Pater Christian Dieckmann gehört zu der jungen Fraktion der Siegburger Benediktiner. Er ist 35 Jahre alt, studierte in Bonn und Passau Theologie und kam 2002 auf den Michaelsberg. Als dort Abt Raphael 2010 zurücktrat, um den Weg für einen Neuanfang freizumachen, wurde er "Hausoberer" und Sprecher seiner Abtei. Er war es auch, der im November des vergangenen Jahres öffentlich das Aus des traditionsreichen Klosters verkünden musste.
WDR.de: Pater Christian, mit welchem Gefühl verlassen Sie den Michaelsberg?
Pater Christian: Da kommen viele Dinge zusammen - weder sitze ich heulend in der Ecke, noch mache ich Freudensprünge. Ich finde die Entscheidung richtig und alternativlos. Das hilft beim Akzeptieren und beim Weggehen.
WDR.de: Welcher Grund wog am Ende schwerer, die finanziellen Schwierigkeiten oder die zwischenmenschlichen Spannungen, die Spaltung der Gemeinschaft, von der man immer wieder hörte?
Pater Christian: Von Spaltung ist überhaupt keine Rede. Es sind drei Gründe: Die wirtschaftlichen Probleme haben das Ganze letztlich ins Rollen gebracht. Dazu kam die Problematik, dass wir nach dem Weggang von Abt Raphael personell nicht in der Lage waren, aus unseren eigenen Reihen ein neues Leitungsteam aufzustellen. Die Generation zwischen 40 und 60 Jahren wäre jetzt mit der Führungsaufgabe 'dran. Aber davon gibt es nur drei Mitglieder im Haus und die dürfen kirchenrechtlich nicht das Amt des Abtes übernehmen, weil sie keine Priester sind. Wir haben auch andere Klöster um personelle Unterstützung gebeten - ohne Erfolg. Und das Dritte ist, dass deutlich geworden ist, dass unsere Gemeinschaft - wir waren zwölf Mönche im Alter zwischen 25 und 90 Jahren - eine geistliche Erneuerung braucht.
WDR.de: Der Michaelsberg ist seit Jahrhunderten das Wahrzeichen Siegburgs. Was bedeutete die Abtei für den Benediktinerorden?
Pater Christian: Für den Benediktinerorden war die Abtei Siegburg eine Abtei unter vielen. Aber weil im Orden jede Abtei autonom ist, hat jede auch ihre eigene lokale Bedeutung. Es ist sicher nicht so, dass "Siegburg" die berühmteste Abtei schlechthin wäre. Da müsste man auch touristisch gesehen eher Maria Laach und Ettal nennen. Sobald man über die Grenzen des Rhein-Sieg-Kreises hinausging, wurde man eher für einen Mönch aus Maria Laach gehalten, weil das Kloster präsenter ist in den Köpfen. Aber für die Menschen im Rhein-Sieg-Kreis ist der Michaelsberg klar ein topografisches Merkmal und ein geistlicher Ort, ob sie nur heraufkommen und die Atmosphäre schnuppern, oder wirklich die Gottesdienste besuchen. Er hat eine große Bedeutung: Die Siegburger wissen, wenn sie den Michaelsberg von der Autobahn aus sehen, sind sie wieder zu Hause. Und sie wissen auch: Da oben ist eine Gemeinschaft, die für sie betet.
WDR.de: Sie sprechen von einem "geistlichen Ort" - Kardinal Joachim Meisners großer Wunsch ist es, dass der Michaelsberg ein geistliches Zentrum bleibt. Bis jetzt ist noch kein Nachfolger gefunden.
Pater Christian: Der Stand der Dinge ist, dass das Erzbistum sehr intensiv daran arbeitet, eine Nachfolgegemeinschaft zu finden. Ich bin zuversichtlich, dass es in absehbarer Zeit ein Ergebnis gibt. Für Besucher bleiben die Klosterkirche, das Edith-Stein-Exerzitienhaus und das Gelände weiter offen.
WDR.de: Am Sonntag gibt es das große Abschiedfest, was erwarten Sie davon?
Pater Christian: Das Wort "Abschiedsfest" benutze ich selber nicht. Für uns ist es unser letzter gemeinsamer Tag, den wir mit besonderen Gottesdiensten und einem Konzert sowie der Möglichkeit der Begegnung auf dem Klostergelände markieren wollen. "Abschied" kann man nicht wirklich feiern, sonst würde man sich ja freuen, dass man geht. Man kann einen Abschied "begehen".
WDR.de: Wo werden Sie danach hingehen? Und wohin werden Ihre Mitbrüder gehen?
Pater Christian: Mit dem 20. Juni ist jeder Mitbruder frei, seinen eigenen Weg zu gehen. Andere Benediktiner-Abteien sind das nächstliegende, und für einige Mittbrüder gibt es da auch schon Zusagen, aber es gehen zum Beispiel auch zwei ältere Mitbrüder in ein kirchliches Seniorenheim. Um ein Bild zu benutzen: Jeder ist zurzeit dabei, die Weichen für sich zu stellen, alle sitzen schon im Zug, aber es hat noch nicht jeder den Bahnhof erreicht.
Das Gespräch führt Marion Menne.