Ernst-Wilhelm Rahe, Pressesprecher des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes in NRW, ist vor allem verärgert über die Bundesregierung, als er das Urteil des Verfassungsgerichts zur Neuregelung der Hartz IV-Sätze kommentiert: "Schon seit gut vier Jahren fordern wir eine Erhöhung vor allem beim Kinderregelsatz. Es ist traurig, dass die Regierung erst einmal so ein Urteil abwartet, bevor sie handelt."
Für Rahe ist das Urteil selbst noch kein Grund zur Freude, denn zunächst müsse man sehen, wie die Regierung die Forderungen aus Karlsruhe umsetze. Wichtig sei vor allen Dingen das Thema "einmaliger Bedarf". Als Familienvater weiß Rahe, welche Zusatzkosten auf Eltern mit schulpflichtigen Kindern zukommen können. "Das fängt bei Fotokopien für den Unterricht an und hört bei der Klassenfahrt auf. Eine alleinerziehende Mutter, die Hartz IV bekommt, muss sich solche Kosten vom Essen absparen." Darum hält er den einmaligen Bedarf bei der Versorgung von Kindern für besonders wichtig. Denn damit kann die finanzielle Hilfe den Bedürfnissen des einzelnen Kindes angepasst werden.
"Ohrfeige für die Politik"
Für den Geschäftsführer des Kölner Arbeitslosenzentrums KALZ, Bernd Mombauer, war das Urteil in Bezug auf den Kinderregelsatz keine Überraschung. Gefreut hat ihn jedoch, dass auch die Sätze für Erwachsene neu berechnet werden müssen: "Das ist eine Ohrfeige für die Politik und zeigt, dass die Hartz-IV-Regelungen wirklich mit heißen Nadeln gestrickt wurden." Noch ist er aber skeptisch, ob das Urteil tatsächlich Verbesserungen bringt: "Ob die Sätze wirklich erhöht werden, ist nicht klar. Jetzt werden sie erstmal neu berechnet." Aus der Praxis weiß er, dass das Geld auch bei den Erwachsenen kaum reicht. "Allein die Stromrechnung können viele kaum bezahlen. Der Satz für Energiekosten ist völlig unrealistisch", so Mombauer. Auch die Tatsache, dass das Kindergeld als Einnahme gilt, die abgezogen wird, hält er für skandalös: "Sogar bei der Sozialhilfe wurde das früher nicht komplett angerechnet, sondern es gab einen Freibetrag."
Kommunen in NRW befürchten Erhöhung
Angst vor einer Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze haben indessen die Kommunen. Falls die Sätze erhöht werden, verlangen die Kommunen einen Ausgleich für ihre zusätzliche finanzielle Belastung. "Armut von Kindern zu verhindern, ist ein herausragendes gesellschaftliches Ziel, aber die Kosten können von den Kommunen nicht alleine geschultert werden", kommentierte der Landkreistag Nordrhein-Westfalen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. In dem anstehenden Gesetzgebungsverfahren müsse die Landesregierung sich dafür starkmachen, dass die notwendigen Leistungen bei den Kindern auch tatsächlich ankommen, forderte der Hauptgeschäftsführer des Landkreistages NRW, Martin Klein. Entlastungen, die den Kommunen nach der Einführung von Hartz IV versprochen wurden, seien hier nie angekommen. Tatsächlich seien sie im vergangenen Jahr in NRW sogar um 60 Millionen Euro zusätzlich belastet worden.