29.03.07: Thomas Middelhoff, Vorstandsvorsitzender der wirtschaftlich angeschlagenen Karstadt-Quelle AG, gibt auf einer Bilanzpressekonferenz in Düsseldorf bekannt, dass der Essener Handelskonzern in Arcandor AG umbenannt wird. Gleichzeitig kündigt er an, dass die drei Unternehmensbereiche Warenhäuser (Karstadt), Versand (Quelle) und Touristik (Thomas Cook) künftig eigenständiger operieren sollen. Middelhoff hatte den Vorstandsvorsitz im Mai 2005 übernommen, als sich der Konzern in einer schwerwiegenden wirtschaftlichen Krise befand.
29.09.08: Es kriselt wieder: Die luxemburgische Privatbank Sal. Oppenheim, deren deutsche Niederlassung in Köln sitzt, steigt bei Arcandor ein. Sal. Oppenheim übernimmt zusätzlich von der bisherigen Großaktionärin, Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz, einen Anteil ihrer Aktien. Kurz zuvor hatte ein Kreditversicherer die Ausfallgarantien für die Warensendungen von Arcandor beschränkt. Grund dafür war die auf 1,5 Milliarden Euro angewachsene Verschuldung des Konzerns.
02.12.08: Arcandor gibt bekannt, dass der Vorstandsvorsitzende Thomas Middelhoff den Touristik- und Handelskonzern zum 1. März 2009 verlassen wird. Als sein Nachfolger wird Karl-Gerhard Eick, bislang Finanzvorstand der Deutschen Telekom, benannt. Laut Recherchen der WDR-Talkshow "Hart aber Fair" (Sendung vom 25. März 2009), erhält Middelhoff als Abfindung 2,3 Millionen Euro.
09.04.09: Der neue Vorstandsvorsitzende von Arcandor, Karl-Gerhard Eick, denkt öffentlich über die Inanspruchnahme von Staatshilfen nach. Tageszeitungen berichten, Eick habe sich mit Mitgliedern der Bundesregierung über Staatsgarantien im dreistelligen Millionenbereich unterhalten.
24.05.09: Der Ton wird dramatisch: In einem Interview mit einer großen Sonntagszeitung sagen Eick und Karstadt-Chef Stefan Herzberg, Arcandor sei nur noch mit Steuergeldern zu retten. Eick erneuert seine Forderung nach einer Staatsbürgschaft in Höhe von 650 Millionen Euro.
08.06.09: Die Bundesregierung lehnt den Antrag von Arcandor auf Hilfen aus dem sogenannten "Deutschlandfonds" ab. Der zuständige Ausschuss sieht zunächst die Eigentümer in der Pflicht: Der Beitrag der beiden Mehrheitseigner Sal. Oppenheim und Madeleine Schickedanz sei bislang ungenügend. Außerdem lägen für eine Unterstützung aus dem "Deutschlandfonds" nicht die erforderlichen Voraussetzungen vor: Der Hilfsfonds war Anfang 2009 aufgelegt worden, um Unternehmen zu helfen, die durch die Weltwirtschaftskrise seit August 2008 in Schieflage geraten waren. Die Krise bei Arcandor, so der Ausschuss, habe aber bereits vorher begonnen.
09.06.09: Arcandor beantragt beim Amtsgericht Essen Insolvenz. Der Handels- und Touristikkonzern setzt damit das größte Insolvenzverfahren in Gang, das es in der Bundesrepublik jemals gegeben hat. Als Insolvenzverwalter wird Horst Pipenbrock benannt: Der 54-jährige Anwalt, der mit der Sanierung des Anlagenbauers Babcock Borsig und des Briefdienstleisters Pin Group zu einem der prominentesten Insolvenzverwalter Deutschlands avancierte, sagt zu seiner Berufung als neuer Generalbevollmächtigter: "Ich sehe eine gute Chance, den Konzern erfolgreich zu sanieren."
16.07.09: Nach nur sechs Wochen gibt Insolvenzverwalter Horst Piepenbrock sein Mandat zurück. Er fühle sich von den Eigentümern, ganz besonders von der Privatbank Sal. Oppenheim, im Stich gelassen, gibt er als Grund an. Klaus Hubert Görg, der das Verfahren bislang mit Piepenbrock zusammen begleitet hat, führt die Geschäfte alleine weiter. Vorstandsvorsitzender Eick kündigt an, weiter nach Investoren zu suchen, für die Warenhaussparte habe beispielsweise die Metro bereits Interesse angemeldet. Eine komplette Übernahme des Konzerns hält Eick allerdings für ausgeschlossen.
01.09.09: Das Amtsgericht Essen eröffnet das Insolvenzverfahren für 21 Arcandor- Gesellschaften, darunter den Mutterkonzern Arcandor sowie die Touristik-Tochter Primondo, zu der auch Thomas Cook gehört und die Warenhauskette Karstadt. Am Nachmittag tritt Karl- Gerhard Eick von seinem Posten als Vorstandsvorsitzender zurück. Mit ihm verlassen fünf weitere Vorstandsmitglieder das Unternehmen.
20.10.09: Die Versandhandelsparte Quelle wird abgewickelt. Alle Bemühungen, einen Investor zu finden, seien gescheitert, erklärt Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg.
08.11.09: Für die Rettung möglichst vieler Karstadt-Filialen kündigen die Mitarbeiter des Unternehmens an, als Teil des Sanierungskonzepts innerhalb von drei Jahren auf 150 Millionen Euro verzichten zu wollen.
10.11.09: Bei der größten Gläubigerversammlung in der Geschichte der Bundesrepublik stimmen 99 Prozent der Karstadt-Gläubiger für einen Antrag von Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg, das Kaufhausgeschäft vorerst weiterlaufen zu lassen. Görg kündigt an, Karstadt so weit zu stabilisieren, dass Investoren mit ernsthaften Angeboten gefunden werden können. Gleichzeitig gibt er die Schließung von sechs Häusern der Warenhauskette bekannt, darunter auch die Filiale in der Dortmunder Innenstadt.
12.04.10: Auf einer erneuten Versammlung geben die Karstadt- Gläubiger grünes Licht für den Komplettverkauf der Warenhauskette. 25.000 Arbeitsplätze sollen so laut Klaus Hubert Görg erhalten bleiben. In NRW beschäftigt Karstadt noch 6.000 Mitarbeiter in 24 Häusern inklusive der Essener Hauptverwaltung.
23.04.10: Die deutsch-skandinavische Investmentgesellschaft Triton legt ein Angebot für Karstadt vor. Die Mitarbeiter misstrauen der Offerte, vor allem wegen der Rolle, die Triton beim Mindener Fertighausbauer Kampa gespielt hat: Das Unternehmen war 2006 von der Investmentgesellschaft übernommen worden und musste 2009 Insolvenz anmelden. Als Reaktion auf den Unmut wird die Abgabefrist für Kaufangebote um vier Wochen verlängert. Ursprünglich hätte der Vertrag Ende April unterschrieben sein müssen.
21.05.10: Kurz vor Ende der Bietfrist erscheinen zwei weitere Interessenten auf der Bildfläche: Der deutsch-amerikanische Investment-Manager Nicolas Berggruen gibt genauso wie das Vermieter-Konsortium Highstreet ein Angebot ab. Highstreet ist Eigentümer der meisten Karstadt-Immobilien. Hauptanteilseigner an Highstreet wiederum ist die US-Investment- Bank Goldman Sachs. Auch die Düsseldorfer Metro erneuert ihr Interesse an Karstadt.
08.06.10: Investor Nicolas Berggruen setzt sich im Bieter- Wettstreit durch und erhält den Zuschlag für die Karstadt-Kette mit 25.000 Mitarbeitern. Es folgen Verhandlungen mit den Eigentümern der Karstadt-Immobilien über Miet-Nachlässe, die von Beginn an zu Berggruens Sanierungsplan gehörten.
25.06.10: Berggruen einigt sich mit dem Eigentümer-Konsortium Highstreet, dem die meisten Karstadt-Immobilien gehören, auf neue Mietkonditionen. Allerdings muss Highstreet die Gläubiger der Anleihen, mit denen es einst den Kauf der Immobilien finanziert hatte, um Erlaubnis fragen. Da es sich dabei um ein schwer zu überblickendes Finanzierungsgeflecht handelt, dem unter anderem Tochtergesellschaften der Deutschen Bank und von Goldman Sachs angehören, steht eine endgültige Entscheidung bis heute aus.
13.07.10: Berggruen nimmt eine weitere Hürde im Übernahme- Poker: Mit der Essener Valovis-Bank, die für 53 Karstadt- Immobilien Kredite erteilt hat, einigt er sich auf neue, niedrigere Mietpreise. Eine endgültige Einigung mit Highstreet steht allerdings immer noch aus.
03.08.10: Während Berggruen mit seinen Mietpreisverhandlungen nicht voran kommt, bringt sich ein neuer Interessent in Stellung: Der Mailänder Warenhausbetreiber Maurizio Borletti legt Klaus Hubert Görg ein Angebot vor. Kündigungen und zusätzliche Gehaltskürzungen schließt er darin aus, auch die Mietpreise von Highstreet will er akzeptieren. Görg reagiert trotzdem skeptisch, zum einen, weil der Vertrag mit Berggruen so gut wie abgeschlossen ist, und zum anderen, weil Borletti selbst einen kleinen Anteil am Vermieter-Konsortium Highstreet hält.
10.08.10: Das Essener Amtsgericht vertagt die Entscheidung über die Annahme des Insolvenzplans für Karstadt, vor allem, weil keine Einigung mit Highstreet vorliegt. Als neuer Entscheidungstermin wird der 3. September festgelegt.
02.09.10: Der insolvente Warenhauskonzern Karstadt ist offenbar gerettet. Der Investor Berggruen erzielte eine Grundsatzeinigung mit den Vermietern der Warenhäuser über geringere Mieten. Allerdings liegen noch nicht alle erforderlichen Unterschriften vor.
03.09.10: Ein "irrsinnig glücklicher" Investor und 25.000 Beschäftigte können aufatmen: Das Essener Amtsgericht hat den Karstadt-Insolvenzplan angenommen. Es war die letzte Hürde für die Übernahme der Warenhauskette durch den deutschamerikanischen Investor Berggruen. Am 1. Oktober übernimmt er offiziell die Geschäfte.