Die Talsohle der Wirtschaftskrise ist offenbar durchschritten - das zeigen die Zahlen schwarz auf weiß: Im Vergleich zum Vorjahr ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im zweiten Quartal 2010 um 4,1 Prozent gestiegen - so rasant wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Geht es den Unternehmen besser, fließt auch wieder mehr Gewerbesteuer. 32 Milliarden Euro hatten Städte und Gemeinden im Krisenjahr 2009 nur noch eingenommen - fast ein Viertel weniger als im Jahr davor. Doch jetzt klingeln die Kassen wieder, wenn auch erstmal leise. Einen Zuwachs von 24 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet der Deutsche Städtetag bis jetzt. Das habe eine Umfrage in 100 deutschen Städten ergeben. "Möglicherweise werden wir bis zum Jahresende noch einen Anstieg haben", sagt NRW-Städtetagsprecher Volker Bästlein. Die Gewerbesteuer ist die wichtigste Einnahmequelle im Haushalt einer Kommune - auch, weil die Kommunen die Möglichkeit haben, sie individuell anzuheben.
Doch zur reinen Euphorie sieht Bästlein keinen Anlass: Zum einen seien die Zahlen nur ein Durchschnitt. Einige Städte in NRW könnten von diesem Aufschwung noch nicht viel spüren, "das hängt davon ab, welche Branchen die örtliche Wirtschaft bestimmen". Und: "Der Anstieg geschieht von sehr niedrigem Niveau aus. Die schwere Krise ist damit noch längst nicht überwunden."
"Lediglich Verbesserung im Minus"
Im klammen Wuppertal ist man für jedes positive Anzeichen dankbar: Nachdem die Gewerbesteuereinnahmen im vergangenen Jahr von 170 Millionen auf 95 Millionen am Jahresende abgestürzt waren, verzeichnet Kämmereileiter Alfred Lobers für dieses Jahr immerhin schon wieder 105 Millionen. "Wir schätzen einen Anstieg auf 110 Millionen bis zum Jahresende", sagt er. Im Aufwind befänden sich vor allem die örtlichen Autozulieferer. Allerdings, warnt der Kämmerer, wirkten auch bei diesen Firmen noch die dicken Verluste aus dem Vorjahr nach: Die können nämlich mit den Einnahmen dieses Jahres steuerlich verrechnet werden.
Der andere Grund, warum sich der Wuppertaler Schatzmeister nicht wirklich über das Einnahmenplus freuen kann: Wuppertal ist mit 1,8 Millarden Euro verschuldet und steht unter Haushaltssicherung. "Das heißt, wir dürfen kein Geld ausgeben und können keine Beschlüsse fassen." Die zusätzlichen Einnahmen brächten lediglich "eine Verbesserung im Minus". Dringend anstehende Investitionen müssten weiterhin warten, und die drohende Schließung von fünf Schwimmbädern und des Schauspielhauses sei damit auch nicht vom Tisch. Auf ihrer Homepage hat die Stadt die Finanzlage ausführlich dargestellt.
Düsseldorf: relativ krisensicher
Auch Manfred Abrahams, Kämmerer der wohlhabenden - weil schuldenfreien - Stadt Düsseldorf, warnt davor, die positiven Zahlen des laufenden Jahres überzubewerten. "Im Vergleichsquartal in 2009 hat es einen regelrechten Absturz gegeben", sagt er. "Dass die Einnahmen in diesem Jahr deutlich darüber liegen, ist kein Wunder." Man solle besser das dritte Quartal noch abwarten, um von einem Aufschwung reden zu können. Dennoch: Die Auftragsbücher der meisten Unternehmen seien zweifellos wieder besser gefüllt, die Exportquoten stiegen wieder an. Wobei die Düsseldorfer Stadtkasse, fügt Abrahams hinzu, ohnehin weniger von der Krise geschüttelt gewesen sei. Mit den Branchen der lokalen Unternehmen sei man breit aufgestellt und dadurch weniger konjunkturanfällig. "Einige Branchen verzeichneten während der Krise sogar einen leichten Aufwärtstrend." In der Vergangenheit habe Düsseldorf sogar den Hebesatz der Gewerbesteuer senken können - "als Belohnung für die ansässigen Unternehmen und als Anreiz für Auswärtige, nach Düsseldorf zu kommen".
"Wenige Aussschläge" in der Kleinstadt Wesel
Ob eine Kommune vom Aufschwung durch Gewerbesteuer profitiert, hängt stark von den Branchen ab, die am Ort angesiedelt sind. So liegen im kleinen Wesel die diesjährigen Gewerbesteuereinnahmen nur knapp über denen des vergangenen Jahres: Statt 24 Millionen kassierte Wesel bis jetzt 26,8 Millionen, sagt Frank-Peter Lellek, Fachbereichsleiter Finanzen. Dafür war die 30.000 Einwohner-Stadt aber auch im allgemeinen Krisenjahr 2009 von allzu starken Einbrüchen verschont geblieben. Mit den dort beheimateten Unternehmen aus der Chemiebranche, mit den Banken, dem Stromversorger und vor allem der lokalen Kiesindustrie habe Wesel "nicht die Ausschläge" wie andere Kommunen, sagt Lellek.
Gelsenkirchen bleibt arm
Eine der wenigen Kommunen NRWs, die überhaupt nicht vom allgemeinen Aufwind profitieren, ist Gelsenkirchen - zugleich eine der ärmsten Städte des Landes. Gelsenkirchen werde 2010 vermutlich noch weniger Gewerbesteuer einnehmen als im Krisenjahr 2009, konstatiert Stadtkämmerer Georg Lunemann. "Wir haben nur wenige Unternehmen vor Ort, die nennenswerte Gewerbesteuer zahlen." Die verarmte Stadt kann auf die wichtigste Einahmequelle vorerst nicht zählen. Doch der Kämmerer gibt sich optimistisch: "Das ist ein Posten, der über alle Jahre hinweg immer stark schwankend ist. Das müssen wir ohnehin immer mit einkalkulieren."