Wasserrecycling
Ein nachhaltiger Umgang mit Wasser
Stand: 29.11.2023, 16:13 Von Manuel Lörcher Gamechanger
Von Manuel Lörcher
Wasser ist nicht erst durch den Klimawandel zu einer kostbaren Ressource geworden. Doch durch veränderte Niederschlagsmengen und Rekordtemperaturen wird die Sicherstellung der Wasserversorgung weltweit zu einer immer größer werdenden Herausforderung. Diese Ideen könnten dabei helfen.
Etwa 1,4 Milliarden Kubikmeter Wasser gibt es auf der Erde. Davon sind jedoch nur 2,5 Prozent Süßwasser. Zieht man davon noch die Anteile ab, die in Gletschern und Schnee gebunden sind, wird der für den Menschen nutzbare Teil noch geringer.
Das meiste Wasser gewinnen wir aus Flüssen, Seen und aus dem Grundwasser. Um so wichtiger, dieses nachhaltig zu nutzen.
Wasserversorgung bei verändertem Klima
Auch wenn die aktuelle Trinkwasserversorgung in weiten Teilen Deutschlands gesichert ist, die veränderten Niederschlagsmengen der vergangenen sechs bis sieben Jahre führte in einigen Regionen schon zum Ernstfall. Die Konsequenz: Der Trinkwassernotstand wurde ausgerufen. Appelle an Bürger:innen zum Wassersparen gibt es viele und im Netz finden sich viele Tipps zum Wassersparen, oder Tools zur Berechnung und Reduzierung des eigenen Wasserverbrauchs.
Ein Großteil des in Deutschland genutzten Wassers geht aber gar nicht direkt an Privathaushalte. Ein wesentlicher Teil des Wasserverbrauchs geht auf die Industrie zurück.
Aufbereitetes Wasser kann im Wasserkreislauf genutzt werden
Um den aktuellen Wasserverbrauch nicht noch weiter zu erhöhen, gibt es Bemühungen, das vorhandene Abwasser wiederzuverwenden und zu recyclen. Wasser soll nach einer Verwendung so weit aufbereitet werden, dass es für andere Prozesse verwendet werden kann. Ein Wasserkreislauf soll entstehen.
Die Vorstellung, dass das Wasser für die Landwirtschaft und die Industrie einfach immer so weiter sprudelt, sei ein "Auslaufmodell", meint Professor André Niemann, der das Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen leitet.
Wasserrecycling in Deutschland
In deutschen Kläranlagen wird unser Abwasser durch eine Reihe von Klärstufen geleitet. Mechanische Filtration, biologische Zersetzung von organischen Stoffen durch Mikroorganismen und abschließende Desinfektion, etwa durch die Bestrahlung von UV-Licht, reinigen das Wasser.
Schon jetzt wird in Deutschland viel Wasser "recycelt": Unsere Abwässer, die durch die Kanalisation Richtung örtliche Kläranlage fließen. Was dann herauskommt, ist zwar kein Trinkwasser. Es könnte aber für andere Prozesse wiederverwendet werden.
Wasserrecycling in der Landwirtschaft
Großes Potenzial sieht Niemann für Wasserrecycling in der Landwirtschaft. Das Thema sei aber heikel. Denn viele Landwirt:innen befürchteten, so Niemann, dass Verbraucher:innen die Methode nicht akzeptierten.
Obst und Gemüse, die mit aufbereitetem Abwasser bewässert wurden? Klingt erstmal nicht sehr verlockend. Was die meisten Verbraucher:innen aber vermutlich nicht wissen: Tatsächlich ist Wasserrecycling in der Landwirtschaft in Südeuropa schon seit Jahren übliche Praxis.
Wassermangel herrscht dort an vielen Orten schon länger, deshalb hat jedes Land seine eigenen Regelungen für Wasserrecycling in der Landwirtschaft. In Deutschland waren diese Überlegungen bis jetzt nicht nötig. "Wir hatten ja genug Wasser", sagt Niemann.
Das ändere sich jetzt aber. Einen Wendepunkt soll eine neue EU-Verordnung bringen, die im Sommer 2023 in Kraft getreten ist. Der "Water Reuse Act" setzt EU-weit Mindestanforderungen an aufbereitetes Wasser.
Ab sofort wird recyceltes Wasser in verschiedenen Güteklassen bewertet. Pflanzen, die roh verzehrt werden, dürfen nur mit der höchsten recycelten Wasserqualität bewässert werden. Für Energiepflanzen oder Pflanzen, aus denen Saatgut gewonnen wird, genügt eine geringere Güteklasse.
Wasserverbrauch in der Industrie — so lässt er sich senken
Wasserrecycling ist also eine Möglichkeit, den Wasserverbrauch in der Landwirtschaft zu verringern. Viel Wasser wird aber auch in der Industrie benötigt — nicht immer in Trinkwasserqualität.
Für viele Unternehmen, die Kühlwasser in Industrieanlagen benötigen, wäre auch recyceltes Brauchwasser ausreichend. Hier ließe sich ansetzen, schlägt Niemann vor. Doch wie soll dieses Wasser zu den Betrieben kommen? Unter Deutschlands Straßen gibt es meistens nur zwei Wasserrohrleitungen: Eines für Trinkwasser und eines für Abwasser. "Was es bräuchte, wäre ein Brauchwassernetzwerk." sagt Niemann.
Purple Pipes als Vorbild?
In San Francisco verlaufen die "purple pipes" durch einen Teil der Stadt, ein Rohrsystem für gereinigtes Abwasser. Genutzt wird es zur Bewässerung von Stadtparks und öffentlichen Toiletten, aber auch für Industrieanlagen und zur Kühlung von Gebäuden. Ähnliche Netzwerke gibt es auch in Sydney oder Texas.
Der Bau eines ähnlichen Netzes in deutschen Städten würde viel Zeit in Anspruch nehmen. Nützlich sei es auf jeden Fall, sagt Niemann. "Tesla in Brandenburg hätte sich über so ein Netzwerk gefreut."
Dem amerikanischen Autobauer wird von Kritiker:innen vorgeworfen, an seinem Standort in der Nähe von Berlin zu viel Trinkwasser zu verbrauchen. Bis es so weit wäre, können große Zisternen auf dem Gelände von Industrieanlagen für Wasserrecycling genutzt werden. In ihnen kann Regenwasser aufgefangen und für weitere Prozesse genutzt werden.
Singapur: Abwasser wird zu Trinkwasser
Dass aus Abwasser auch wieder Trinkwasser werden kann, zeigt Singapur. Der kleine Stadtstaat in Asien hat aufgrund seiner geringen Fläche ein Trinkwasserproblem. Früher wurde deshalb Trinkwasser aus dem Nachbarstaat Malaysia importiert. Diese Abhängigkeit wollte Singapur beenden und sich komplett selber mit Trinkwasser versorgen. Dafür wurden große Stauseen und Regenwasserreservoirs angelegt. Zusätzlich filtern große Filternetzwerke das kommunale Abwasser zu Trinkwasser.
Inzwischen deckt das recycelte Wasser bereits 30 Prozent des Trinkwasserbedarfs vor Ort. Viele Bürger:innen haben jedoch Bedenken, das gefilterte Wasser zu trinken, zu groß ist die Sorge vor Verunreinigungen. Aufklärungskampagnen und Führungen durch die Wasserwerke sollen diese Bedenken ausräumen.
Meerwasserentsalzung
Eine weitere potenzielle Trinkwasserquelle: gefiltertes Meerwasser. Durch die Anwendung von hohem Druck wird das Salz vom Wasser abgeschieden. Saudi-Arabien erzeugt täglich etwa sechseinhalb Millionen Kubikmeter Trinkwasser mithilfe dieser Entsalzungstechnik.
Aber: Dieser Prozess erfordert einen beträchtlichen Energieaufwand. Großteils werden die Filteranlagen durch Erdöl betrieben. Durch nachhaltigere Energiequellen und effizienteren Technologien ließen sich die Kosten und Umweltauswirkungen aber verringern.
Eine Möglichkeit wäre Sonnenenergie. In Dubai werden beispielsweise Filter mithilfe von Solarenergie betrieben, während in Sydney Trinkwasser durch Wellenkraftwerke gewonnen wird.
Trinkwasser aus der Luft? So geht es!
Jährlich verdunsten etwa 505.000 Kubikkilometer Wasser in der Atmosphäre. Neue Geräte und Techniken ermöglichen es, die Luftfeuchtigkeit zu sammeln und in Trinkwasser umzuwandeln. Ein tragbares Gerät aus Israel kann beispielsweise bis zu 20 Liter Trinkwasser pro Tag aus der Luft filtern. Ähnliche Filteranlagen finden bereits Anwendung auf Campingplätzen, im Militär und in der Katastrophenhilfe.
Noch einen Schritt weiter geht man in der Raumfahrt. Wasser ist schwer und der Transport teuer. Um die Astronaut:innen in der Internationalen Raumstation trotzdem zu versorgen, wird etwa 98 Prozent des Wassers von einem Umweltkontroll- und Lebenserhaltungssystem (Environmental Control and Life Support System) recycelt. Verbrauchswasser, Urin und selbst Schweiß und ausgeatmete Luftfeuchtigkeit können von dem Gerät in Trinkwasser aufbereitet werden, das laut NASA sogar sauberer sein soll als das hier auf der Erde.
Mehr Informationen zum Thema:
Wird das Wasser knapp? (quarks.de)
So viel Wasser gibt es auf der Erde (quarks.de)
Abwasseraufbereitung (planet-wissen.de)