Ab Montag (19.11.2012) wird der Prozess um die Schadensersatzklage des Insolvenzverwalters von Arcandor, Hans-Gerd Jauch, gegen Middelhoff vor dem Landgericht Essen fortgesetzt. "Das persönliche Erscheinen der Parteien ist nicht angeordnet", teilte das Gericht im Vorfeld mit. Middelhoff wird nach Angaben seiner Anwälte nicht anwesend sein. Zu erwarten ist ein zähes Ringen um Details, eine Befragung von etwa zwölf Zeugen, unter anderem Ex-Mitarbeitern der Arcandor-Rechtsabteilung.
Strittige Sonderzahlungen
Der Insolvenzverwalter fordert von den insgesamt acht Beklagten in diesem Verfahren Schadenersatz in Höhe von zusammen knapp 24 Millionen Euro. Der größte Batzen entfällt auf Middelhoff, der rund 16 Millionen Euro zahlen soll. Middelhoff sowie vier weitere beklagte frühere Arcandor-Vorstandsmitglieder hätten zwischen 2006 bis 2008 zu Unrecht Sonderboni erhalten. Middelhoff sollen zu Unrecht unter anderem die Kosten für Charterflugzeuge gezahlt worden sein. Auch Bewirtungsaufwendungen sind strittig.
"Die Beklagten gehen davon aus, dass die Auszahlungen der Beträge auf rechtswirksamen Beschlüssen beruhen und auch inhaltlich nicht zu beanstanden sind", teilte das Gericht mit. Die Sonderboni und Abfindungsbeiträge seien "nicht überhöht, sondern angemessen". Unter den Zeugen vor dem Landgericht sind mehrere Juristen, die nach der Angemessenheit befragt werden sollen. Auch ehemalige Aufsichtsratsmitglieder sollen in den Zeugenstand. Falls die drei angesetzten Termine bis Mittwoch (21.11.2012) nicht ausreichen, könnte sich die Befragung ins Jahr 2013 ziehen.
Folgen der Arcandor-Pleite von 2009
Vor dem Landgericht Essen steht damit die Fortsetzung der komplizierten Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Arcandor-Pleite von 2009 auf der Tagesordnung. Die Handels- und Touristik-Gruppe Arcandor war Mutterkonzern der ebenfalls insolventen Unternehmen Karstadt und Quelle.
Der Insolvenzverwalter verklagte den Ex-Arcandor-Chef nach der Firmenpleite wegen angeblicher Managementfehler und umstrittener Bonuszahlungen insgesamt sogar auf Schadenersatz in einer Höhe von 186 Millionen Euro. Ob der Insolvenzverwalter jemals Geld sehen wird, ist aber noch offen. Zwar sah das Essener Landgericht in einem ersten Urteil eine Pflichtverletzung des Managers beim Verkauf eines Karstadt-Warenhauses, ließ aber die Schadenshöhe offen. Und in mehreren anderen Punkten wies das Gericht die Klage ab. Der Streit dürfte die Gerichte noch Jahre beschäftigen. Das erste Essener Urteil steht im Juni 2013 noch vor dem Oberlandesgericht Hamm auf dem Prüfstand.
Middelhoff startete Gegenangriff
Middelhoff trägt nach eigener Einschätzung nicht die Schuld an der Pleite des Handelskonzerns und seiner Tochterunternehmen Karstadt und Quelle. "Ich hätte wirklich noch ein Jahr länger machen und unser Konzept umsetzen sollen", sagte der 59-Jährige im Sommer 2012 in einem Interview mit der Nachrichtenagentur dapd. Nach Middelhoffs Worten wäre Arcandor noch zu retten gewesen, als er den Konzern 2009 wenige Monate vor der Pleite verließ - wenn an seinen Plänen zum Konzernumbau festgehalten worden wäre.
Middelhoff hatte in dem Interview dem vorherigen Arcandor-Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg vorgeworfen, eine systematische Rufmordkampagne gegen ihn betrieben zu haben: "Aus diesem Grund werden meine Anwälte auch die lange vorbereitete Schadenersatzklage in Höhe von etwa 120 Millionen Euro gegen Herrn Görg und seine Sozietät einreichen." Der damals 71-jährige Görg hatte die Führung der Insolvenzverwaltung Ende 2011 an Hans-Gerd Jauch abgegeben. "Noch in diesem Jahr" werde die Gegen-Klage von Middelhoff eingereicht, sagte sein Anwalt Winfried Holtermüller zu WDR.de.
Vor Beginn der Zeugenvernehmungen sagte der Sprecher von Insolvenzverwalter Jauch, Thomas Schulz, man würde sich einem "wirtschaftlich vernünftigen Vergleich" nicht verschließen. Im Rechtsstreit mit seinem früheren Vermögensverwalter Josef Esch hatte sich Middelhoff im August 2012 außergerichtlich geeinigt. Ein ähnlicher Deal ist aber im Streit um die Sonderzahlungen wohl eher unwahrscheinlich.