Interview Sandra Hunke
Sandra Hunke: Handwerkerin und Model - Kein Widerspruch
Stand: 15.09.2023, 12:41 Von Alina Andraczek Glücksfunken
Von Alina Andraczek
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KommentierenAn einem Tag saniert Sandra Hunke als Anlagenmechanikerin ein Bad, am nächsten steht sie als Model vor der Kamera. Ihren Alltag zwischen zwei Welten teilt die 31-jährige aus Paderborn mit Tausenden Menschen im Internet. Damit will sie besonders jungen Mädchen ein Vorbild sein.
kugelzwei: Sandra, was ist anstrengender, Fashion Week oder Bad sanieren?
Sandra: Es kommt immer auf den Job an. Aber tatsächlich würde ich sagen, dass die Modelbranche härter ist als das Handwerk. Im Sommer shootest du die Wintermode und im Winter die Sommermode. Das ist ein seltsames Gefühl. Und körperlich anstrengend, weil du dabei immer freundlich sein musst, du musst funktionieren. Du kannst nicht einfach schlechte Laune haben. Das ist schon hart.
kugelzwei: Wie kam es, dass du als Anlagenmechanikerin und als Model arbeitest?
Sandra: Ich habe 2012 bei der Miss- und Mister-Handwerk Wahl mitgemacht, da hatte ich mein allererstes Fotoshooting. Und dabei habe ich schon gedacht: So vor der Kamera stehen, das ist ja eigentlich ganz nett und alle sind begeistert. Nach der Miss-Wahl hat mich eine Modelagentur in Köln entdeckt und zu einem Casting eingeladen. Da bin ich dann einfach mal hingefahren, wurde unter Vertrag genommen, und so nahm das alles seinen Lauf.
Über Sandra Hunke
Sandra Hunke ist 1992 in Paderborn geboren. Sie wurde 2012 zur "Miss Handwerk" gekürt und hat schon während ihrer Ausbildung zur Anlagenmechanikerin gemodelt. Ihren Alltag teilt sie auf Instagram und TikTok. Zum Beispiel, wie sie ihr Haus in Schlangen bei Paderborn renoviert oder mit ihrem Kinderbuch "Bella Baumädchen" auf Lesereise ist.
Ich habe meine Ausbildung zur Anlagenmechanikerin für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik gemacht. Und gleichzeitig wurden die Modeljobs immer mehr, bis ich irgendwann keine Urlaubstage mehr hatte. Da habe ich mir gesagt: ‚Ich kann ja auch beides machen, 50/50‘. Viele haben dann gesagt: ‚Nein, das geht nicht‘. Aber jetzt mache ich das schon seit sieben Jahren so, und es geht!
kugelzwei: Handwerkerin wolltest du schon in der Schule werden. Warum wolltest du auch die Modeljobs noch unterbringen?
Sandra: Ich ziehe beides durch, weil ich nach dem Prinzip lebe: Folge deinem Herzen. Mach das, worauf du selbst Bock hast. Es ist dein Leben, und du lebst nur einmal. Ich möchte nicht irgendwann im Alter auf dem Sofa sitzen und sagen: ‚Ach hätte ich mal…‘ Mir macht einfach beides so viel Spaß, warum soll ich da denn eine Sache aufgeben, wenn ich es irgendwie unter einen Hut bekommen kann.
Es ist mir auch wichtig, zu vermitteln: Du kannst einfach alles sein und alles schaffen, wenn du es wirklich willst. Dabei musst du manchmal die anderen Leute ausblenden, weil es dein Leben ist. Du lebst für dich selbst und nicht für andere.
kugelzwei: Du inspirierst Menschen auf Instagram und Tiktok. Auf beiden Plattformen unterhältst du Kanäle, auf denen dir viele Menschen folgen und wo du viel Content produzierst. Wie bringst du das im Alltag unter?
Sandra: Das funktioniert durch diese Halbtagsstelle im Handwerk. Und ich darf auch manchmal ein paar Stories machen während der Arbeitszeit. Die Baustellenvideos produziere ich tatsächlich meistens am Wochenende. Dadurch, dass mir das so viel Freude bereitet, kommt es mir nicht wie Arbeit vor. Ich kann coolen Content machen und erreiche mit diesem Content ja etwas Tolles.
Letztens hat mir eine SHK-Firma (Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik) geschrieben. Eine junge Frau war bei ihnen gelandet, hatte sich aber in der Firma vertan. Und da hat der Chef ihr meinen Account empfohlen. Letztendlich hat sie dadurch eine Ausbildung angefangen. Solche Nachrichten sind einfach unbezahlbar. Das ist ein großer Ansporn für mich, so hart dafür zu arbeiten.
kugelzwei: Was sagen deine Kolleg:innen und andere Handwerker:innen zu deinem Account?
Sandra: Meine Kollegen kennen ja meinen Account. Ich nehme auch oft Kollegen mit dazu, die wirklich Bock haben. Die finden das witzig, und die finden meinen Account auch cool. Vor allem gefällt vielen, dass ich so viel Werbung für das Handwerk damit mache. Meine Kolleg:innen spüren natürlich auch den Fachkräftemangel. Es muss viel gearbeitet werden und wenn einer mal krank ist, haben wir wirklich Not am Mann.
kugelzwei: Frauen sind im Handwerk noch immer unterrepräsentiert. Was braucht diese Berufswelt, um Frauen stärker anzusprechen?
Sandra: Was hilft, sind Frauen im Handwerk, die zeigen, dass eine Frau auf dem Bau arbeitet. Das macht nicht nur anderen Frauen Mut, sondern auch den Firmen. Wenn die Firmen viele Frauen auf Social Media sehen, die auf dem Bau arbeiten, und dass andere Firmen das auch hinbekommen, dann kriegen sie Druck von außen, und sehen gleichzeitig, dass es funktioniert.
Ich glaube, wir sind auf dem richtigen Weg, wenn wir Frauen zeigen, was wir auf der Baustelle machen, bis es irgendwann normal wird. Ich hoffe, dass wir irgendwann dahin kommen, dass Geschlecht gar nicht das Thema ist, sondern der Mensch dahinter.
Es ist ein langer Weg, aber irgendwann will ich in Interviews sitzen und gefragt werden: ‚Wieso bist du so eine großartige Anlagenmechanikerin?‘ Und nicht: ‚Wieso bist du eine Frau und Anlagenmechanikerin in einer Männerdomäne?‘ Da möchte ich hinkommen. Ich hoffe, das gelingt uns.
kugelzwei: Was hat dir geholfen, diesen Weg zu verfolgen? Dieser Mutmacher, der du jetzt für andere bist, was war er für dich?
Sandra: Natürlich habe auch ich Gegenwind und komische Blicke bekommen. 2012 habe ich ein Berufsvorbereitungsjahr gemacht, um herauszufinden, welches Gewerk das Beste für mich ist. Die Frau, die mich eingeteilt hat, wollte mich immer wieder in die Friseurbranche, die ‚Mädchenbranche‘, vermitteln. Meine Mutter hat sich mit ihr angelegt und sehr klar gesagt: Nein, meine Tochter möchte gerne auf dem Bau arbeiten.
Solche Momente hatte ich viele. Daran habe ich gemerkt, dass ich anderen Mut machen muss. Nicht jeder hat von der Familie so einen Rückhalt wie ich. Meine Eltern haben mich immer sehr unterstützt. Ich glaube, wenn du siehst, dass eine andere Frau ihr Ding durchzieht, ist das ein Mutmacher. Deswegen habe ich mit Social Media angefangen.
kugelzwei: Stichwort Mutmacher. Mit der Autorin Britta Sabbag hast du auch ein Kinderbuch veröffentlicht, ‚Bella Baumädchen‘ ist der Titel. Wie kam es dazu?
Sandra: Dazu kam es durch eine nicht so schöne Erfahrung. Einmal bin ich in den Supermarkt gegangen, total dreckig, nachdem ich den ganzen Tag gestemmt habe. Da hat mich ein kleines Kind mit großen Kulleraugen angeschaut. In dem Moment hat die Mutter zu dem Kind gesagt: ‚Solche Klamotten musst du dir niemals anziehen‘. Daran habe ich gemerkt, dass es gar nicht die Kinder sind, die was gegen das Handwerk haben, sondern die Eltern.
Wenn die Eltern sagen, das ist nichts für ein Mädchen, wird das Mädchen sich nie trauen, ins Handwerk zu schnuppern. Dann habe ich recherchiert und nie irgendwie eine weibliche handwerkliche Figur gefunden, die Mädchen anspricht. Mit ‚Bella Baumädchen‘ funktioniert das.
Ganz viele Mütter schreiben mir, dass ihre Töchter jetzt bauen wollen, rote Latzhosen tragen, so sein wollen wie Bella. Und genau das brauchten wir. Dass wir direkt die Kinder ansprechen und Berührungspunkte schaffen mit dem Handwerk.
kugelzwei: Im Frühjahr hast du auf Instagram verkündet, dass du schwanger bist. Du hast geschrieben, dass diese Nachricht dir auch Angst macht, weil du mitten in der Renovierung deines Hauses steckst und deine Arbeit liebst. Wie hast du diese Zweifel überwunden?
Sandra: Erst hatte ich Panik, ob ich das alles unter einen Hut bekomme, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Und habe dann schnell gemerkt: Ich kann nicht anderen Menschen ständig sagen, sie können alles sein und alles schaffen, und selbst weinend dasitzen und zweifeln.
Ich habe mich zusammengerissen und mir gesagt: ‚Sandra, das bist nicht du, natürlich schaffst du das.‘ Jetzt kann ich zeigen, dass man selbst als Mutti wirklich alles schaffen kann. Du kannst auch mit Kind ein Haus renovieren.
kugelzwei: Was sonst macht dir Mut in solchen Momenten?
Sandra: Ich habe mir selbst einen kleinen Zettel gemacht und den auch eingerahmt. Da habe ich meine Stärken aufgeschrieben. Was ich selbst an mir toll finde, was mich stark macht, was ich alles schon erreicht habe. Und wenn ich schlechte Tage habe, dann lese ich mir laut diesen Zettel vor. Und dann weiß ich: Ich kann stolz auf mich sein. Der blöde Tag geht vorbei, und morgen kommt ein neuer.
Sandra Hunke über eine gute Zukunft und inspirierende Ideen
Sandra: Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir uns gegenseitig unterstützen und unter die Arme greifen. Das kann funktionieren. Wir haben das zum Beispiel im Ahrtal gesehen: Wenn es Not gibt, dann können wir alle an einem Strang ziehen. Aber ich würde mir wünschen, dass es auch im Alltag so ist.
Sandra: Von Kind auf hat mich schon immer Pippi Langstrumpf inspiriert, bis heute. Weil sie eine Person ist, die einfach ihr Ding durchzieht. Von allen kriegt sie Gegenwind. Aber sie macht einfach, worauf sie Bock hat, und ist so liebenswert dabei. Sie hat einfach Spaß am Leben und inspiriert mich damit noch immer, obwohl ich jetzt schon 31 Jahre alt bin.
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