Keine Einigjkeit über die Kosten

Wie teuer wird das Kohle-Aus 2014?

Stand: 25.10.2010, 02:00 Uhr

Kommt der Kohleausstieg 2014 oder 2018? Die Bundesregierung will sich diese Woche auf eine Position gegenüber der EU einigen. Ein früherer Ausstieg koste mehr, befürchtet die RAG. Experten dagegen rechnen mit mehr als einer Milliarde Euro Einsparungen.

Von Nina Magoley

Die Nachricht kommt aus Brüssel: Deutschland, so befand die dort zuständige Kommission, lasse sich zu viel Zeit beim Ausstieg aus der Steinkohleförderung. Nach dem 2007 von Bund, Ländern, Industrie und Gewerkschaften beschlossenen "Kohle-Kompromiss" soll die Subvention im Jahr 2018 auslaufen. Die EU will nun, dass das schon bis 2014 geschieht. Innerhalb der deutschen Politik ist die Meinung dazu sehr gespalten.

Während sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei der EU für eine Beibehaltung des geplanten Ausstiegs 2018 einsetzen will, sieht Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) in einem früheren Ausstieg durchaus Sparpotenzial, forderte aber erstmal konkrete Untersuchungen zu den tatsächlichen Kosten. Auch der Bundesfraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin, befürwortet den Ausstieg für 2014 und verweist auf neueste Informationen aus dem Rheinisch Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI), wonach damit 1,2 Milliarden Euro eingespart werden könnten. Die rot-grüne Regierung im Kohleland NRW dagegen beharrt darauf, die Subventionen erst 2018 zu beenden. Anfang der nächste Woche will sich die Bundesregierung auf einen gemeinsame Position vor der EU einigen.

Keine einheitlichen Angaben über die Kosten

Auch die Zahlen zu den Kosten eines früheren Ausstiegs klingen sehr unterschiedlich. "Ein vorzeitiges Ende des Steinkohlebergbaus bis 2014 würde den Bund zwei Milliarden Euro kosten", sagt Ulrich Winkler, Sprecher des Bergbaukonzerns RAG AG, zu WDR.de. 6.800 Bergleute, so rechnet die RAG, erwarte die betriebsbedingte Kündigung. Die Kosten der Arbeitslosigkeit würden dadurch um 3,4 Milliarden Euro höher ausfallen als bei einem Kohleausstieg im Jahr 2018. Weitere 700 Millionen Euro gingen der öffentlichen Hand dadurch verloren, dass sie in den vier wegfallenden Jahren nicht von steigenden Kohlepreisen profitieren könnte. Außerdem reiche bis 2014 die Zeit nicht aus, um genügend Rücklagen für die "Ewigkeitskosten" zu bilden - Entwässerung der stillgelegten Gruben beispielsweise - für die die eigens gegründete RAG-Stiftung zuständig ist.

RWI: Sozialverträglicher Ausstieg möglich

Rainer Kambeck, Experte für öffentliche Finanzen am RWI, hält diese Zahlen für "nicht nachvollziehbar". Nach aktuellen Berechnungen des RWI würden die Steuerzahler durch den vorgezogenen Ausstieg um mehr als 1,2 Milliarden Euro entlastet, sagt er. Und Kambeck wundert sich: Bei ihren Berechnungen hätten die RWI-Experten sich ausschließlich auf Daten und Zahlen der RAG selbst gestützt. Noch im Januar 2010 hatte die RAG auf einen Große Anfrage im NRW-Landtag ausführliche Auskünfte gegeben. In einem Gutachten hatte der Bergbaukonzern außerdem beziffert, wie viel Tonnen Kohle im Zeitraum von 2014 bis 2018 pro Jahr weniger gefördert würden. Gleichzeitig habe die RAG angegeben, wie viel Euro "Absatzhilfe" in den vergangenen Jahren durchschnittlich pro Tonne Steinkohle aufgewendet werden musste. Wenn man beide Posten miteinander verrechne, komme ein Einsparungsbetrag von 1,8 Milliarden Euro heraus.

Befürchtete Arbeitslose ohnehin bald in Rente

Um die Kosten der Arbeitslosigkeit, die durch den früheren Ausstieg drohen, zu berücksichtigen, bezog sich das RWI ebenfalls auf Angaben der RAG: 6.300 Mitarbeiter würden demnach bis 2018 in Rente gehen, weitere 300 die Branche wechseln. "Das sind genau die 6.800, denen 2014 angeblich die Kündigung drohen würde", sagt Kambeck. "Selbst wenn, wie die RAG sagt, 550 Millionen Euro Arbeitslosenkosten anfielen, blieben am Ende immer noch 1,2 Milliarden Einsparungen, mit denen der Ausstieg sozialverträglich abgefangen werden könnte." Auch die anfallenden "Ewigkeitskosten" hält Kambeck bei einem früheren Ausstieg für tragbar. Denn die RAG-Stiftung, die dafür zuständig ist, habe bereits Rücklagen von 2,4 Milliarden Euro inklusive Zinseinnahmen, durch Aktien- und Wohnungsverkäufe sei zukünftig noch mit wesentlich mehr Einnahmen zu rechnen.

RAG: "Kein Kommentar"

Bei der RAG-Stiftung will man sich auf eine Diskussion über die neuen Zahlen nicht einlassen. "Der Beschluss zum Ende der Steinkohle in 2018 ist vor allem vor dem Hintergrund der Sozialverträglichkeit gefasst worden", sagt Stiftungssprecher Ulrich Winkler, ein Ausstieg bis 2014 bedeute zwei Milliarden Euro Minus. Dass nach RWI-Berechnungen auch zum Jahr 2014 ein sozialverträglicher Ausstieg mit zusätzlichen Einsparungen möglich sei, sei für die RAG "nicht maßgeblich", so der Sprecher. Auch, dass das RWI seine Zahlen aus Veröffentlichungen der RAG bezog, ficht den Bergbaukonzern offenbar nicht an: "Wir kommentieren diese Rechnung des RWI nicht."

"Ausstieg kein Überraschungsei"

Beim Städte- und Gemeindebund NRW kann man der allgemeinen Aufregung nicht ganz folgen. "Der Ausstieg, ob nun 2018 oder 2014, kommt nicht wie ein Überraschungsei", sagt Sprecher Martin Lehrer. Die Kommunen in NRW hätten ihren Strukturwandel für die Zeit nach der Steinkohle "längst eingestielt", der finanzielle Ausstieg und auch die damit verbundene Personalreduzierung seien "von langer Hand geplant". Diese Pläne müssten nun "lediglich ein paar Jahre früher in Kraft treten". Zwar würden dann die Einnahmen durch den Verkauf der Kohle früher wegfallen, dafür müssten aber schließlich auch keine Subventionen mehr gezahlt werden.

Die dramatischen Verluste, die die RAG Stiftung vorrechne, hält Lehrer für übertrieben. "Natürlich beteiligen sich jetzt verschiedene Interessensverbände an der Diskussion", sagt er, "aber diesen Rechnungen würde ich nie über den Weg trauen". Schließlich ginge es bei der Steinkohleförderung "nicht um einen profitablen Wirtschaftszweig, sondern um einen hochdefizitären mit vergleichsweise wenigen Arbeitsplätzen." Die Tourismusbranche beispielsweise bringe den Kommunen NRWs schätzungsweise vier bis fünf mal so viel ein wie der Kohlebergbau.