Wohnen
3 Wohnprojekte für Jung und Alt
Stand: 27.07.2023, 16:45 Von Pia Selbach Gamechanger
Von Pia Selbach
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KommentierenJunge und alte Menschen begegnen sich im Alltag kaum. Wie schaffen wir mehr gegenseitiges Verständnis für die Träume, Herausforderungen und Ängste der anderen Generation? Dafür wollen diese drei Wohnprojekte sorgen.
1. Günstig Wohnen für Hilfe im Haushalt
Steigende Mietpreise und viel zu wenig freie Wohnungen und WG-Zimmer: Die Suche nach einem neuen Zuhause ist vor allem für Studierende eine Herausforderung. Sie kostet nicht nur Zeit, sondern auch Geld und Nerven.
Viele Seniorinnen und Senioren hingegen müssen sich über ausreichend Wohnraum oft keine Sorgen machen. Dafür fehlt es vielen an Gesellschaft und Unterstützung zu Hause. Alltagsaufgaben werden mit zunehmendem Alter schwieriger. Das Projekt "Wohnen für Hilfe" setzt bei den Sorgen beider Generationen an.
Pro Quadratmeter Wohnraum eine Stunde Hilfe
Die Idee ist einfach: Studierende dürfen bei den Seniorinnen und Senioren zu Hause fast kostenfrei wohnen. Im Gegenzug helfen sie im Alltag und leisten Gesellschaft. Es gilt die Regel: Pro Quadratmeter Wohnraum helfen sie eine Stunde pro Monat im Haushalt oder verbringen Zeit mit den neuen Mitbewohner:innen.
Wie sie das machen, bleibt den Wohngemeinschaften selbst überlassen. Das kann zum Beispiel Gartenarbeit, Einkaufen oder eine gemeinsame Partie Schach sein. Je nachdem, was grade zu tun ist oder worauf beide Lust haben. Dafür zahlen die Studierenden nur die Nebenkosten.
Die Chemie muss stimmen
Die richtige Chemie zwischen den Mitbewohner:innen ist allerdings auch in einer Mehrgenerationen-WG wichtig. Deswegen sollten sie sich über mögliche Konfliktpunkte wie Sauberkeit und Ordnung einig sein.
Das Projekt beschränkt sich nicht nur auf ältere Menschen. Auch Familien, Alleinerziehende und Menschen mit Behinderung können mitmachen, wenn sie Unterstützung im Alltag benötigen und Wohnraum zur Verfügung stellen können. Pädagogikstudierende im gemeinsamen Haushalt mit Kindern — das könnte doch ein gutes Match sein. Dann gibt’s zur Wohnung noch erste Praxiserfahrungen als Bonus dazu.
2. Patchworkhaus Aachen – mehr als Nachbarschaft
Ein Garten mit Spielgeräten umringt von Häusern mit Holzfassade und bunten Haustüren: In der Schopenhauerstraße 19a teilen sich die 42 Bewohner:innen mehr als nur die Anschrift. Hier leben Jung und Alt, Paare, Singles und Familien in einem Alter von vier bis 82 Jahren zusammen.
Das Besondere: Sie sind nicht bloß Nachbar:innen, die sich ab und zu mal grüßen, sondern sie haben sich alle für das gemeinschaftliche Leben in einer Genossenschaft entschieden. Das heißt: Sie sind Miteigentümer:innen und Mieter:innen zugleich. Sie alle beteiligen sich an der Verwaltung und Entwicklung des Wohnprojektes.
Bewohner:innen teilen sich Räumlichkeiten und gemeinsame Zeit
Neben den eigenen Wohnungen gibt es zahlreiche Gemeinschaftsbereiche: einen Garten mit Fußballwiese für die Kids, einen Gemeinschaftsraum für das monatliche Sonntagsfrühstück, ein Gästeappartement für Besuch aus der Ferne. Und falls mal wieder der Fahrradreifen ausgetauscht werden muss, kann das in der hauseigenen Werkstatt erledigt werden.
Der Gang in den Keller kann hier schnell mal zwei Stunden dauern, weil man immer einen der Nachbar:innen trifft, erzählt Bewohner Rainer Glöckner. Wenn keiner zu Hause ist, so sei es für die Kinder ganz selbstverständlich, einfach an einer Nachbarstüre zu klingeln und dort etwas Zeit zu verbringen.
Zum Beispiel bei der 82-Jährigen Rita Reckmann. Die Hausälteste bezeichnet sich selbst als Wahl-Oma und genießt die Zeit, in der sie sich um die Kinder kümmern kann. Es sei zwar manchmal laut und chaotisch, aber dafür sei Leben in der Bude.
Gemeinschaft mit viel Engagement, aber ohne Erwartungen
In dem Patchworkhaus engagieren sich alle. Egal ob im Garten oder in der Verwaltung, jede:r hilft so gut er oder sie kann. Es ist eine Wohnform, für die sich die Bewohner:innen aktiv entschieden haben — gegen Eigentum und für ein gemeinschaftliches Miteinander. Dabei gebe es laut Rita Reckmann keine Erwartungshaltung den Jüngeren gegenüber, sie in zunehmendem Alter zu pflegen.
Was das Älterwerden im Patchworkhaus angeht, so haben sich die Seniorinnen und Senioren des Hauses zu einer Projektgruppe zusammengetan. Hier überlegen sie gemeinsam, wie sie sich im Alter unterstützen können. Ganz nach dem Motto "Wie erleichtern wir unser gemeinschaftliches Leben?"
3. Pflegeheim und Kita unter einem Dach
Wie wollen wir im Alter leben? Diese Frage beschäftigt uns früher oder später alle. In unserer Vorstellung haben wir vielleicht ein Bild im Kopf, wie wir mit den eigenen Kindern Tür an Tür wohnen und Zeit mit den Enkelkindern im Garten verbringen, während sich die Eltern eine Auszeit nehmen.
In der Realität sieht das aber häufig anders aus. Die eigene Familie wohnt zu weit weg oder der eigene Körper macht schlapp, sodass man im Alltag auf Hilfe angewiesen ist, die die Familie nicht mehr leisten kann. Häufig führt dieser Weg ins Pflegeheim — das klingt erst mal nicht besonders erstrebenswert. Aber was wäre, wenn das Pflegeheim mit der benachbarten Kita kooperiert?
Die Generationen bereichern sich gegenseitig
So macht es ein Wohnprojekt in Hamburg Finkenau. Ein bis zwei Mal pro Woche besuchen circa 20 Kinder die Seniorinnen und Senioren im Pflegeheim oder andersrum. Gemeinsam singen sie Lieder oder lassen sich eine Geschichte vorlesen. Sofern es die Gesundheit der Älteren zulässt, verbringen sie gemeinsam Zeit im Garten oder bereiten das Mittagessen in der Gemeinschaftsküche zu.
Laut Thomas Flotow, Pressesprecher des privaten Pflegeanbieters, sei allein die Sichtbarkeit füreinander, beispielsweise im Garten, besonders wichtig. Darüber hinaus bereichern sich beide Generationen gegenseitig. Manche Kinder finden in dem Vorlese-Opa eine Art Ersatz-Opa, weil die eigenen Großeltern vielleicht nicht mehr leben.
Für die Seniorinnen und Senioren sei es schön, die Kinder um sich herum zu haben, weil ihre eigenen Enkelkinder selten zu Besuch kommen oder zu weit entfernt wohnen. Die Erwartungshaltung solle nicht zu groß sein – wenn das Kind lieber im Sandkasten spiele, als mit den Seniorinnen und Senioren zu singen, sei das auch völlig in Ordnung. Langweilig wird es hier auf jeden Fall nicht.
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