Das vertrauliche Gutachten, das dem WDR vorliegt, trägt den Titel "Stillsetzungskosten, Alt- und Ewigkeitslasten" und wurde für das Bundeswirtschaftsministerium erstellt. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG berechnet darin die Gesamtkosten, die auch nach einem Ende des Steinkohle-Bergbaus weiterhin verursacht würden: Denn wenn keine Kohle mehr abgebaut wird, müssen dennoch die Stollen und Schächte unter Nordrhein-Westfalen instandgehalten oder zugeschüttet werden. Bergschäden, die trotz dieser Vorsichtsmaßnahmen entstehen, müssen beseitigt werden. Das KPMG-Gutachten ist die erste umfassende Analyse zu dem Thema.
2.200 Schächte müssen erst einmal gefunden werden
Deutlich mehr Geld als bislang erwartet kostet es laut KPMG-Gutachten, das eindringende Grubenwasser abzupumpen. Dies ist aber unter anderem zum Schutz des Trinkwassers nötig. Rund 100 bis 150 Millionen Euro kostet das Pumpen jährlich, heißt es in dem Gutachten - rund doppelt bis dreimal so viel wie in bisherigen, eher groben Schätzungen. Die Grubenwasser-Beseitigung würde demnach auch den Großteil des weiterhin benötigen Personals beschäftigen. Insgesamt sind nach KPMG-Berechnungen 370 Mitarbeiter für die permanente Instandhaltung erforderlich - auf ewig. Geschätzte Kosten: 30 Millionen Euro jährlich.
Schwerpunkt
Einen weiteren gewaltigen Betrag rechnet KPMG für rund 2.200 Bergbau-Schächte ein, deren genaue Lage und Zustand auch der RAG momentan nicht bekannt seien. Diese Schächte, von denen in der bisherigen Debatte um die Ewigkeitskosten des Bergbaus noch gar nicht die Rede war, müssten erst wiederentdeckt werden. "Die Tageslichtöffnungen der Schächte sind häufig verschlossen, wodurch ein Auffinden nur mit aufwändigen Suchmaßnahmen möglich ist", zitiert die "Rheinische Post" aus dem Gutachten. Insgesamt würde dies rund 440 Millionen Euro teuer.
Ausstiegsszenarien für Walsum und Lippe
Das Gutachten untersucht nach WDR-Informationen außerdem mehrere mögliche Szenarien für den Ausstieg aus der Steinkohle bis 2018. Eines sieht die Schließung des Bergwerks Walsum bei Duisburg bereits Ende 2007 statt Ende 2008 vor, der Standort Lippe würde ein Jahr später folgen. Das Szenario, das von einer Senkung der Fördermenge um zusätzliche vier Millionen Tonnen Kohle auf nur noch zwölf Millionen Tonnen bis 2012 ausgeht, würde nach WDR-Informationen jedoch ohne betriebsbedingte Kündigungen möglich sein.
Bisher plant die RAG unter Konzernchef Werner Müller, die Langzeitkosten des Bergbaus durch einen Börsengang der anderen Konzernteile - Chemie, Energie und Immobilien - abzudecken. Die politischen Entscheidungen darüber könnten bei einem weiteren Kohlegipfel am Mittwoch (10.01.2007) getroffen werden. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) plädiert für einen raschen und endgültigen Ausstieg aus der Steinkohle, während die SPD noch über einen Sockelbergbau nachdenkt und erst 2012 entscheiden möchte.