13. April 1980: In der Kirche des alten Wuppertaler Gefängnisses Bendahl ist gerade der Gottesdienst zu Ende gegangen, als ein ohrenbetäubender Knall die Stille zerreißt. Als sich der Nebel lichtet, klafft ein Loch in der Außenmauer der Haftanstalt.
Schnell ist klar: Arcangelo Maglio ist befreit worden, ein gefährlicher 'Ndrangheta-Boss. Weil ihm in seiner kalabrischen Heimat der Boden zu heiß geworden war, hatte er sich nach Deutschland abgesetzt. Im Bergischen Land wächst er zu einer Schlüsselfigur der Organisierten Kriminalität heran. Ein pensionierter Kriminalbeamter erinnert sich: "Er war ein sehr intelligenter Straftäter, der die Fäden in der Hand hatte, aber nichts selber machte." Ende der 70er Jahre ermittelt die Wuppertaler Staatsanwaltschaft in Maglios Umfeld in 150 Fällen. Verdächtig sind fast immer Italiener. Es geht um Schutzgelderpressung, Vermittlung von Schwarzarbeitern, illegales Glücksspiel und Mord.
Kalabrischer Sprengsatz im Bergischen Land
1979 erschießt Maglios rechte Hand Emilio Boccolato einen Wuppertaler Zuhälter. Im Keller einer Remscheider Villa wird der Kellner Luigi Masetti gefoltert und ermordet. Als ein Erpressungsopfer dennoch bei der Polizei aussagt, detoniert in seinem Haus im Bergischen Land ein Sprengsatz. Vier Monate nach seiner Befreiung taucht der "Pate von Wuppertal" wieder in seiner kalabrischen Heimat auf. Im August 1980 verhaften ihn die Carabinieri. Wieder auf freiem Fuß, stirbt Arcangelo Maglio (Spitzname: Der "Erzengel") im Kugelhagel der eigenen Leute.
Dem Verräter das Herz herausgeschnitten
Derweil macht im Ruhrgebiet ein junger Mann von sich reden. Giorgio Basile, 1960 in Corigliano/Kalabrien geboren, aber in Mülheim/Ruhr aufgewachsen. Weil er sich im Ruhrgebiet gut auskennt, steuert er bei der Befreiungsaktion Maglios Fluchtwagen. Sein großes Vorbild: der Geliebte seiner Mutter, ein kalabrischer 'Ndrangheta-Boss, der immer wieder in Mülheim auftaucht. Basile darf in Süditalien zwar ein bisschen Mafia-Luft schnuppern, doch er merkt auch: Aus allen heiklen Geschäften wird er herausgehalten. So kommt er auf die Idee, in Mülheim einen eigenen Clan zu gründen. Er macht eine Diskothek auf, in der bald zahlreiche Unterweltgrößen verkehren. Doch es gibt Ärger mit dem Vermieter. Ostern 1985 findet man dessen Leiche mit einem blutigen Knebel im Mund. Giorgio Basile wird von der deutschen Justiz zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt. Ein Mittäter, der im Prozess "gesungen" hatte, wird gleich nach seiner Haftentlassung in Italien ermordet. Seine Eltern finden das herausgeschnittene Herz des Sohnes vor ihrer Wohnungstür.
Der Pate aus Mülheim unter Zeugenschutz
Als Giorgio Basile 1991 entlassen wird, wird er in Italien für die 'Ndrangheta eine immer wichtigere Figur. Er macht als Drogenhändler Karriere und sorgt dafür, dass Geld in die Mafia-Kassen kommt. Ständig pendelt er zwischen Kalabrien, Deutschland und den Niederlanden. Am 2. Mai 1998 wird er schließlich von Beamten des Bayerischen Landeskriminalamtes im Bahnhof von Kempten festgenommen. Er wird mit 30 Morden in Verbindung gebracht. Er nutzt seine einzige Chance, um jemals wieder auf freien Fuß zu kommen. Er packt aus. Erst vor der deutschen, dann vor der italienischen Polizei. Reihenweise wandern Clan-Größen in Haft. Die eigene Haftzeit hat Basile bereits hinter sich. Er steht unter Zeugenschutz. Auf den Todeslisten der 'Ndrangheta steht er ganz oben. Angeblich hat sich bereits einer seiner Verwandten aus dem Ruhrgebiet bereiterklärt, die Hinrichtung zu übernehmen.