Proteste nach Wall-Street-Vorbild in NRW

Occupy-Bewegung: Wie viele gehen auf die Straße?

Stand: 13.10.2011, 12:25 Uhr

Was an der Wall Street funktioniert, könnte auch am Kölner Chlodwigplatz klappen: Nach US-Vorbild demonstrieren dort und in diversen deutschen Städten Hunderte gegen die Macht einer globalen Finanzelite. Wie groß die Proteste werden, ist noch unklar. Ein Bericht von den Vorbereitungen.

Von Insa Moog

Ob Frankfurt, Hamburg, Köln, Bochum, Stuttgart oder Düsseldorf: Die letzten Absprachen und Planungen der Occupy-Aktivisten liefen am Freitag (14.10.2011) auf Hochtouren. Ist die Veranstaltung angemeldet, wer fühlt sich dafür überhaupt verantwortlich? Wer kümmert sich um Transparente? Wird es gelingen, ein Besetzer-Camp aufzubauen? Schwer zu sagen, wie viele es genau sind, die sich im Augenblick vor allem eines fragen: Wird es am Samstag gelingen, den Geist der "Occupy Wall Street"-Bewegung nach Deutschland zu holen?

Vorläufiges Ziel: EZB blockieren

Wolfram Siener | Bildquelle: Wolfram Siener

Darauf hofft der 20-jährige Wolfram Siener. Er wünscht sich eine Demokratie, die nicht allein auf Märkte ausgerichtet ist, sondern auf den Menschen, und ein Ende der schier grenzenlosen Macht der Banken und Reichen. Dafür, dass dies kein Wunsch bleibt, will er sich einsetzen. Seit wenigen Tagen ist Siener offziell der Pressesprecher von "Occupy Frankfurt". Siener und der 22-jährige Webentwickler und Mitorganisator Colin B. haben derzeit alles andere "auf Eis gelegt". Ebenso wie andere "Occupy"-Ableger, die weltweit immer zahlreicher werden, haben sie eine große Aktion zum Samstag (15.10.2011) geplant. Die Frankfurter scheinen im Moment deutschlandweit den größten Zulauf zu haben.

Um ihr Anliegen bekannter zu machen, haben sie sich, wie Occupy-Aktivisten in anderen Städten auch, mit der spanischen Bewegung "Echte Demokratie jetzt!" (Democracia Real Ya!) solidarisiert, die zu einem internationalen Protesttag aufgerufen hatte - dezentral und global. Seit Ende September gibt es das Wiki "occupyfrankfurt.de", an dem jeder mitarbeiten darf, und eine gleichnamige Fanseite bei Facebook. "Jeder, der beitragen möchte, wird gehört", sagt Siener. Treffpunkt ist zum geplanten Protesttag der Frankfurter der Brockhaus-Brunnen in der Innenstadt. Dort werde es ein offenes Mikrofon und nach Möglichkeit auch prominente Redner geben. Später wollen die Aktivisten gesammelt zum Gebäude der Europäischen Zentralbank (EZB) gehen und dort möglichst über Tage hinweg "blockieren". Nach New Yorker Vorbild in einem improvisierten Camp.

In Kontakt ist man auch mit den Globalisierungsgegnern von Attac. Deren Frankfurter Ortsgruppe hatte als erstes eine Demonstration angemeldet. Siener, B. und ihre Mitstreiter hoffen, dass weitere Gruppen und vor allem viele unabhängige einzelne sich am Brockhaus-Brunnen einfinden. Siener: "Wir rechnen zum Anfang mit einigen hundert, aber es soll ja einige nachhaltige Bewegung werden." Das könne schließlich noch Jahre dauern.

Wenige virtuelle Fans in der Hauptstadt

Twitterkanal von Occupy Düsseldorf | Bildquelle: Twitter/Occupy Düsseldorf

Der Frankfurter Occupy-Ableger ist mit seinen knapp 3.510 Facebook-Fans (Stand: 12.10.2011) zumindest nach Online-Netzwerk-Kriterien deutschlandweit am besten aufgestellt. Dahinter liegen Hamburg (1.356 Fans), Köln (916), Düsseldorf (592), Berlin (554) und Stuttgart (295). Ob diese Zahlen wirklich etwas zu bedeuten haben, weiß noch niemand. In Kontakt stehen die Gruppen untereinander nicht. Wer sich dazu berufen fühlte, folgte dem Aufruf der Aktivisten von der Wall Street und gründete einen "Occupy"-Ableger für die eigene Stadt, zunächst virtuell auf Facebook, oft verknüpft mit Blogs, die wiederum Livestreams verlinken oder zugehörige Twitterkanäle wie etwa @occupy_duess (Occupy Düsseldorf). "We are the 99%" - "Wir sind die 99 Prozent", die dem einen Prozent der Reichen und Mächtigen der Weltbevölkerung gegenüberstehen, lautet das gemeinsame Motto.

"Keine Partei bei Occupy!"

Davon angesprochen fühlte sich auch eine Kunststudentin aus Köln. Sie ist auf der "Occupy Cologne"-Fanseite und bei der Organisation vor Ort aktiv. Die Occupy-Bewegung sei keine politische Gruppe und richte sich auch nicht an die Regierungen, sagt sie ernst. "Es geht nicht darum, Autoritäten um etwas zu bitten. Es geht um ein Umdenken in den Köpfen aller und darum zu verstehen, dass die Gesellschaft das ist, was wir aus ihr machen." Wichtig ist den Aktivisten, nicht unter dem Etikett von Gruppen oder Parteien aufzutreten. Dieser Aufruf wiederholt sich in den Threads der verschiedenen Seiten: "Keine Partei bei Occupy!"

Treffpunkt steht, Verlauf ist unklar

Facebook-Fanseite von Occupy Cologne | Bildquelle: Facebook/Occupy Cologne

Beteiligt sind an der Aktion in Köln die Organisation "Echte Demokratie jetzt!", Bildungsstreik Köln oder die Kölner Initiative Grundeinkommen. "Wir wollen eine Kundgebung und stellen dazu etwas mit Großpuppen dar", sagt Boris Loheide von der Kölner Attac-Ortsgruppe. Er glaubt, dass die Unzufriedenheit der Menschen auch hier groß genug ist - obwohl "der Deutsche was Massenbewegungen angeht, etwas phlegmatisch ist". Er sei gespannt, ob auch andere Leute den Sprung auf die Straße schaffen und nicht die "üblichen Verdächtigen, die man immer auf Demos in Köln trifft". Erster Treffpunkt der "Besetzer" ist der Chlodwigplatz in der Kölner Südstadt, der weitere Verlauf ist noch unklar. In Solidarität zu der spanischen Demokratiebewegung befindet sich dort schon seit Wochen ein Zeltcamp.

Gegen Spott wappnen

Anders als in Frankfurt, wo bereits einzelne Teams für "Erste Hilfe" oder "Mediation" eingeteilt werden, wird in Köln das Unabhängigkeitsprinzip hochgehalten. Unter den Seiten-Administratoren, die sich untereinander nur teilweise kennen, gab es nicht immer Einigkeit. Etwa, wenn es um die politischen Alternativen geht, wie es in einem Thread vom Mittwoch (12.10.2011) zu lesen ist. Am selben Tag war ebenfalls noch nicht klar, ob überhaupt jemand eine Demo angekündigt hatte. Um die 600 User hatten bis dato zumindest per Klick ihr Kommen für Samstag angekündigt.

Und die müssen weiter ermutigt werden. "Bitte lasst euch nicht weismachen, dass unsere Forderungen zu simpel und realitätsfern sind. Wir stehen weltweit vor immensen Herausforderungen", heißt es in einem Post vom Dienstag (11.10.2011). Nicht jeder nimmt das ernst. "Ihr Lifestyle-Demonstranten nervt! D steht glänzend da, keinem Industrieland geht es zurzeit so gut - aber Hauptsache auf dem Chlodwigplatz mal 'frustrierte Jugend' spielen können", postet Sebastian M. am Mittwoch (12.10.2011) auf die Pinnwand der Kölner Occupy-Aktivisten. "Wetten, dass ich kein einziges Gesicht aus dem Veedel sehen werde", empört er sich.

Es geht den Aktivisten um nicht weniger als ein Umkrempeln des Systems. Langfristig. Ob dieses Anliegen viele teilen, zeigt sich am Samstag. Ob gerade die Neu-Aktivisten unter ihnen darin Ausdauer haben, erst viel später.