavieren ihres eigenen Kandidaten abzulenken. "Kraft will nicht Oppositionsführerin sein", proklamiert am Freitag (23.03.2012) die Junge Union. In der Düsseldorfer CDU-Zentrale lässt sich ein leitender Mitarbeiter zu einem Jubelruf hinreißen: "Wunderbar". Und Norbert Röttgen sagt ganz offiziell, nun zeige sich, dass sich die SPD bereits mit einer Niederlage beschäftige. Willkommen im Wahlkampf.