Der Skandal um dioxinbelastete Eier und Geflügelfleisch in NRW weitet sich möglicherweise aus. Nach Ansicht von NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) betrifft der Fall die ganze Bundesrepublik. "Wir müssen die Lieferströme klären. Man muss auch prüfen, inwiefern der Bund hier eine koordinierende Rolle übernehmen soll", sagte Remmel der "Neue Ruhr/Neue Rhein Zeitung" in Essen.
Am 23. Dezember 2010 hatte das niedersächsische Umweltministerium mitgeteilt, dass bei der Produktion von Tierfutter ein mit Dioxin belastetes Fett eingesetzt wurde. Das belastete Futter wurde auch an Höfe in NRW geliefert. Die Verunreinigungen seien auf einen Hersteller von Futterfetten aus Schleswig-Holstein zurückzuführen, sagte ein Sprecher des niedersächsischen Landwirtschaftsministeriums. Offenbar wurden in dem Betrieb über Wochen hinweg Fette zur Herstellung von Tierfutter mit technischen Fetten, die eigentlich zur Papierherstellung benutzt werden, vermischt. Noch ist unklar, ob dies aus Versehen oder vorsätzlich passierte - Industriefette sind billiger als Futtermittelfette.
Schleswig-Holsteins Regierungssprecher Knut Peters bestätigte, dass die betroffene Firma vor einigen Tagen von sich aus das Kieler Umweltministerium darüber informiert hatte, dass es zu der Vermengung von Fetten gekommen sei. Hinweise auf einen ursächlichen Zusammenhang mit den Dioxin-Belastungen von Eiern gebe es aber nicht.
Grenzwert deutlich überschritten
Nachdem zunächst im Kreis Soest belastete Eier und belastetes Geflügelfleisch gefunden wurden, sind auch im Kreis Steinfurt verseuchte Lebensmittel aufgetaucht. In zwei Proben seien deutlich erhöhte Dioxin-Belastungen durch das zuständige Untersuchungsamt nachgewiesen worden, teilte das NRW-Verbraucherschutzministerium mit.
Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamtes Münsterland-Emscher-Lippe stellte laut Ministerium in zwei von sechs Eier-Proben des Betriebs im Kreis Steinfurt Dioxin-Belastungen von mehr als 6 pg (Pikogramm) pro Gramm Fett fest. Der zulässige Grenzwert der Europäischen Union liegt bei 3 pg. Der betroffene Betrieb bleibt daher weiterhin gesperrt. Insgesamt waren am Freitag in NRW 14 landwirtschaftliche Betriebe vorsorglich gesperrt. In bis zu 25 Ställen sollen weitere Kontrollen stattfinden. Die betroffenen Betriebe liegen in den Kreisen Steinfurt, Minden, Warendorf und Gütersloh. Bei den Firmen handelt es sich um Legehennen- und Putenmastbetriebe sowie um fünf weitere landwirtschaftliche Betriebe. In Niedersachsen müssen rund 20 Legehennen-Betriebe kontrolliert werden.
Lieferlisten erwartet
Den verseuchten Futterfetten sind auch die Behörden in Sachsen-Anhalt auf der Spur. Dorthin sollen insgesamt 55 Tonnen geliefert worden sein, die mit 1.000 Tonnen Futtermitteln für Schweine und Geflügel vermischt wurden. Geklärt werden soll etwa, wo die Futtermittel lagerten und ob sie bereits verfüttert wurden. Von dem Produzenten der verseuchten Futterfette aus Schleswig-Holstein werden in Hannover nun Lieferlisten erwartet, die einen Aufschluss geben darüber, welche Futtermittelhersteller beliefert wurden.
Auch in NRW soll nun ermittelt werden, an welche Abnehmer Eier und Fleisch gegangen sind. In den Geschäften noch vorhandene Produkte sollen dann aus den Regalen genommen werden, sagte der Abteilungsleiter Verbraucherschutz im Düsseldorfer Verbraucherschutzministerium, Peter Knitsch. Es gelte nun, auch den Verbleib der Eier von den Betrieben ausfindig zu machen, die erst am Freitag (31.12.10) auf den Futtermittellisten aufgetaucht seien, sagte Knitsch WDR.de. In NRW seien derzeit fünf Legehennen- und drei Putenmast-Betriebe gesperrt. Bei den restlichen sechs Betrieben wisse man noch nicht genau, um was für Betriebe es sich handele. Man habe aus Niedersachsen zunächst nur eine Liste mit Namen und Orten bekommen.
Vor allem Legebetriebe betroffen
Betroffen sind von den kontaminierten Lieferungen in erster Linie Höfe, die sich auf die Erzeugung von Eiern spezialisiert haben. Wenn die Legehennen das verseuchte Futter fressen, findet sich das Dioxin anschließend in den von ihnen gelegten Eiern. Seit Bekanntwerden des Verdachtes wurden alle Eier aus den betroffenen Höfen festgehalten.
Möglicherweise betroffene Chargen von Eiern werden laut Knitsch sofort aus dem Handel genommen. Eine akute Gefahr ginge zwar nicht von den mit Dioxin belasteten Eiern aus. Dennoch sollte so wenig Dioxin wie möglich in den menschlichen Körper gelangen. Ob bereits belastete Eier verzehrt wurden, könne nicht ausgeschlossen werden. Beliefert wurden mit dem belasteten Futter auch mehrere Putenmastbetriebe. Die Tiere würden auf mögliche Spuren des Giftes untersucht. Alle belasteten Puten würden getötet und kämen nicht in den Handel, sagte Knitsch.