Vom Nachttisch ins Museum: Ein Westfale und sein besonderes WM-Ticket
Stand: 09.06.2024, 10:11 Uhr
Willi Rees aus Gütersloh hat es live im Stadion miterlebt: Das Wunder von Bern 1954. Die Eintrittskarte von damals begleitete ihn seitdem durch das Leben - und bekommt jetzt eine besondere Ehrung.
Von Oliver Köhler
Willi Rees ist gerade 18 Jahre alt, als er und sein Bruder Max im WDR-Radio eine Nachricht hören, die sie auf eines der größten Abenteuer ihres Lebens schickt. Es ist der 2. Juli 1954. In zwei Tagen spielt Deutschland im WM-Finale gegen Titelaspirant Ungarn. Im Radio hört Rees: Es gibt noch Restkarten. Sofort rennt sein Bruder zum Telefon im Ort und ruft in Köln an. 70 Jahre später erinnert sich Willi Rees an den Auftakt zu ihrer Reise.
Wie Willi Rees auf das Spiel aufmerksam wurde
00:32 Min.. Verfügbar bis 09.06.2026.
Zum Endspiel in die Schweiz
Die WM 1954 - sie übt bis heute einen Zauber aus. Es ist die Zeit, in der die Entbehrungen nach dem Krieg dem Wirtschaftswunder weichen, die Zeit der Modernisierung und Motorisierung. Und es ist die erste Weltmeisterschaft, die live im Fernsehen übertragen wird. In Deutschland stehen und sitzen Millionen vor ihren Radiogeräten oder Schwarz-Weiß-Bildschirmen.
Rees wohnte damals noch bei seiner Mutter und seinen fünf Brüdern im münsterländischen Ochtrup. Einen Tag nach dem Anruf in Köln, am 3. Juli 1954, brechen er und sein Bruder auf. Sie fahren mit dem Zug über Münster nach Köln, um dort in einem Reisebüro die Karten abzuholen.
Ein Sonderzug bringt sie über Nacht nach Bern. Wobei der Sonderzug lediglich aus zwei Triebwagen besteht, in denen rund 150 Fußballfans eng gedrängt nebeneinander hocken. "Aber alle waren voller Vorfreude", sagt Willi Rees. Am Sonntag, dem 4. Juli 1954, dem Finaltag, erreichen sie den Bahnhof von Bern. Von dort aus geht es direkt zum Stadion.
Der Regen und das Wunder von Bern
An das Spiel selbst erinnert sich heute der 88-jährige Rees nicht mehr im Detail. An die Stimmung schon: "Großartig". Dann beginnt es zu regnen. Unaufhörlich prasselt der Regen auf die Zuschauer. Einen Schirm spannt trotzdem niemand auf, weiß Rees aber noch.
Warum niemand einen Schirm aufgespannt hat
00:25 Min.. Verfügbar bis 09.06.2026.
Genau dieser Regen ist es, auf den Sepp Herberger, damals Trainer der deutschen Mannschaft, gehofft hatte. Spielerisch ist die ungarische Mannschaft überlegen, bei den schwierigen Platzverhältnissen egalisiert sich dieser Vorteil jedoch. Am Ende gewinnt Deutschland das Spiel völlig überraschend mit 3:2 und wird zum ersten Mal Weltmeister. Das Spiel geht als das Wunder von Bern in die Geschichte ein.
Aus dem Nachttisch ins Deutsche Fußballmuseum
Neben seinen Erinnerungen bringt Rees nur seine Eintrittskarte aus der Schweiz mit zurück. Jahrzehntelang bewahrt er sie in seiner Brieftasche auf, später in seinem Nachttisch. Bis sein damals zwölfjähriger Sohn sie in den 1980er-Jahren heimlich einsteckt und in Gütersloh Fritz Walter auf einer Autogrammstunde vorlegt. Walter war 1954 Kapitän der deutschen Mannschaft. Mit Walters Unterschrift wandert die Karte wieder zurück in die Schublade. Dort blieb sie bis vor kurzem.
Im Januar 2024 trifft Rees Sohn Stefan zufällig auf DFB-Präsident Bernd Neuendorf und erzählt ihm von der Eintrittskarte seines Vaters und der Unterschrift von Fritz Walter. Dann geht es ganz schnell, wie Stefan Rees erzählt.
Stefan Rees: "Das wollte er mir erst gar nicht glauben."
00:25 Min.. Verfügbar bis 09.06.2026.
70 Jahre nach dem Wunder von Bern wandert die Eintrittskarte von Willi Rees aus dem dunklen Nachttisch auf die große Fußballbühne. Am 12. Juni wird sie als Dauerleihgabe an das Deutsche Fußballmuseum in Dortmund übergeben.
Über dieses Thema haben wir auch am 09.04.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit Südwestfalen, 19:30 Uhr.