MONITOR vom 05.07.2018

Grenzen dicht in Bayern - Seehofers Pläne und die Wirklichkeit vor Ort

Bericht: Christina Zühlke, Ralph Hötte

Grenzen dicht in Bayern - Seehofers Pläne und die Wirklichkeit vor Ort Monitor 05.07.2018 06:29 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste

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Georg Restle: „Dramatische Bilder von Bord der „Lifeline“, dem Rettungsschiff einer deutschen Hilfsorganisation, das letzte Woche tagelang auf dem Mittelmeer umherirrte, weil kein europäischer Staat die Flüchtlinge zunächst aufnehmen wollte, nicht einmal dieses Schiff der Kriegsmarine. Mit der Seenotrettung durch Hilfsorganisationen soll jetzt endgültig Schluss sein, fordern Politiker in ganz Europa. Zeitgleich ertrinken so viele Flüchtlinge im Mittelmeer wie lange nicht mehr. Guten Abend und willkommen bei Monitor.

Zur Lage auf dem Mittelmeer später mehr. Zuerst aber nach Deutschland, wo wir heute das neueste Kapitel einer immer absurder werdenden Debatte über die deutsche und europäische Flüchtlingspolitik erlebt haben. Dabei stellt sich die Frage, was die ganze Diskussion überhaupt mit der Realität in diesem Land zu tun hat? Tatsache ist, lange nicht mehr war die Zahl der nach Deutschland kommenden Flüchtlinge so niedrig wie in diesem Jahr. Die Zahl der Asylanträge ist von über 700.000 im Jahr 2016 auf gerade mal 68.000 im ersten Halbjahr 2018 gesunken. Wen wollen wir da also gerade abweisen an der deutsch-österreichischen Grenze, und um wie viele Menschen geht es da überhaupt? Christina Zühlke und Ralph Hötte waren in Niederbayern und Österreich unterwegs, genau an den Orten, um die sich gerade alles dreht.“

„Wir müssen die Lage in Deutschland wieder in den Griff bekommen.“

„Die Aufgriffe der illegal Einreisenden ist nach wie vor hoch.“

„Hier müssen wir schauen, dass wir die Menschen in Deutschland schützen durch Grenzkontrollen.“

Hier soll er sein, der Brennpunkt, der rechtsfreie Raum. Die deutsch-österreichische Grenze bei Passau. Hier wohnt der Biologe Willy Zahlheimer im ehemaligen Zollhaus, das seit 20 Jahren nicht mehr gebraucht wird. Die Grenze hat er fest Blick.

Willy Zahlheimer: „Zum Thema Flüchtlinge erlebe ich heute hier eigentlich gar nichts mehr. Es fährt jedes Auto unbehelligt hier durch. Es steht auch keine Polizei da.“

Und die drei Österreicher, die wir treffen, wollen zum Supermarkt nach Deutschland, wie jede Woche.

Reporter: „Thema Flüchtlinge, wie ist das heute?“

Österreichische Passantin: „Ich sehe gar keinen. Ich habe überhaupt gar keinen gesehen jetzt in der letzter Zeit.“

Trotzdem, wenn es nach Markus Söder ginge, könnte hier bald wieder ein Schlagbaum stehen. In Passau kamen 2015 und 2016 über 300.000 Menschen nach Deutschland. Und heute? Um wie viele Menschen geht es eigentlich? Und wie viele kommen unerlaubt? Ca. 30 Kilometer von der Grenze entfernt wird kontrolliert. Auf dem ehemaligen Rastplatz Rottal-Ost. Reden dürfen die Bundespolizisten nicht mit uns. Auf dem Höhepunkt der Regierungskrise werden Interviews verboten. Schriftlich heißt es, vier Menschen würden hier im Schnitt jeden Tag aufgegriffen, die keine Papiere haben, um einzureisen. In ganz Bayern seien es täglich 32. Jeder Zweite von ihnen werde schon heute zurückgewiesen, Menschen, die nicht um Asyl bitten oder eine Einreisesperre für Deutschland haben. Menschen, die dann nach Österreich zurückgeschickt werden. Nach Schärding, nur etwa 20 Minuten mit dem Auto von Passau entfernt. Hier treffen wir den Bezirkspolizeikommandanten Matthias Osterkorn, der auf dieser Wiese vor drei Jahren sehr viel Zeit verbrachte.

Matthias Osterkorn, Österreichische Bezirkspolizei: „Das ist das Grundstück, wo das Transitquartier errichtet war. Also Ende 2015 haben wir so ca. … also an manchen Tagen so über 1.000 Flüchtlinge da im Zelt gehabt.“

Heute kümmern sich zwei Kollegen um die wenigen, die von der deutschen Grenze zurückgeschickt werden. Ein Zelt brauchen sie hier schon lange nicht mehr. Probleme mit Flüchtlingen? Keine.

Matthias Osterkorn, Polizei Österreich (?): „Bitte, wenn Sie mitkommen. Also das ist hier der Raum, wo die kurzfristig angehalten werden. Und wir sind so jeden Tag so im einstelligen Bereich, was Zurückweisungen anbelangt aus Deutschland.“

Jetzt ist gerade gar keiner da. Und ob es künftig mehr werden könnten, weiß seit heute keiner mehr. Aber selbst wenn Bayern mehr Flüchtlinge zurückschicken würde, dürfte der kleine Raum erst mal ausreichen. Also alles eine Scheindebatte? Nicht für die Bayerische Landesregierung. 20 Jahre nach ihrer Abschaffung wird jetzt die bayrische Grenzpolizei wiederbelebt, auch um Flüchtlinge aufzugreifen, die unberechtigt eingereist sind. Selbst, wenn die derzeit fast nirgendwo zu sehen seien, sagt sogar der Chef der neuen Grenzpolizisten.

Alois Manichl, Bayerische Grenzpolizei: „Es gibt zumindest keine akuten Probleme, so wie ich das sehe, allerdings gibt’s natürlich Bereiche, wenn man noch mehr tut, kann man auch mehr aufhellen und dementsprechend ist natürlich klar, dass auch hier massiv noch mehr bewegt werden kann.“

Aufhellen, was es nicht gibt? Oder gibt es da eine hohe Dunkelziffer? Hier in Passau wissen die Menschen jedenfalls nichts davon. Im Gegenteil, hier sind viele heute noch stolz darauf, wie groß die Hilfsbereitschaft damals war. Mittendrin im Geschehen war auch Georg Mandl mit seiner Bäckerei am Hauptbahnhof.

Georg Mandl, Bäckerei „Edelmühle“: „Da waren rechts alle Parkplätze voll mit Polizeiautos. Und links am Haus an der Rückseite vom Gebäude, zwischen Bahn und Gebäude, sind die Flüchtlingskolonnen da vorbeigezogen.“

Morgens und abends konnten die Helfer hier alles abholen, was übrig war. Und heute? Hat er je Flüchtlinge gesehen, die sich hier illegal aufhalten könnten?

Georg Mandl, Bäckerei „Edelmühle“: „Heute ist ja niemand mehr da. Heute sind sie alle ... Wir haben ja gehofft, dass wir dann unseren Mangel an Lehrlingen oder an Mitarbeitern dadurch verbessern können.“

Reporterin: „Woher kommt denn der Gedanke unserer Politiker, dass man uns schützen müsse?“

Georg Mandl: „Die Politiker uns …? Ich glaub, das kommt … Die Politiker müssen sich schützen, dass sie die Wahl gewinnen.“

Jürgen Dupper (SPD), Passauer Oberbürgermeister: „Im Vergleich zu 2015, im Vergleich auch zu den Jahren vor 2015, haben wir heutzutage hier in Passau eine völlig entspannte Situation. Deswegen verstehe ich ja manche, sehr hektische Meinungsäußerung zu dem Thema gar nicht.“

Sagt der Passauer Oberbürgermeister. Was hält er davon, wenn die Grenzen jetzt wieder schärfer kontrolliert werden sollen?

Jürgen Dupper (SPD), Passauer Oberbürgermeister: „Wir hatten ja in der Stadt einst fünf Grenzübergänge - mitten in der Stadt - zu Österreich. Und wenn man die mit allen Mitteln wiederbeleben möchte, mit all den Ausrüstungen, die man dort früher hatte, dann ist das nicht das, was die Passauer wollen, da bin ich mir ganz sicher.“

Grenzbewohner Willy Zahlheimer in seinem ehemaligen Zollhaus ist der letzte, der das will. Am Ende müsste er gar sein Häuschen am Schlagbaum wieder der Grenzpolizei überlassen. Aber er hofft, dass das nie eintreten wird.

Kommentare zum Thema

  • Anonym 01.08.2018, 09:59 Uhr

    seehofer ist dabei die gesellschaft zu spalten, seine politik ist auch die bayrische politik, es wird eine menschenverachtende asylpolitik betrieben, es ist auch in meinen eine sehr gefährliche politik die in unserem land betrieben wird, die belange von uns bürgern sind überhaupt nicht mehr gefragt, die neuen polizeigesetze zeigen mir immer wieder das deutschland langsam in ein totalitären staat abrutscht, und das ist für mich politisch so gewollt, und ich stelle mir immer wieder die frage, wie lange geht das gut, und diese frage sollten wir uns alle mal stellen. r.wolff

  • CB1984 11.07.2018, 22:32 Uhr

    Ablenken von den eigentlichen Problemen in Deutschland. Es ist immer einfacher gegen eine schutzlose Minderheit zu hetzen als reale Probleme anzusprechen umd anzugehen.

  • Auch Deutschland sollte ein Recht auf eigenen Grenzschutz haben. 10.07.2018, 12:09 Uhr

    Schade dass die CSU nicht bundesweit zu wählen ist.