Das Bild zeigt die Grafik einer Bio-Mülltonne, die bis oben hin voll mit Lebensmitteln ist

Lebensmittelverschwendung

So könnten wir mehr Lebensmittel retten

Stand: 13.10.2023, 16:49 Von Caroline Weigel Gamechanger

Von Caroline Weigel

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Viele Lebensmittel werden nicht gegessen, sondern landen im Müll. Dabei müsste gar nicht so viel entsorgt werden. Mit diesen Ideen könnten wir alle aktiv werden.

In Deutschland landen jährlich etwa elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Weggeworfen wird entlang der gesamten Lieferkette: bei der Produktion auf dem Feld, der Verarbeitung, im Handel, der Gastronomie und nicht zuletzt in jedem Haushalt. Durch überflüssige Erzeugung und Transport vergeuden wir Ressourcen und belasten die Umwelt. Wir haben Ideen und Konzepte gesammelt, die unnötige Abfälle vermeiden sollen. Wie kommt abgelaufene Ware doch noch auf unsere Teller, was passiert zum Beispiel mit saurer Milch und was können wir alle tun, um weniger Müll zu produzieren?

Richtig lagern und Essen länger nutzen

Die Einkaufstüte war prall gefüllt, dann schafft man es doch nicht, alles rechtzeitig zu essen. Das dürfte den meisten schonmal passiert sein. Den größten Teil der Lebensmittelabfälle, nämlich 61 Prozent, verursachen wir alle in unseren privaten Haushalten. Das hat das Statistische Bundesamt für 2020 berechnet. Etwa 78 Kilogramm werfen wir durchschnittlich jedes Jahr weg. Ein Großteil davon sind vermeidbare Abfälle.

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Das fängt im eigenen Kühlschrank an: Gemüse, Milch oder Eier bleiben länger haltbar, wenn sie richtig gelagert werden: oben im Kühlschrank ist es wärmer, unten ist es kälter. Speisereste oder beispielsweise Marmeladen können oben gelagert werden, Milchprodukte in der Mitte, Fleischprodukte unten und Säfte, Senfgläser oder Butterdosen in der Kühlschranktür.

Die Gemüse- und Obstschublade ganz unten ist wieder wärmer, was für heimisches Obst und Gemüse perfekt ist. Äpfel sollten dabei isoliert gelagert werden. Sie strömen das Reifegas Ethylen aus, durch die anderes Obst und Gemüse schneller reifen. Zitrusfrüchte, aber auch Bananen, Tomaten oder Avocados gehören übrigens nicht in den Kühlschrank.

Neues aus alten Lebensmitteln

Viel, was sonst in der Tonne landen würde, lässt sich auch “Upcyclen”: Kartoffelschalen müssen nicht in den Müll, mit ein bisschen Öl werden sie im Ofen zu knusprigen Chips. Aus Karottengrün lässt sich ein leckeres Pesto zubereiten und aus anderen Gemüseresten ein Fond. Mit ein bisschen Kreativität bekommen sogar Zwiebelschalen noch ein zweites Leben und werden zu einem Würzpulver, das fast zu allem passt.

Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen?

Ist das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) von Lebensmitteln abgelaufen, sind sie nicht unbedingt verdorben. Es gibt lediglich an, bis zu welchem Zeitpunkt Hersteller garantieren, dass ungeöffnete Lebensmittel bei richtiger Lagerung ihre spezifischen Eigenschaften behalten. Wenn Produkte verdorben sind, kannst du das in der Regel selbst sehen, riechen oder schmecken.

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Smarte Aufkleber zeigen, wenn Lebensmittel abgelaufen sind

Bei verschlossenen Verpackungen könnten dabei besondere Aufkleber helfen. Indem sie die Farbe oder Struktur ändern, zeigen sie an, wenn Lebensmittel nicht mehr gut sind. Die intelligenten Aufkleber reagieren zum Beispiel auf chemische Verbindungen, die während des Lebensmittelverderbs entstehen. Ab einer bestimmten Menge der Stoffe verändert sich die Farbe des Indikators und macht auf den Verderb aufmerksam. An solchen Technologien wird aktuell geforscht. Sie sind aktuell aber noch mit hohen Kosten verbunden.

Obst und Gemüse mit Schönheitsfehlern kann noch gegessen werden

Krumme Gurken oder verwachsene Karotten finden wir im Supermarkt selten. Das liegt vor allem an den Ansprüchen des Lebensmitteleinzelhandels und uns Kund:innen. Obst und Gemüse, das in seiner Größe oder Form von der Norm abweicht, verkauft sich nämlich schlechter. Solche Erzeugnisse bleiben deshalb oft auf den Feldern zurück, werden zu Tiernahrung oder für die Energiegewinnung genutzt.

Vermarktungsnormen regeln, wie Obst und Gemüse aussehen muss

Sogenanntes „unansehnliches“ Obst und Gemüse soll laut Europäischer Kommission künftig einfacher verkauft werden. Wie Obst und Gemüse zu sein haben, regeln in der EU die sogenannten Vermarktungsnormen. Sie legen unter anderem fest, dass Lebensmittel praktisch frei von Schädlingen und Schäden sein müssen, dass sie Transportwege aushalten und zufriedenstellend am Bestimmungsort anzukommen haben. Als sogenanntes „hässliches Obst und Gemüse“ gelten Lebensmittel, die zwar äußerliche Mängel haben, aber dennoch frisch und für den unmittelbaren Verzehr geeignet sind.

"Krummes" Obst und Gemüse retten und verkochen

Verschiedene Anbieter wie Rübenretter, Etepetete und Afreshed wollen genau diese „nicht perfekten“ Nahrungsmittel auf unsere Teller bringen. Hier kannst du Kisten mit krummem Obst und Gemüse bestellen und bekommst sie CO2 kompensiert geliefert. Auch auf vielen Wochenmärkten, in Hofläden und Bioläden kannst du Krummes vom Feld vor dem Mülleimer retten.

Unternehmen wie Rettergut und Resteritter verarbeiten unverkäufliches Obst und Gemüse zu haltbaren Produkten weiter. Hier entsteht aus verwachsenen Rüben dann zum Beispiel Suppe, Aufstrich oder Pesto.

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Dass gerettete Lebensmittel genauso gut schmecken wie klassische Supermarktware, beweist auch das Restaurant „Benu Sloow“ in Luxemburg. Hier verwenden die Köch:innen fast ausschließlich Lebensmittel, die aus optischen oder logistischen Gründen nicht in den normalen Verkauf gelangen. Da nicht abzusehen ist, welche Lebensmittel jeden Tag gerettet werden, müssen Köch:innen improvisieren und das Menü wechselt täglich.

Essen aus der Tonne: Legales Containern

Ideen zur Rettung hin oder her: In deutschen Supermärkten und Discountern landen in einem Jahr knapp 290.000 Tonnen Lebensmittel im Müll, wie das Statistische Bundesamt angibt. Wer sich an den weggeworfenen Lebensmitteln bedient, macht sich strafbar. Auch, wenn immer mal wieder darüber diskutiert wird: Das sogenannte Containern gilt aktuell als Diebstahl.

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In Frankreich gibt’s einen anderen Ansatz gegen die Verschwendung: Seit dem 11. Februar 2016 müssen große französische Supermärkte nicht verkaufte Lebensmittel an gemeinnützige Organisationen spenden. Auch in Tschechien sind Supermärkte verpflichtet, unverkaufte Lebensmittel an Wohltätigkeitsorganisationen weiterzugeben.

In einigen Supermärkten in Osnabrück können sich Kund:innen ganz legal an einem Container bedienen: Hier steht die Goldene Tonne. Darin ist Ware, die im Einzelhandel nicht mehr verkauft werden kann. Hätte jeder Supermarkt solche Tonnen, gäbe es vielleicht gar keinen Grund mehr für illegales Containern.

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Zweite Chance für altes Brot

Auch die Lebensmittelreste, die niemand mehr essen möchte, können noch clever genutzt werden: Trockene Brötchen und altes Brot kann auf verschiedenste Weise weiterverwendet werden. Einige Brauereien brauen daraus sogar Bier. Das Start-up Heldenbrot kauft von Bäckereien aus ganz Baden-Württemberg übrig gebliebenes Brot und stellt daraus ein Brotgranulat her. Dieses wird mit weiteren Zutaten zu Brotlingen, Keksen, Flips, Nudeln und Semmelknödeln verarbeitet.

Kleidung aus Milch

Sogar für manches ungenießbare Lebensmittel gibt es noch eine Zukunft außerhalb der Tonne. Ein Unternehmen macht Kleidung aus saurer Milch. Für den Stoff wird Milch verwendet, die nicht (mehr) als Lebensmittel geeignet ist. Die Faser ist antibakteriell, schwer entflammbar, temperaturregulierend, lässt sich rückstandsfrei auflösen und riecht nicht.

Food-Upcycling: Verpackungen aus Molke?

Bei der Verarbeitung von Lebensmitteln fallen 15 Prozent aller Nahrungsmittelabfälle an. Auch hier gibt es Einsparungspotenzial. Bei der Käseherstellung beispielsweise bleibt die wässrige Molke übrig – ein Großteil davon wird aufwendig entsorgt. Einige Unternehmen machen aus dem vermeintlichen Abfallprodukt Nahrungsergänzungsmittel wie Proteinpulver. Auch an plastikfreiem Verpackungsmaterial mit Molke wird geforscht. Treber und Hefen, die beim Bierbrauen übrigbleiben, werden von einer Schweizer Brauerei zu Pizza, Chips und Müsli weiterverarbeitet.

Mehr zum Thema:

Lebensmittelabfälle in Deutschland (bmel.de)

EU-Vermarktungsnormen Obst und Gemüse (ble.de)

Lockerung EU-Vermarktungsnormen für Agrarlebensmittel (europa.eu)

Food-Upcycling (verbraucherzentrale.de)

Lebensmittelabfälle in privaten Haushalten 2020 (bmel.de)

Containern von Lebensmitteln (verbraucherzentrale.de)

Mindesthaltbarkeitsdatum (verbraucherzentrale.de)

10 Goldene Regeln gegen Lebensmittelverschwendung (zugutfuerdietonne.de)

Qualitätsanforderungen für Obst und Gemüse im Einzelhandel (verbraucherzentrale.de)

Spezielle Vermarktungsnorm Äpfel (ble.de)

Intelligente Verpackungen (verbraucherzentrale.de)

Intelligenter Aufkleber (mimicalab.com)

Lebensmitteleinzelhandel: Vom krummen Obst und Gemüse bis zum MHD (verbraucherzentrale.de)

Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung (bmel.de)

Kommentare zum Thema

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1 Kommentar

  • 1 Bernd Woltmann 02.05.2024, 08:22 Uhr

    Wichtiges Thema! Der internationale UN-Tag dazu ist der 29.9. Am letzten Samstag im April begeht das Slow Food Youth Network immer den World Disco Soup Day. Die Schnippeldisko in Deutschland war am 27.4.2034 in Mönchengladbach: https://rp-online.de/nrw/staedte/moenchengladbach/schnippeldisko-in-rheydt-gemeinsam-lebensmittel-retten_aid-109221257

    • kugelzwei 02.05.2024, 17:34 Uhr

      Vielen Dank für die Zusatz-infos! Der World Disco Soup Day klingt echt nach Spaß! 🪩