Viel zu trocken, viel zu nass: Wie Landwirte auf den Klimawandel reagieren
Stand: 08.08.2024, 13:25 Uhr
Felder stehen wochenlang unter Wasser oder sind ganz ausgetrocknet. Wetterextreme treffen Landwirte in NRW immer häufiger, ein gutes Wassermanagement wird wichtiger. Was können Landwirte tun? Und welche Ideen probieren sie schon aus?
Von Stefan Weisemann und Josefine Upel
Thomas Ostendorf tritt in eine tiefe schlammige Pfütze auf seinem Acker in Ochtrup. Er schimpft laut, als sein Gummistiefel darin stecken bleibt. Ringsherum stehen seine Felder unter Wasser, überall haben sich kleine Seen gebildet. Die gesäte Wintergerste ist eingegangen. Feldarbeit ist auf diesem durchweichten Boden unmöglich. Ein Problem, das viele Landwirte in NRW Anfang 2024 hatten, nach wochenlangem Dauerregen.
Überschwemmte Felder in Ochtrup im Münsterland
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Eigentlich ist Landwirt Ostendorf auf viel Regen vorbereitet. Schon vor 20 Jahren hat er unter seinen Feldern ein Drainage-System verlegt. Durch die Rohre soll das überflüssige Wasser abfließen. Aber bei zu viel Wasser von oben gibt auch die beste Drainage auf. "Die kommt jetzt an ihre Grenzen", sagt Ostendorf.
Durch die Klimaerwärmung dürfte es in Zukunft immer öfter solche Wetterextreme geben. Mal wochenlangen Dauerregen, mal heftigen Starkregen, immer öfter aber auch lange Phasen ohne einen einzigen Tropfen Regen. Wie können sich Landwirte darauf vorbereiten? Und welche Ideen setzen sie schon um?
Experte: Bedecken statt Brache
"Das Thema Wasser und Wasserspeicherung wird in der Landwirtschaft immer wichtiger", sagt Konrad Egenolf, Bodenreferent der Landwirtschaftskammer NRW. Er beschreibt einen Trend, der sich schon länger abzeichnet: "Es gibt zwar nicht weniger Wasser, aber die Verteilung ist anders. Im Winter haben wir tendenziell mehr Niederschlag, im Sommer dafür eher weniger."
Die Anforderungen an die Böden der Landwirte sind damit klar: Im Winter müssen sie viel Regenwasser gut aufnehmen können und sollten das Wasser im Sommer nicht zu schnell wieder verlieren. "Bodenbedeckung ist da sehr wichtig", sagt Egenolf. Landwirte sollten zum Beispiel nach der Ernte das Stroh nicht unterpflügen. Stattdessen bleibt es als isolierende Schicht auf dem Acker liegen, damit er nicht so schnell austrocknet.
Dazu sollten Landwirte für einen guten und gesunden Humus auf ihren Feldern sorgen. "Dann ist der Boden mehr wie ein Schwamm, kann also viel Wasser aufnehmen. Gleichzeitig wird die Bodenstruktur maßgeblich verbessert. Das bedeutet in der Folge, dass das Wasser besser einsickern kann", sagt der Experte. Allerdings hat jeder Boden seine natürlichen Grenzen. Der sandige Boden im Münsterland kann von sich aus deutlich weniger Wasser speichern, als der Lössboden in der Kölner Bucht. Daran kann auch der eifrigste Landwirt nichts ändern.
Viele Landwirte in NRW haben schon erkannt, dass sie sich umstellen müssen. Sie passen ihre Abläufe noch stärker an das wechselnde Wetter an. Und immer mehr entwickeln sie auch eigene Ideen, wie sie mit zu viel oder zu wenig Wasser zurechtkommen können.
Kartoffelacker: Bewässerung direkt an der Wurzel
Kleine Staubwölkchen steigen in die Luft, als Landwirt Andreas Stiens aus Rheda-Wiedenbrück über seinen Kartoffelacker geht. Wegen der sandigen Böden und der Trockenheit der vergangenen Jahre hat sich der Landwirt etwas einfallen lassen: bei der Aussaat der Kartoffeln legt Stiens ein Bewässerungssystem mit Schläuchen in den Acker. Diese Drainagen bewässern das Feld durchgehend während der Wachstumsphase.
"Das ist ein Tröpfchenschlauch, der alle 30 Zentimeter ein Loch hat, wo Wasser herauskommt. Das ist genau so eingestellt, dass pro Loch 0,7 Liter in der Stunde rauskommen." So kann er genau berechnen, wie lange die Anlage laufen muss, damit die Kartoffeln genug Wasser bekommen. 30 Prozent Wasser spart er damit, sagt er. Denn das Wasser verdunstet weniger und Stiens kann die Kartoffeln punktuell versorgen. Der Schlauch verläuft über den Kartoffeln, so dass das Wasser an die Wurzel der Kartoffeln tropfen kann. "Unter der Kartoffel ist noch ein Düngerband, und das löst sich dann auch auf." Vor der Ernte werden die Schläuche dann rausgezogen und können zum größten Teil im nächsten Jahr wiederverwendet werden.
Wie das Bewässerungssystem in der Praxis funktioniert, welche Vor- und Nachteile es gibt und wie die Ernte der Frühkartoffeln dieses Jahr ausgefallen ist, zeigt Landwirt Stiens in einer Folge WDR Lokalzeit Land.Schafft.
Äpfel: Tröpfchen statt Kreise
Tröpfchen für Tröpfchen Wasser sparen. So macht es auch Obstbauer Roland Schmitz-Hübsch aus Bornheim. 100.000 Bäume hat er, vor allem Apfel-, Birnen- und Kirschbäume. Und die haben Durst. Ein Baum braucht pro Woche 15 bis 20 Liter Wasser. Das kam viele Jahre über ein Kreisbewässerungssystem. Düsen spritzen dabei das Wasser weit im Kreis über die Bäume. Alles andere als effektiv. "70 Prozent landet auf Gras, das bringt der Pflanze nichts", sagt Schmitz-Hübsch. Außerdem verdunstet noch ein Teil des Wassers oder wird vom Wind abgetragen. Der Obstbauer setzt deshalb inzwischen auf Tröpfchenbewässerung.
Das Wasser kommt bei dem Obstbauern in Bornheim aus zwei Brunnen. Aber zu einem guten Teil auch aus einem riesigen Rückhaltebecken, das er extra gebaut hat. In dem Becken sammelt der Landwirt den Regen von den Dächern auf dem Hof und des angrenzenden Gewerbegebiets. So hat er zuletzt auch trockene Jahre durchgestanden und fühlt sich auch für weitere Trockenperioden gewappnet. "Da blicke ich sehr positiv der Zukunft entgegen", sagt er.
Miscanthus: Schilf statt Überschwemmung
Ein Stück Asien im Ahrtal? Landwirt Gerd Möhren aus Bengen baut Kartoffeln und Mais an. Und seit zehn Jahren auch Miscanthus, besser bekannt als "Chinaschilf". Für Möhren ist das Schilf eine echte "Superpflanze", denn es kann extrem viel Wasser speichern.
Und das ist wichtig für Bengen. Der kleine Ort ist quasi umschlossen von steilen Hängen. Bei Starkregen fließen Wassermassen von dort herunter ins Tal. 2006 zum Beispiel stand der Ort unter Wasser. Ein paar Jahre später hatte Möhren die Idee mit dem "Chinaschilf".
Wächst ihm über den Kopf: Landwirt Gerd Möhren baut "Chinaschilf" an
Auf knapp einem Hektar hat der Landwirt dann Miscanthus angepflanzt. Das Schilf wächst rund fünf Zentimeter pro Tag, es kann mehrere Meter hoch werden. Noch wichtiger ist aber das, was man an der Oberfläche nicht sieht: die Wurzeln. Sie sind so dick wie ein Finger und können sehr viel Wasser aufnehmen. Die Plantage ist damit "ein natürlicher Staudamm", sagt Möhren. Das Wasser vom Hang fließt nicht weiter in den Ort hinab. Und auch die Felder sind geschützt.
Ralf Pude und sein Team von der Uni Bonn begleiten den Anbauversuch. Sie wollen genauer herausfinden, wie viel und vor allem wie tief der Miscanthus Wasser speichern kann. Auch für Pude ist "Chinaschilf" eine ganz besondere Pflanze. "Sie bindet 30 Tonnen CO2 pro Hektar im Jahr und wenn wir diese Biomasse hochwertig nutzen, dann haben wir das CO2 langfristig gebunden", sagt er.
Ein Gewinn also für den Ort, für das Klima, für die Wissenschaft - und auch für Möhren. Das Schilf kann der Landwirt nämlich auch noch gut verkaufen. Es ist ein beliebter Brennstoff, außerdem schützen Erdbeerbauern damit ihre Felder.
Weinreben: Quer statt längs
Gisbert Ley denkt quer. Genauer gesagt: Er pflanzt quer. Sein Weinberg oberhalb von Dernau im Ahrtal unterscheidet sich deutlich von den meisten anderen. Denn der Winzer hat seine Weinreben nicht längs angeordnet, in Richtung Tal. Sondern quer, also parallel zum Hang.
Zwischen den langen Reben-Reihen gibt es schmale, gerade Flächen. Der Hang fällt hier nicht so steil ab. Diese Terrassen sind dicht mit Gras bewachsen. Leys Weinberg wird so zu einem natürlichen Starkregen- und Hochwasserschutz.
Wie der besondere Weinberg bei Starkregen schützt
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Dazu kommt das dichte Gras auf den Terrassen. Das sorgt dafür, dass der Boden rund 20 Mal mehr Wasser aufnehmen kann als auf einem Weinberg, der nur mit Erde bedeckt ist. "Hier kommt der Regen auf den nackten Boden", sagt Ley, während er auf einem dieser herkömmlichen Weinberge steht, "das Wasser kann nicht so schnell einziehen, wie es auf die Fläche auftrifft". Es fließt so ungehindert ins Tal. Unter anderem diese ungehinderten Zuflüsse von den Hängen rundherum haben die Flutkatastrophe im Ahrtal 2021 noch verheerender gemacht.
Trotzdem setzen bisher nur wenige Weinbauern im Ahrtal auf die Querbepflanzung. Denn viele Flächen an den Hängen sind dafür schlichtweg zu klein. Größere zusammenhängende Flächen entstehen "nur in Verbindung mit Flurbereinigung", sagt der Weinbaupräsident an der Ahr, Hubert Pauly. Doch das braucht Zeit.
Felder: Würmer statt Pflugmaschine
Wenn andere Äcker brachliegen, dann wuchern hier sattgrüne Pflanzen. Auf dem Maisfeld von Jan Große-Kleimann ist immer was los. Der Landwirt aus Steinfurt im Münsterland setzt auf regenerative Landwirtschaft. Eines ihrer Grundprinzipien: Der Acker ist immer bepflanzt. Wenn nicht mit Mais, dann mit rund 30 verschiedenen Pflanzen als Zwischenfrucht.
Bohnen und Erbsen sind dabei, ebenso Rettich, Klee, Gräser und Sonnenblumen. Alle zusammen sorgen dafür, dass sich Würmer auf dem Acker so richtig wohlfühlen. Und weil sie sich so wohlfühlen, graben sie unzählige kleine Gänge in den Ackerboden. Genauso tun es die Pflanzen mit ihren Wurzeln.
Bodenverbesserer: Landwirt Jan Große-Kleimann mischt Pflanzenkohle in seine Gülle
Der Boden ist so von Natur aus deutlich lockerer, als auf einem Acker, der monatelang brach liegt und gepflügt wird. Durch die vielen Gänge der Würmer und Wurzeln kann er mehr Wasser aufnehmen. Auch, wenn bei Starkregen viel Wasser auf einmal kommt. Zusätzlich mischt Große-Kleimann noch Pflanzenkohle in seine Gülle. Die wirkt im Boden wie ein riesiger Schwamm, der noch mehr Wasser aufnehmen kann.
Wenn es länger trocken ist, kann der Boden das Wasser wieder an die Pflanzen abgeben. Ein großer Vorteil der regenerativen Landwirtschaft. Allerdings hat sie auch einige Nachteile. Für Landwirt Große-Kleimann ist sie jedenfalls eine Versicherung für die Zukunft. "Ich investiere viel Geld und Zeit in Sachen, die für die Stabilität des Bodens in den nächsten 15 bis 20 Jahren sorgen", sagt er. Damit auch seine Kinder und Enkelkinder noch gut von den Böden leben können. Trotz Klimawandel und wechselnden Wasserverhältnissen.