Kurt und Georg, beide 15 Jahre alt, gucken sich das Schaufenster an und finden die Figur gar nicht ungewöhnlich. "Ein Hip-Hopper eben", sagt Kurt. Die Hautfarbe finden sie nicht bemerkenswert. "Die Schwarzen sind halt die Coolen", sagt Georg schließlich. Das sei in Filmen so und in der Musik.
Die Verkäufer im Laden sehen der Figur teilweise erstaunlich ähnlich. Sie nennen das Ausstellungstück "Marokkanerpuppe". Näher kommentieren wollen sie das nicht. Sind Schaufensterpuppen mit Migrationshintergrund ein neuer Trend in der Modevermarktung? Da sollte man lieber die Hersteller fragen.
Exotische Anmutung ist schick
Josef Moch winkt ab: "Mit Multikulti hat das nicht so viel zu tun. Es geht eher um ein globales Shopping-Erlebnis." Moch betreibt im Kölner Süden eine Schaufensterfiguren-Fabrik, die einzige, die noch überwiegend in Deutschland produziert. Den Trend zu den fremdländischen Puppen bestätigt er. Allerdings heißen die Puppen in der Branche "Displayfiguren" und den Trend nennt Moch "Ethnic Inspiration". Besonders Läden für junge Mode könnten mit solchen Figuren Internationalität ausstrahlen, Weltstadtflair und einen Hauch von Exotik. Hier machten die Ethno-Figuren inzwischen die Hälfte des Verkaufs aus, in der Produktion insgesamt etwa 20 Prozent. Mochs Mitarbeiterin Gaby Szymkowiak bestätigt: "Der Trend ist erst im vergangenen Jahr so richtig ins Rollen gekommen." Inzwischen produziert die Fabrik Gesichter vom Typ fernöstlich, afrikanisch und lateinamerikanisch.
Erfolgstypen in Silikon
"Solche Schaufensterfiguren zeigen sehr wohl eine gesellschaftliche Veränderung an", meint Gudrun M. König, Professorin für "Kunst und materielle Kultur" an der Universität Dortmund. "Das hat etwa mit der Greencard -Diskussion begonnen: Migranten kommen in der öffentlichen Wahrnehmung auch als Erfolgstypen an, und so erscheinen sie dann auch in der Werbe- und Medienwelt."
Tatsächlich holt sich der Figurenhersteller Moch seine Vorlagen aus Lifestyle-Magazinen oder aus dem Fernsehen. Möglich machen das die moderne Formtechnik in Silikon und neue Farben: Die Figurendesigner könnten so inzwischen genau "zwischen einem Südchinesen und einem Philippino unterscheiden", sagt Moch. Und trotzdem sind es Kunstfiguren: "Das sind ja keine Afrikaner oder Asiaten, wie sie dort herumlaufen, sondern so anmutende Trendfiguren."
"Migranten, die toll drauf sind"
Für die Kulturwissenschaftlerin Gudrun M. König sind die Ethno-Figuren ein Beispiel dafür, wie die Straße die Mode bestimmt. "Die Mode orientiert sich längst nicht mehr nur an der Oberschicht. Sie nimmt den Stil von Trendgruppen aus Subkulturen auf und stylt sie dann für ganz andere Zielgruppen." König erinnert an die Punker-Mode oder an die Mode von Skatern. In ähnlicher Weise wird nun auch die Straßenkultur von Jugendlichen aus Einwandererfamilien stilbildend.
Trendsetter sind dabei bestimmte Stars aus der Migrantenszene: Musiker, Schauspieler, Moderatoren. Das seien für Jugendliche "Migranten, die toll drauf sind", sagt Josef Moch. So soll der Nordafrikaner im Kölner Schaufenster auch nicht in erster Linie junge Käufer mit Migrationshintergrund ansprechen, sondern deutsche Jugendliche, die ihn cool finden. "Bei uns schminken sich die Mädchen ja auch so, dass sie ein wenig mandeläugig aussehen", sagt Moch. "In Japan dagegen stehen oft ganz europäische Figuren im Schaufenster."