Mohamed Rhounan muss oft die Frage beantworten, warum er ausgerechnet Lehrer werden will. Der 20-Jährige hat ein sehr gutes Abitur gemacht und könnte doch alles studieren, etwa Medizin oder Jura. Aber der junge Mann hat sich an der Uni Wuppertal eingeschrieben und will Lehrer für Spanisch und Sozialwissenschaften werden. Der Grund: "Ich hatte verdammt viel Glück und möchte etwas davon zurückgeben."
"Notenmäßig miserabel"
Noch vor zehn Jahren sah es gar nicht danach aus, dass Mohamed eine akademische Laufbahn einschlagen würde. Er besuchte eine Grundschule in Ratingen. Zwar unterstützten ihn seine marokkanischen Eltern so sehr, wie es ihnen möglich war - trotzdem lief es "notenmäßig miserabel", wie Mohamed erzählt. Und so bekam er eine Empfehlung für die Hauptschule. "Ich habe dann geschworen, etwas aus mir zu machen", berichtet Mohamed. An der Hauptschule wurden die Noten besser. Nach dem zehnten Schuljahr wechselte er mit einem Stipendium auf ein Düsseldorfer Gymnasium. Auch sein Studium wird von einer Stiftung gefördert.
Viele Mitglieder des Netzwerks für Lehrer mit Zuwanderungsgeschichte haben in ihrer Schulzeit Ähnliches erlebt. Kinder mit ausländischen Pässen werden von den Lehrern oft in eine Schublade gepackt, ist ihre Erfahrung. Deswegen wollen die Mitglieder ihre Erfahrungen mit jungen Studenten wie Mohamed teilen. "Als ich studiert habe, musste ich viele Probleme alleine lösen", erinnert sich der stellvertretende Netzwerksprecher Luigi Giunta. Latinum, Bafög, Praktikumsplätze - das Netzwerk steht angehenden Lehrern zur Seite. Es veranstaltet zahlreiche Treffen und Projekte wie zum Beispiel den Schülercampus, bei dem sich Schüler mit Migrationshintergrund über das Lehramtsstudium informieren können.
"Wir sind Milieu-Experten"
Obwohl nach Informationen des Netzwerks bis zu 40 Prozent der Schüler in NRW einen Migrationshintergrund besitzen, stammt höchstens ein Prozent der Lehrer aus nicht-deutschen Familien. Das soll sich ändern: Lehrer mit türkischen oder italienischen Wurzeln sollen keine Ausnahme mehr sein. "Wir wollen den Schülern vorleben, dass es möglich ist, Lehrer zu werden", so Giunta.
Das Netzwerk hat in NRW knapp 400 Mitglieder, fast alle arbeiten ehrenamtlich. "Man ist nicht nur Lehrer für Migranten", sagt Berufsschullehrer Inan Arslan. Landeskoordinatorin Antonietta Zeoli, die einzige Hauptamtliche im Netzwerk, ergänzt: "Wir sind Milieu-Experten und bringen Kulturwissen und -sensibilität mit in die Schule." 30 Prozent der Mitglieder sind türkischstämmig, 15 Prozent italienischer Abstammung, 15 Prozent stammen aus griechischen, spanischen oder portugiesischen Familien und der Rest verteilt sich auf fast alle anderen Länder der Welt.
"Ein Lehrer für alle"
Beim ersten Elternabend wurde Inan Arslan neugierig beäugt. "Die Eltern wollten wissen, wer da ihre Kinder unterrichtet", erinnert sich der 34-Jährige. "Aber ich habe dann viel positiven Zuspruch von den Eltern bekommen." Auch wenn Mohamed als Studienanfänger noch weit entfert ist von seinem ersten Elternabend, hat er schon ein festes Ziel: "Ich will ein Lehrer für alle sein."