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8 Schulfächer, die sinnvoll sein könnten

Stand: 07.08.2023, 13:21 Von Isabel Krämer Gedankenspiele

Von Isabel Krämer

Häufig wird unser Bildungssystem mit dem Vorwurf konfrontiert, nicht ausreichend auf das "wirkliche" Leben vorzubereiten. Wie aber könnte ein Lehrplan aussehen, der uns mehr Alltagsfähigkeiten vermittelt? Und was wären das für Fähigkeiten, die uns mehr Orientierung im Leben geben? Wären diese sechs Fächer eine sinnvolle Ergänzung an allen Schulen?  

1. Finanzen

Wie lege ich mein Geld sinnvoll an? Brauche ich einen Bausparvertrag und wie mache ich meine Steuererklärung? Diese und weitere Fragen könnten im Unterrichtsfach Finanzen beantwortet werden. Wir wären dann besser auf das Leben nach der Schulzeit vorbereitet, das mit Verträgen, Versicherungen und Altersvorsorge-Themen auf uns wartet. 

Das Wissen über Finanzen scheint bei uns in Deutschland ausbaufähig zu sein, darauf deutet unter anderem eine Befragung der BaFin hin. Auffällig: Männer beantworten die dort gestellten Finanzfragen öfter richtig als Frauen. 

Wenn in einem extra Schulfach Grundlagen über Finanzen vermittelt würden, dann könnte das auch für mehr Chancengerechtigkeit sorgen, denn: unabhängig unseres Geschlechts, des sozialen Hintergrunds und unseres Bildungsabschlusses bekommen wir alle das erforderliche Wissen über Geld in der Schule vermittelt und würden so finanziell selbstbestimmter.  

In NRW wurde im Schuljahr 2020/2021 das Fach "Wirtschaft" an allen Schulformen neu eingeführt. Den Schüler:innen sollen sowohl alltagsnahe Themen, wie beispielsweise die eigene soziale Sicherung, nähergebracht als auch Kenntnisse über die soziale Marktwirtschaft und BWL vermittelt werden. Allerdings traf die Entscheidung auf viel Kritik, da dafür das Fach Sozialwissenschaften verschwand. 

kugelzwei: Eine Welt mit anderen Schulfächern Markt 21.04.2021 04:33 Min. UT Verfügbar bis 21.04.2026 WDR Von Cara Behrmann, Daniel Rosenkranz

2. Medienkunde

2022 haben in einer Befragung zum Umgang mit Medien 96 Prozent der befragten 12- bis 19-Jährigen angegeben, ein Smartphone zu besitzen. Ungefähr drei Viertel der Befragten haben ein eigenes Laptop oder einen Computer. Wo aber erhalten sie die Kompetenzen, die es für die Teilhabe an einer digitalen Gesellschaft braucht und die über technische Kenntnisse hinausgehen? 

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Die Herausforderungen werden schließlich immer größer: Die Verbreitung von Desinformation nimmt mehr Raum ein und Werbung ist nicht immer als solche erkennbar. Nachrichtenkompetenz ist also eine Schlüsselqualifikation, die in einem extra Fach wie Medienkunde vermittelt werden könnte.

In einem Pilotprojekt in Hessen wird testweise seit September 2022 an zwölf unterschiedlichen Schulen in zwei freiwilligen Unterrichtsstunden pro Woche das Fach "Digitale Welt" unterrichtet. Über den bekannten Informatikunterricht hinaus soll es auch um Datenschutz und Cyberkriminalität gehen. Das Projekt stößt auf viel positive Resonanz und soll zukünftig ausgeweitet werden. 

3. Glück

PQ-Formel oder Photosynthese – in der Schule lernen wir vor allem "Hard Skills". Wie wir mit Rückschlägen umgehen oder unseren Weg zum Glück finden, lernen wir für gewöhnlich aber nicht im Klassenzimmer.

Ginge das? Können wir Glück überhaupt lernen? Dr. Ernst Fritz-Schubert, ehemaliger Oberstudiendirektor, ist davon überzeugt und führte 2007 das Unterrichtsfach Glück an seiner Schule in Heidelberg ein. Es soll Kindern und Jugendlichen unter anderem dabei helfen, ihre Stärken zu entdecken, zu fördern und für sich zu nutzen – was zu einem stabilen Selbstwert und einer höheren Lebenszufriedenheit führe.

Weltweit gibt es einige weitere Projekte, die sich mit dem Thema beschäftigen. Erst 2022 startete ein Projekt an 16 Braunschweiger Grundschulen, die ebenfalls "Glück" auf ihren Stundenplan setzten. Darin lernten die Schüler:innen durch unterschiedliche Techniken, wie sie positive Emotionen stärken und mit negativen Emotionen besser umgehen können.  

4. Nachhaltigkeit / Klima

Die Klimakrise ist eins der wichtigsten Themen unserer Zeit. In Italien gibt es deshalb seit 2020 das verpflichtende Schulfach "Klimawandel und nachhaltige Entwicklung". Einmal pro Woche beschäftigen sich die Schüler:innen dort mit Umweltthemen. In den höheren Stufen geht es im Unterricht zum Beispiel um die UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und darum, wie wir die Ozeane vor der Verschmutzung bewahren.

Das Bild zeigt einen Schüler in der Natur. | Bildquelle: WDR

Aber ist ein eigenes Schulfach dafür der richtige Weg – oder sollten Themen wie Klima und Nachhaltigkeit lieber über Fächergrenzen hinweg gelehrt werden? Das fordert zum Beispiel die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes, Simone Fleischmann. Sie sagte 2019, Nachhaltigkeit sei eine Querschnittsaufgabe, die in verschiedenen Fächern sinnvoll aufgegriffen werden könne.

Wie könnte das im Detail aussehen? Vielleicht würden wir in Mathe lernen, unseren eigenen ökologischen Fußabdruck zu berechnen, in Physik würden wir das Stromspar-Potenzial von Kühlschränken vergleichen und in Geografie würden wir uns anschauen, wie sich verschiedene Regionen durch den Klimawandel verändern.

5. Mentale Gesundheit

Der Anteil der psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen steigt. Sie sind in der Altersgruppe der 10- bis 17-Jährigen mittlerweile die häufigste Ursache für eine stationäre Aufnahme im Krankenhaus. Sollten junge Menschen schon in der Schule lernen, warum psychische Gesundheit so wichtig ist und wo sie Hilfe und Unterstützung bekommen?

Das Zentrum für Prävention und Intervention im Kindes- und Jugendalter (ZPI) der Universität Bielefeld hat ein Unterrichtsprogramm entwickelt, das die mentale Gesundheitskompetenz von Schüler:innen fördern soll. In bis zu zwölf Unterrichtsstunden sollen sie etwa lernen, welche psychischen Erkrankungen es gibt.

Außerdem werden Strategien zum positiven Umgang mit Stress und Belastungssituationen vermittelt und psychische Erkrankungen sollen entstigmatisiert werden. Zielgruppe sind die 8.-10. Klassenstufe.

6. Kochen und Ernährung

Wir kommen nicht umhin – wir müssen essen und im besten Fall sollten wir auch wissen, wie Mahlzeiten zubereitet werden. Nicht immer ist es selbstverständlich, dass wir das zu Hause lernen. An einzelnen Schulen oder je nach Bundesland gibt es Koch- und Ernährungskunde, zum Beispiel im Rahmen von Hauswirtschaftslehre. Ein Standard-Schulfach ist es an vielen Schulen aber nicht.  

Was wäre, wenn es das Pflichtfach "Koch- und Ernährungskunde" in allen Schulen gäbe? | Bildquelle: kugelzwei

Wenn es das Schulfach Kochen überall gäbe, würden wir nicht nur schon früh lernen, wie eine ausgewogene und gesunde Ernährung aussieht, sondern wüssten vielleicht auch mehr über die einzelnen Lebensmittel, deren Inhaltsstoffe, Erzeugung oder Herkunft. Jungen und Mädchen würden außerdem gleichermaßen an das Thema herangeführt. 

7. Do it yourself / Werkunterricht

Schrauben, Nähen, Töpfern, Gärtnern: Das sind Fähigkeiten, die wir im Alltag – manche mehr, manche weniger – immer mal wieder gut gebrauchen könnten. Ähnlich wie bei der Koch- und Ernährungskunde gibt es Werkunterricht vereinzelt an Schulen mit alternativen Konzepten, längst aber nicht an allen. 

Vielleicht wären wir insgesamt auch eigenständiger, weil wir problemlos die neue Lampe anbringen, die Lieblingshose flicken und den Küchenschrank selbst reparieren könnten und würden dadurch weniger wegschmeißen.

8. "Lebenskunde" in allen Fächern? 

Neue Fächer zu etablieren ist nicht einfach. Zum einen brauchen wir eigens dafür ausgebildete Lehrkräfte, zum anderen müssten andere Fächer – wie im Beispiel des neuen Wirtschafts-Fachs in NRW – dann vielleicht wegfallen.  

Lehrer und Schulbuchautor Bob Blume schlägt daher vor, "Lebenskunde“ in bereits bestehende Fächer zu integrieren. Dadurch sollen Inhalte alltagsnaher werden. Blume schlägt vor: In Fremdsprachen könnte landestypisch gekocht, in der Mathematik vielleicht Steuern berechnet und in Wirtschaft etwa die Rente diskutiert werden. Dafür müssten die Lehrpläne aktualisiert werden und andere Themen wegfallen.

Mehr Informationen zum Thema:  

Finanzkompetenz von Erwachsenen im Jahr 2022 (Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht) 

Schulfach NRW  (Ministerium für Schule und Bildung des Landes Nordrhein-Westfalen) 

 JIM Studie 2022 (Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest) 

Digital News Report 2022 (Germany) (Reuters) 

Neues Schulfach “Digitale Welt” (Hessen.de) 

Schulfach Glück (Fritz-Schubert-Institut) 

Markt/kugelzwei Film: Eine Welt mit anderen Schulfächern (ardmediathek.de)

Videos und Dokus für die Schule: (ardmediathek.de/lernen)

Förderung der psychischen Gesundheitskompetenz an Schulen (uni-bielefeld.de)

Kommentare zum Thema

  • NelliN 04.09.2023, 15:24 Uhr

    Nette Vorschläge, die man umsetzen könnte ... hätte man genug Lehrkräfte. Vorschlag: Immer von Anfang bis Ende denken und nicht etwas fordern, wo es mit Sicherheit an der Umsetzung scheitern wird. Schön wäre, wenn die "Grundfächer" ordentlich unterrichtet werden könnten. Das wäre ja schon ein Zugewinn.

  • Holger Krahé 04.09.2023, 11:22 Uhr

    Sind die Schulen nicht bereits damit ausgelastet, die Kinder auf das Berufsleben bzw. das Studium vorzubereiten ? Es sollten meines Erachtens vielmehr wieder die Eltern in die Pflicht genommen werden. Eltern sind ja nicht nur Erziehungsberechtigte sondern auch Erziehungsverpflichtete. Schule kann nicht auch noch alles das, was zum täglichen Leben an Wissen benötigt wird vermitteln. Warum sollten Eltern ihr Wissen und ihre Erfahrungen was (Finanz-)Verträge, Kochen, Hauswirtschaft etc. angeht nicht selber an die Kinder weitergeben ? Es auf die Schulen abzuschieben ist natürlich viel bequemer.

    • Kati H 19.02.2024, 08:34 Uhr

      Weil nicht alle Eltern das im gleichen Maße können. Es wäre doch schön, wenn die Fähigkeit, sich im Leben zurechtzufinden, nicht vom Elternhaus abhängig wäre.

  • Rita Gehling 08.08.2023, 16:31 Uhr

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    • WGkoXjve 24.11.2023, 07:51 Uhr

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    • WGkoXjve'||' 24.11.2023, 07:53 Uhr

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    • WGkoXjve 24.11.2023, 07:54 Uhr

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