Ein illustrierte Zeichnung, in der ein Mann im Anzug an einer Bushaltestelle sitzt.

Verkehr

Mobilität auf dem Land — So könnte es klappen

Stand: 15.09.2023, 12:00 Von Anja Wollschläger Gamechanger

Von Anja Wollschläger

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Alle fünf Minuten kommt die U-Bahn, alle 30 Minuten der Bus - das können sich 14 Millionen Menschen in Deutschland an ihrem Wohnort gerade nur wünschen.

Viele kleine und ländliche Gemeinden sind gar nicht oder kaum an den öffentlichen Nahverkehr angebunden. So kommt Busfahren für die Bewohner:innen trotz Deutschlandticket nicht infrage. Auf dem Land werden sie mit ehrenamtlichem Einsatz, Technik und guten Ideen trotzdem mobil.

Autofrei auf dem Land - dafür braucht es Ideen

Ohne Auto zu allen Terminen, zur Schule, zum Einkaufen und zu Events am Wochenende – auf dem Land würde das viel verändern. Die Abgase und der Lärm aus dem Verkehr würden die Menschen und das Klima weniger belasten. Wer kein Auto hat oder fahren darf, ist trotzdem mobil und kann teilhaben. Der Stau am Morgen wäre kürzer und wahrscheinlich gäbe es auch weniger Verkehrsunfälle.

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Busse und Züge lohnen sich vor allem dort, wo viele Menschen in die gleiche Richtung fahren. Aber genau das ist auf dem Dorf, wo wenige Menschen wohnen, ein Problem.

Würde an jeder Ecke alle zehn Minuten ein Bus anhalten, bliebe er meistens leer und die Verkehrsunternehmen auf den Kosten sitzen. Schon jetzt reichen Ticketpreise kaum aus, um Busse und Regionalzüge zu finanzieren. Wie kann es also trotzdem funktionieren?

Der Bürgerbus - deine Nachbar:innen als Busfahrer:innen

Wie es funktionieren kann, zeigt der Bürgerbus in Korschenbroich. Er fährt Orte wie Rubbelrath, Schloss Dyck und das Nikolauskloster an. Es sind die Bewohner:innen der kleinen Stadt am Niederrhein, die in ihrer Freizeit hinter dem Steuer der kleinen Bussen sitzen. Sie bekommen allerdings kein Geld für ihre Arbeit, ihr Engagement ist ehrenamtlich.

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Ohne Menschen, die freiwillig helfen, wären Busse hier zu teuer. In Korschenbroich gibt es so viele freiwillige Fahrer:innen, dass sie alle 90 Minuten eine Fahrt starten können. Die Bürgerbusse sind auf dem Land richtige öffentliche Verkehrsmittel, mit Ticket und Haltestelle. Und manchmal gehört auch ein nettes Gespräch dazu.

Der On-Demand-Bus: Er hält, wo du ihn brauchst

Du stehst vor der Sporthalle und willst nach Hause? In Neunkirchen-Seelscheid nimmst du dann einfach dein Handy raus, tippst deinen Fahrtwunsch in eine App und wenige Minuten später steht "Rhesi" vor dir und nimmt dich mit. Rayan Suleaiman ist einer der Fahrer des "On Demand"-Shuttles. Busse wie seiner fahren vor, wenn du sie rufst. Die meisten "On-Demand"- oder "Rufbusse" sind auf dem Land unterwegs.

Die Rhesi-App sagt Fahrer Rayan Suleaiman, wo er als nächstes hinfahren soll. Anders als in einem Taxi, nimmt er im Rhesi-Van auch mehrere Fahrgäste mit. Wenn jemand auf dem Weg zusteigen will, dann hält Rhesi an.

Andere Rufbussysteme fahren dich sogar direkt zum nächsten Linienbus oder zur Bahn — doppelte Fahrten werden so vermieden. Der Ecobus im Harz zum Beispiel. Er bringt dich zur nächsten passenden Haltestelle und sorgt so für volle Linienbusse.

Carsharing: Eine Lösung auch für kleine Orte

Carsharing-Angebote gibt zwar vor allem in Großstädten wie München, wo auch mehrere Privatunternehmen miteinander konkurrieren. Im Bergischen Overath gibt es ebenfalls ein Carsharing-Angebot, hier aber haben sich die Einwohner:innen zusammengetan und selbst eine Car Sharing Community gebildet. Als Genossenschaft bezahlen sie die Autos und kümmern sich um Ladesäulen. So sind sie unabhängig von Car Sharing Firmen.

"Teilen - das neue Haben" ist auch das Motto des "Dörpsmobil" in der nordfriesischen Gemeinde Klixbüll. Der Ort, in dem 974 Menschen wohnen, liegt in Schleswig-Holstein, nicht weit von der dänischen Grenze. Seit 2016 können sich Mitglieder des Dorfvereins ein Elektroauto ausleihen. Wer mit diesem E-Auto fährt, kann sich ziemlich sicher sein, dass der Strom für den Antrieb direkt aus den Klixbüller Windmühlen kommt.

Die Mitfahrbank: Das neue Trampen auf dem Land

Im ländlichen Raum sind ziemlich viele Autos unterwegs, meistens sitzt aber nur eine Person darin. Hier setzen die Mitfahrbänke an, das Prinzip: Setz dich drauf und werde mitgenommen. Sobald du einsteigst, bildet ihr im Auto eine Fahrgemeinschaft.

Mitfahrbänke gibt es schon in vielen Orten in ganz Deutschland, zum Beispiel in Etteln bei Paderborn. Dort hilft dir zusätzlich noch eine eigene Dorf-App beim Trampen. Du schreibst einfach in die App, wohin du mitgenommen werden willst. Alle App-Nutzer:innen mit Auto erfahren dann, dass du auf der Bank sitzt und wartest. Sobald jemand anhält, kann es losgehen.

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Der Radschnellweg: Eine Landstraße für Fahrräder

Es muss aber nicht immer das Auto oder die Bus sein. Zwischen Mülheim an der Ruhr und Essen kannst du auf dem Fahrrad richtig schnell vorankommen. Der RS1, der erste Radschnellweg in NRW, ist dort schon auf ein paar Kilometern fertiggestellt.

Irgendwann einmal soll der RS1 quer durchs Ruhrgebiet führen. Anders als auf normalen Fahrradwegen gibt’s hier keine Autos und du hast Vorfahrt — auch vor Fußgängerinnen und Fußgängern. So kannst du mit durchschnittlich zwanzig Stundenkilometern durchs Ruhrgebiet reisen.

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Im Kreis Steinfurt im Münsterland entsteht gerade auf alten Bahntrassen ein Radwegenetz. Zwischen Ochtrup, Metelen, Steinfurt, Rheine, Neuenkirchen und Wettringen können die Menschen dann viel schneller und sicherer Radfahren. Die Bahntrassen werden sowieso schon seit längerer Zeit nicht mehr genutzt. Aber das ändert sich gerade. Auf Teilen der alten Strecken fahren schon heute Fahrräder.

Noch mehr gute Gründe, die Verkehrswende anzugehen

Fahrradfahren ist schon jetzt meist schneller als Autofahren - jedenfalls, wenn deine Strecke kürzer als fünf Kilometer ist. Wenn du täglich zehn Kilometer radelst statt Auto fährst, sparst du dabei zwei Kilo Co2-Äquivalente und kannst dir auch eine kleine Extraportion Chips gönnen. Fahrradfahren ist also gleich aus mehreren Gründen eine gute Idee.

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4 Kommentare

  • 4 Gerald 04.12.2024, 13:13 Uhr

    Glückwunsch zu diesem Beitrag, voll mit Ideen aus dem letzten Jahrtausend. Alles brauchbare wurde bereits umgesetzt. Wann immer möglich fahren die Kollegen gemeinsam „auf Schicht“, das macht einfach Sinn. Die Landeier sind übrigens selbst drauf gekommen. Der Rest ist befreit von der Realität, einfach mal ausprobieren: fahrt mit einer Kiste Bier + Wocheneinkauf bei Raureif/Schnee mal 10 Kilometer auf’m Fahrrad: Mal sehen was/wer heile ankommt! Ernsthaft gefragt: Das sind eure Vorschläge, wirklich? Und nein, auf dem Land gibt es weder Staus noch Parkplatzprobleme - und mit dem Auto ist man auch immer schneller im nächsten Ort. Und beim Arbeitgeber wird sich freuen wenn ich Trampe, vielleicht komme ich, oder später und gar nicht. So funktioniert unsere Gesellschaft nicht.

    • kugelzwei 04.12.2024, 15:54 Uhr

      Ist doch eine coole Sache, dass ihr Fahrgemeinschaften unter Kollegen gründet. Das Ganze über Apps oder Ähnliches zu organisieren, kam uns nicht unbedingt wie eine Idee aus dem letzten Jahrtausend vor. Nicht jede Lösung muss passend sein oder realistisch - diese aber auszuprobieren ist doch ein wichtiger Bestandteil des Prozesses. Was denkst du denn könnte zu möglichen Verbesserungen der Mobilität auf dem Land führen?

    • Gerald 10.12.2024, 21:41 Uhr

      Ok, nur für die kugelzwei Truppe. Frage: Warum steigen die Leute primär in Autos? Richtig, um etwas zu erledigen (Arbeit) oder etwas zu besorgen (Einkauf). Na, kommt ihr drauf? Arbeit bedeutet heute Flexibilität in Ort und Zeit bei hohem Spezialisierungsgrad – in Folge klappt das mit Bus & Fahrgemeinschaft eben nur bedingt. Aber der Einkauf, da kann doch noch was dran machen, oder? Schade, die Kleinstbetriebe wie Bäcker, Metzger, Kneipe, Frittenbude, Friseur, Dorfladen und selbst die Ärzte sind alle weg, also schon wieder Auto. Und warum ist das so? Richtig, zu viele Vorschriften, Verordnungen und Dokumentationsvorschriften, da kommen nur noch „Große“ gegen an. Doch vor 30 Jahren habe ich all das zu Fuß erledigen können, und ich war sogar schneller. Vielleicht solltet ihr euch daran abarbeiten, also wie kommt der Dorfladen zurück – dann habt ihr weniger Verkehr.

    • Gerald 10.12.2024, 21:56 Uhr

      Noch eine andere Sache: Einfach weniger Schrott Online einkaufen sowie die Zustellung ändern. Diese UPS, DPD, DHL, Hermes und Amazon Prime Flotten, die uns täglich „beglücken“: ob Logistiker dieses Gewusel koordiniert bekommen können? Keiner braucht irgendwas aus dem Netz am nächsten Tag – 1x oder 2x die Woche reicht völlig. Einfach zentral am Dorfladen hinstellen, fertig. Diese Zusteller sind sowieso nicht direkt bei den Konzernen angestellt, werden jedoch pro Zustellung bezahlt (Scheinselbstständigkeit). Da müsste man mal in die Verträge schauen ob die Jungs auch für mehrere Konzerne gleichzeitig Pakete ausliefern könnten. Und nun noch eine ergänzende Idee: Intensiv Zalando Täter müssen bei jeder 10. Paketrücksendung jeweils ein Fass Bier für das nächste Dorffest spenden. Zwar hätten alle dann ein Alkoholproblem, aber was soll’s – wir torkeln ja zu Fuß nach Hause.

  • 3 Günter 17.04.2024, 17:45 Uhr

    Eine tolle Zusammenstellung von möglichen Verbesserungen. Es ist schade, dass der Radfahrschnellweg zwischen Mühlheim und Essen noch nicht fertig ist. Wenn man den Verkehrsfluss auf den Autobahnen im Ruhrgebiet betrachtet, besonders der A40, kann man sich solche Lösungen nur wünschen.

  • 2 Andrew Manner 17.04.2024, 09:08 Uhr

    Sehr guter Artikel, sollte in allen Amtsstuben der Republik ausgelegt werden, die immer noch das Auto als gegenwärtiges Verkehrsmittel sehen. Wie z.B. viel Kleinstädte (z.B. Meppen im EL),wo fast jeder Haushalt mindestens 2 Autos hat und in den Bussen mit einer Kapazität von 60 Plätzen im Schnitt weniger als 5 Personen (außer Schülertransfer) fahren Deshalb fahren dort auch sonntags gar keine Busse, da Nicht-Autofahrer belächelt werden... Wieviel wird in den Ausbau der Straßen investiert - wieviel in den Ausbau der Radwege und Schienennetze?

    • kugelzwei 17.04.2024, 16:21 Uhr

      Vielen Dank für das nette Lob! Interessant dabei ist eben auch die Wechselwirkung von der viele Gemeinden, besonders in Mobilitätsfragen stehen. Wenig Leute nutzen den ÖPNV, weshalb nicht in ihn investiert wird, weshalb ihn wieder wenige nutzen, usw. Ohne Projekte wie diese oder weitere Förderung wird es aber natürlich schwer diesen Stillstand zu beseitigen. Vielleicht sehen wir ja bald manche der hier vorgestellten Ideen weiter verbreitet.

  • 1 Michael 17.04.2024, 08:01 Uhr

    Klingt zwar ganz nett, aber in private Autos fremder Leute einsteigen? Selbst für Männer ist das gefährlich, der andere kann ja ein Messer oder sogar ne Knarre haben und einen ausrauben und am Dorf gibt's dann erst recht keine Zeugen. Und überzeugte Autofahrer kriegt man eh nicht von ihrem Liebling weg, weil der Bus angeblich langsamer ist. Selbst wenn der Bus 3x in der Stunde fährt. Man braucht zwar keine Parkplätze suchen, Parkscheine kaufen aber da achten die nicht drauf. Und für mehr Schnell- und X-Busse fehlen Geld und Fahrer. Dazu kommt noch: Autos, Motorräder usw streiken nicht. Im Gegensatz zu Busfahrern. Und wenn die von Opel ne Panne haben, zahlt man immerhin keinen Sprit für die nicht durchgeführte Fahrt. Streiken die Busfahrer, kriegt man nichts erstattet.