Dabei haben die Mitglieder des parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) noch nicht einmal richtig begonnen mit der Arbeit. Die schiere Fülle an zu sichtenden Unterlagen verdammt die Politiker für die nächsten Monate zu ausgiebigem Aktenstudium. 5.000 bis 10.000 Aktenordner, jeder gefüllt mit 300 bis 400 Blatt, schätzt der CDU-Abgeordnete Jens Petersen, gilt es zu bewältigen. Das sind zwischen 200 und 400 Regalmeter. Es wird dauern, bis die Ausschussmitglieder sich durch diesen Berg an Unterlagen gekämpft haben.
Doch worum geht es in all den Akten? Zunächst um vier Bauprojekte des landeseigenen Immobilienunternehmens BLB, bei denen es starke Anhaltspunkte dafür gibt, dass nicht alles sauber gelaufen ist.
Kostenexplosion beim Landesarchiv in Duisburg
Da ist zum einen der Bau des Landesarchivs in Duisburg. Ein Leuchtturmprojekt sollte es werden, ein architektonisch reizvoller Neubau im Binnenhafen. Die Kosten scheinen bei den Planungen zunächst keine Rolle gespielt haben, und bald explodierten sie auf bis zu 160 Millionen. Einer der Hauptgründe dafür war ein Gerangel um das Grundstück. Es sollte ursprünglich zwei Millionen Euro kosten, wurde dem Land aber von einem Immobilienentwickler vor der Nase weggeschnappt. Später bot jener Immobilienhändler dem Land das Grundstück für fast 30 Millionen an. Der BLB zahlte offenbar anstandslos.
Millionenverluste bei Bauprojekten in Köln
Undurchsichtige Grundstückskäufe, ein Investor, der dem Land Grundstücke wegschnappt und dann mit enormem Gewinn verkauft - das sind auch die Vorwürfe beim geplanten Neubau der Fachhochschule in Köln. Bei einem Erweiterungsbau des Polizeipräsidiums soll es ebenfalls zu Unregelmäßigkeiten gekommen sein. Der Landesrechnungshof moniert schwere Verstöße bei der Auftragsvergabe und der Vertragsgestaltung. Dem Land sei insgesamt ein Schaden von 55 Millionen Euro entstanden.
Verglichen damit hat der vierte Fall, der im PUA durchleuchtet wird, nur geringe Dimension. Es geht um den Kauf des Schlosses Kellenberg bei Jülich. Der BLB erwarb es für drei Millionen Euro von einer Adelsfamilie, obwohl die Immobilie seit Jahren ausgebrannt und faktisch kaum etwas wert war. Wenige Monate nach dem Kauf wurde der Wert der Immobilie auf null korrigiert und die drei Millionen abgeschrieben.
Keine Kontrollinstanz beim BLB
Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den früheren Geschäftsführer des BLB wegen des Anfangsverdachts der Untreue und der Korruption. Und auch im Untersuchungsausschuss wollen die Politiker aller fünf Landtagsfraktionen nun aufarbeiten, wie es zu all den Ungereimtheiten kommen konnte. "Der BLB muss auf links gezogen werden", sagt Petersen. Schon nach der ersten Sichtung der Akten gebe es "gruselige Erkenntnisse". So habe es beim BLB offenbar kein Vier-Augen-Prinzip und keine Kontrollinstanz gegeben. Manche Vorgänge seien ohne formale Verträge abgewickelt worden, viele Akten seien nicht auffindbar.
Um all das aufzuklären, wollen die PUA-Mitglieder bis in die Gründungsphase des BLB Ende der 90er Jahre zurückgehen. "Wir müssen erst einmal verstehen, welche Idee hinter der BLB-Gründung steckte", sagt Petersen. Wie funktioniert der Landesbetrieb überhaupt? Was war die Logik hinter der Gründung? Warum macht er jedes Jahr Verluste statt Gewinn? Warum gibt es keinen Aufsichtsrat, sondern nur einen Verwaltungsrat, der effektiv keine Kontrollfunktion wahrnehmen kann? Danach wollen die Abgeordneten die wirklich spannenden Fragen klären: Haben sich Personen auf Kosten der Steuerzahler bereichert? Liegt unsachgemäßes Verhalten vor? Und gab es politische Versäumnisse?
Namhafte Landespolitiker sollen als Zeugen geladen werden
Der PUA scheut nach den Worten des CDU-Mannes Petersen auch nicht davor zurück, namhafte Landespolitiker als Zeugen zu laden - zum Beispiel die ehemaligen Ministerpräsidenten Wolfgang Clement, Peer Steinbrück (beide SPD) und Jürgen Rüttgers (CDU). Mögliche Zeugen seien auch der frühere grüne Bauminister Michael Vesper, Ex-Finanzminister Helmut Linssen (CDU) und Ex-Innenminister Ingo Wolf (FDP).
Allerdings werde die Aufarbeitung Zeit brauchen. Unklar ist derzeit noch, mit welchem der vier Fälle die Abgeordneten anfangen wollen. SPD-Mann Markus Töns hatte bereits angekündigt, mit dem Landesarchiv zu beginnen - dem mit Abstand komplexesten Fall. Petersen warnt davor und meint: "Dann taucht der Ausschuss erst einmal ein halbes Jahr zum Aktenlesen ab." Klar ist, dass es Jahre dauern wird, bis der PUA abschließende Ergebnisse vorlegen kann.
Es könnten noch mehr Fälle untersucht werden
Und es könnte sogar noch komplizierter werden. Denn im Beschluss für den PUA existiert eine Öffnungsklausel. Danach dürfen die Abgeordneten auch Verdachtsfälle über die vier genannten hinaus behandeln. Und in der Tat gibt es da noch mehr Verdachtsfälle. Petersen nennt zwei Beispiele: Den umstrittenen Kauf des Vodafone-Hochhauses in Düsseldorf und die Klinikerweiterung in Essen. Gut möglich, dass die Abgeordneten noch viel mehr Akten werden lesen müssen.