Vergewaltigungsopfer in Köln abgewiesen

Katholische Krankenhäuser verweigern Untersuchung

Stand: 17.01.2013, 17:46 Uhr

Eine junge Frau, die offenbar durch K.o.-Tropfen betäubt und später vergewaltigt wurde, ist in Köln von zwei katholischen Kliniken abgewiesen worden. Die Begründung: Ein Rezept für die "Pille danach" könne aus ethischen Gründen nicht ausgestellt werden.

In Tränen aufgelöst und mit verschmutzter Straßenkleidung kam am 15. Dezember 2012 eine 25-Jährige zur Notärztin Irmgard Maiworm. Am vergangenen Abend hatte sie mit Freunden auf den Kölner Ringen gefeiert, erzählte sie. Das letzte, an das sie sich erinnerte, war, dass sie an der Haltestelle stand und dachte: "In zehn Minuten kommt die Bahn." Danach gibt es keine Erinnerung mehr. Am folgenden Nachmittag wurde sie auf einer Bank im Kölner Stadtteil Kalk wach. In einem Kiosk durfte die junge Frau ihre Mutter anrufen, die sie abholte und zur Notarztpraxis von Irmgard Maiworm brachte.

Zwei Krankenhäuser lehnten die Untersuchung ab

Bei der Ärztin bestätigte sich der Verdacht, dass die junge Frau mit K.o.-Tropfen betäubt und anschließend vergewaltigt worden sein musste. Darüber sprach sie mit ihrer Patientin - auch über eine mögliche Schwangerschaft. Sie verschrieb ihr die "Pille danach" und wandte sich an zwei Krankenhäuser in der Nähe, um das Opfer gynäkologisch untersuchen zu lassen und Spuren zu sichern. Doch sowohl das angrenzende St. Vinzenz-Hospital in Köln-Nippes als auch das Heilig-Geist-Krankenhaus im Nachbarbezirk lehnten eine Untersuchung ab. Begründet wurde die Ablehnung gegenüber Irmgard Maiworm jeweils mit der gleichen Argumentation: Bei einer solchen Untersuchung müsste auch über die "Pille danach" aufgeklärt und ein entsprechendes Rezept ausgehändigt werden. Das sei aber nicht vereinbar mit dem christlichen Gedankengut. "Mit dem Hinweis auf Moral wird einer Frau, die wahrscheinlich mehrfach traumatisiert ist, Hilfe verweigert. Welche Moral ist das?", fragt sich die Notäztin. Irmgard Maiworm kritisiert, das Verhalten der katholischen Krankenhäuser habe die junge Frau erneut zum Opfer gemacht: "Ich finde das menschlich sehr befremdlich. Es enttäuscht mich sehr."

Untersuchung erst in evangelischer Klinik möglich

Die Kölner Polizei bestätigt den Fall: "Wir wissen, dass die Geschädigte abgewiesen worden ist", sagte Pressesprecherin Dorothee Göbel. Die Beamten hatten die Anzeige der jungen Frau in der Notarztpraxis aufgenommen. "Wir sind mit ihr zusammen dann ins evangelische Krankenhaus nach Köln-Kalk gefahren." Dort seien dann alle Untersuchungen durchgeführt worden, die die Polizei für ein Strafverfahren benötige.

Beide katholischen Krankenhäuser gehören zur "Stiftung der Cellitinnen zur heiligen Maria". Diese hatten im November 2012 neue ethische Richtlinien für das ärztliche Personal formuliert. Demnach darf kein zur Stiftung gehörendes Krankenhaus die "Pille danach" verschreiben, auch nicht für ein Vergewaltigungsopfer.

Träger spricht von Missverständnis

Ärztin Irmgard Maiworm | Bildquelle: dpa

Die Ärzte solcher Krankenhäuser stehen seitdem unter Druck: Wenn sie gegen die Vorgaben ihres Arbeitgebers verstoßen, müssen sie mit einer fristlosen Kündigung rechnen. Andererseits sind sie ihrem Diensteid verpflichtet, allen Menschen zu helfen. Vergewaltigungsopfer würden in katholischen Krankenhäusern genauso behandelt wie in anderen Kliniken auch, versicherten Kirche und Krankenhausleitung in einer Pressekonferenz am Nachmittag. In den Krankenhäusern der Cellitinnen gebe eine Pflicht zur umfassenden Heilbehandlung und auch "eine volle Kooperation mit der anonymen Spurensicherung" - also genau das, was beide Krankenhäuser abgelehnt haben sollen: Die Sicherung relevanter Spuren wie Sperma und Hautpartikel. Nur die "Pille danach" werde nicht verschrieben. Dass die Frau dennoch gleich zweimal abgewiesen wurde, seien Fehler einzelner Ärzte.

NRW-Grüne raten: "Katholische Einrichtungen meiden"

Der Fall sorgt auch in Düsseldorf für Aufregung. Das Gesundheitsministerium teilte mit, dass geprüft werde, ob ein Verstoß der Krankenhäuser gegen gesetzliche Regelungen vorliege. "Grundsätzlich darf kein Krankenhaus das Opfer einer Gewalttat abweisen", sagte Gesundheitsministerin Barbara Steffens. Neben einer möglicherweise notwendigen Behandlung körperlicher Schäden müssten psychische Schäden therapiert und zudem für die spätere Strafverfolgung schnell und professionell Spuren gesichert werden.  

Deutlich positioniert haben sich die NRW-Grünen: "Der Fall in Köln zeigt einmal mehr die zynische Moral der Katholischen Kirche, in deren Trägerschaft die Krankenhäuser stehen", sagte der grüne Landesvorsitzende Sven Lehmann am Donnerstag (17.01.2013) zu WDR.de. "Leider muss man Vergewaltigungsopfern raten: Meidet katholische Einrichtungen!"

Die Vorkommnisse stünden in einer Kette von Fällen, die zeigten: "Christliche Nächstenliebe hört da auf, wo es um die Dogmen einer verstaubten Amtskirche geht." Grundsätzlich sollten nach Meinung von NRW-Grünen-Chef Lehmann Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft die Betriebserlaubnis entzogen werden, wenn sie Menschenrechte wie das Recht auf Erste Hilfe ablehnten. "Es ist ein Skandal, dass solche Einrichtungen überhaupt mit staatlichen Geldern betrieben werden."