So spielt es sich auf dem Bolzplatz Walporzheimerstraße

00:33 Min. Verfügbar bis 04.08.2026

Heimat zwischen zwei Toren: Der Bolzplatz in der Zechensiedlung

Duisburg | Heimatliebe

Stand: 04.08.2024, 09:55 Uhr

Der Bolzplatz in Duisburg-Beeckerwerth ist das Herzstück der Zechensiedlung. Hier hat schon Bundesligaspieler Lukas Daschner vom VfL Bochum seine Liebe zum Kicken entdeckt.

Von Laura Kasprowiak

Mbappé dribbelt geschickt an Messi vorbei, stolpert kurz, rappelt sich wieder auf und schießt - doch Gündoğan hält den Ball und streckt die Faust in die Luft.

Mbappé heißt eigentlich Maximilian und ist sechs Jahre alt. Er ist eines der 20 Kinder, die auf dem Bolzplatz dem Ball hinterherrennen. Viele tragen die Trikots ihrer Fußballhelden. "Hier ist eigentlich immer jemand. Wir Großen verabreden uns per WhatsApp und die Kleinen kommen dazu", erzählt Elias Leon Noschka. Der 14-Jährige ist hier auf dem Platz der Top-Stürmer, den die Kleineren ehrfürchtig anhimmeln.

Der Bolzplatz in Duisburg-Beeckerwerth ist einer von rund 300 Spiel- und Bolzplätze, die es laut Stadt in Duisburg gibt. Und keiner gleicht dem anderen. Es wird auf Asche, Beton, Kunststoff oder Kunstrasen gekickt, mal mit Zaun und Netz, mal ohne. Einheitliche Regeln für Feld- und Torgrößen gibt es nicht. Einheitliche Regeln für das Spiel auf dem Feld natürlich ebenfalls nicht. Nur einige ungeschriebene Gesetze.

Reingrätschen verboten  

Kurz vor dem Anstoß stellen sich alle Kinder vor dem Tor auf. Dann wird gewählt. "Immer Groß, Klein, Groß, Klein - wenn wir gegen die Kleinen spielen, dann machen wir nicht so ernst und passen auf die anderen auf", sagt ein Junge, der hier nach der Schule oft seine Nachmittage verbringt.

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Auch ohne Schiedsrichter spielen alle fair. Richtig reingrätschen ist verboten. Ehrensache. Wenn doch mal Tränen fließen, bildet sich direkt eine kleine Menschentraube. "Wenn ich gefoult werde, kümmern sich die Großen um uns. Das finde ich gut", sagt Maximilian in seinem Mbappé-Trikot.

Der Hühnerplatz

Der Bolzplatz liegt zwischen der Walporzheimerstraße und der Ahrstraße, eingebettet zwischen Häusern aus dunkelrotem Backstein. Eine denkmalgeschützte Siedlung, die an Duisburgs Berg- und Hüttenarbeiter-Geschichte erinnert. Es gibt keine Seitenlinie, wucherndes Gras deutet an, wo das Spielfeld ungefähr endet.

Bolzplätze gehören zu NRW wie Currywurst, Kiosk und Bergbau. Seit 2018 sind sie sogar Immaterielles Kulturgut von NRW. Den Antrag hatte damals das Fußballmuseum in Dortmund gestellt. Bolzen bedeutet dabei so etwas wie hart schießen. Die Ersten entstanden in den 60er- und 70er-Jahren, als Städte immer dichter bebaut wurden.

Ganz so alt ist der Platz in Duisburg nicht. Hier wird seit den 80er-Jahren Fußball gespielt. Bis heute hält sich hartnäckig der Name "Hühnerplatz". "Es gab hier eine Familie, die hielt Hühner. Die sind immer laut gackernd über den Platz gelaufen. Und deswegen heißt der so", sagt eine Anwohnerin, die hier schon ihre Kindheit verbracht hat, lachend.

Lukas Daschner vom VfL Bochum

Früher bolzen auf dem Hühnerplatz, heute Profi im Ruhrstadion: Lukas Daschner

Letzter Mann hält, Tip-Top beim Wählen und bei WM - alle spielen auf ein Tor - will jeder Deutschland oder Brasilien sein. Bodenständiger Fußball. Weit weg von Abseitsregel, komplizierter Handspiel-Auslegung oder Videobeweis. Zwischen leidenschaftlichem Ehrgeiz und locker Kicken ist alles dabei. "Ich liebe Fußball und möchte der allerbeste Stürmer sein und deswegen spiele ich hier immer", sagt der fünfjährige Micky. Er träumt von einer Karriere wie Bundesligaspieler Lukas Daschner. Der Profi des VfL Bochum hat hier auf dem Hühnerplatz das Fußballspielen gelernt. 

Plötzlich ein Wolkenbruch. Alle rennen jauchzend unter einen Baum. Nach zwei Minuten tröpfelt es nur noch. Das erste Kind rennt zurück auf den Platz und ruft: "Ich geh linker Flügel - lass uns wieder spielen!"

Über das Thema haben wir am 17.07.2024 auch im WDR-Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Duisburg, 19.30 Uhr.