Landwirtschaft ohne Glyphosat: Wie könnte das gehen?
Stand: 19.04.2024, 14:42 Uhr
Tonnen an Glyphosat werden jährlich in der Landwirtschaft versprüht, denn es zerstört unerwünschte Gräser und Unkraut. Zum Schutz der Umwelt und der Gesundheit soll das Herbizid in Zukunft aber verboten werden. Was können Landwirte statt Glyphosat nutzen? Wir stellen vier mögliche Alternativen vor.
Von Jana Brauer
Es ist einfach anzuwenden und günstig: Glyphosat ist das meistverkaufte Herbizid. Es ist ein Totalherbizid. Das bedeutet, dass es jede Pflanze abtötet. Das Mittel wird seit Langem vor allem in der Landwirtschaft zur Unkrautbekämpfung eingesetzt. Doch es gibt viele, die das kritisieren, weil sie darin ein Gesundheitsrisiko sehen. Die WHO stufte Glyphosat 2015 als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Diese Einschätzung bezieht sich nicht allein auf den Wirkstoff Glyphosat, sondern auch auf Beistoffe, die einigen Unkrautvernichtern auf dem Markt hinzugefügt werden.
Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) bedrohe Glyphosat die Artenvielfalt. Außerdem kritisiert das BMEL: "Der übermäßige Einsatz von Pestiziden belastet die Umwelt und die menschliche Gesundheit. Dies gilt insbesondere, wenn Pestizide dorthin gelangen, wo man sie gar nicht haben will: im Wasser, im Boden, in Lebensmitteln." Eigentlich sollte Glyphosat ab 2024 verboten sein, Ende 2023 hat die EU dann aber beschlossen, den Gebrauch des Unkrautvernichters für weitere zehn Jahre zu verlängern. Trotzdem wird die Frage nach Alternativen für das Mittel immer wichtiger.
Mit Hochspannung gegen Unkraut
Können unerwünschte Pflanzen mit Strom abgetötet werden? Um der Antwort auf diese Frage ein Stück näherzukommen, macht Landwirt Martin Breuer aus Telgte seinen Acker zum Experimentierfeld. Ein Aachener Unternehmen hat ein strombasiertes System entwickelt, das die Leitbahnen der Pflanzen mittels Strom zerstören soll. Es ist ein neuartiges, chemieloses Verfahren. Wie das genau aussieht, zeigen wir bei WDR Lokalzeit Land.Schafft.
Landwirt Breuer betreibt regenerative Landwirtschaft auf gut 100 Hektar. Eine bodenschonende Bewirtschaftung ist ihm besonders wichtig. Er verzichtet aufs Pflügen und setzt auf eine dauerhafte Begrünung und Durchwurzelung seiner Felder. Um all die positiven Effekte für seine Böden zu erreichen, muss er bislang allerdings einmal im Jahr niedrig dosiert Glyphosat einsetzen. So wie jetzt im April, wenn die Vorfrüchte vor der Maisaussaat zum Absterben gebracht werden sollen.
Bei dem Verfahren geht es mit einem 260.000 Euro teurer Technik auf den Acker. Das Gerät ist an einem Traktor installiert. Dem Aachener Unternehmen zufolge funktioniert der Vorgang folgendermaßen: Vorne verspritzt der Traktor eine Flüssigkeit, die den elektrischen Widerstand der Pflanzen senken und die Energie so effizienter in die Pflanzen leiten soll. Hinten am Fahrzeug befindet sich ein großer Kasten, in dem der Strom erzeugt wird. Applikatoren an einem weiteren Anhänger übertragen die Energie dann auf die Pflanzen. Bis zu 5.500 Volt treffen auf die Blätter. Der Strom soll teilweise direkt in die Leitbahnen der Pflanzen bis in die Wurzeln gelangen und die Zellwände zerstören. Die Wasserversorgung innerhalb der Pflanzen werde unterbrochen, sodass die Pflanzen austrocknen und absterben.
Auf dem Acker vom Telgter Landwirt Breuer hat der Strom die Pflanzen größtenteils abgetötet. "Die Elektromethode zeigt auf jeden Fall eine Wirkung. Aber keine hundertprozentige. Zumindest in diesem Fall", sagt Landwirt Breuer. Eine mögliche Erklärung: Normalerweise stimmen die Aachener Elektro-Experten das Zwischenfrucht-Saatgut genau mit ihren Kunden ab. Das ging bei Martin Breuer nicht, sein Feld stand bereits. Außerdem befinden sich darin auch Gräser, bei denen die Strommethode bislang offenbar noch nicht so gut wirkt.
Landwirt Martin Breuer nennt aber noch einen weiteren Punkt, in dem seiner Ansicht nach die Strommethode schlechter abschneidet als die chemische Variante: beim Spritverbrauch. Da der Traktor über die Zapfwelle den Strom-Generator antreibt, ist der Dieselverbrauch enorm, 30 bis 40 Liter in der Stunde. "Mein Traktor mit Feldspritze braucht gerade mal fünf Liter pro Stunde", sagt Breuer.
Stellt sich noch die Frage: Was richtet der Strom im Bodenleben an? Die Entwickler aus Aachen verweisen auf Untersuchungen verschiedener wissenschaftlicher Institute, die bei anderen Feldversuchen stattgefunden hätten. Laut ihnen gebe es keine größeren Unterschiede, betrachtet man etwa die Zahl der Regenwürmer vor und nach der Stromanwendung.
Lasertechnik als Zukunftsmodell?
Unkrautbekämpfung mithilfe von Lasertechnik - auch an dieser Möglichkeit wird gearbeitet. In einem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt wird beispielsweise ein Verfahren entwickelt, in dem Unkraut mit Laser und Hacke bekämpft werden soll. An dem Projekt sind mehrere Unternehmen sowie das gemeinnützige Institut Laser Zentrum Hannover e.V. und der Dachverband der Zuckerrübenbauer e.V. beteiligt. Das Verbundprojekt konzentriert sich speziell auf den Anbau von Zuckerrüben. Dieser spielt eine wichtige Rolle in Deutschland. "Zuckerrüben haben es schwer, sich gegen Unkräuter auf dem Feld durchzusetzen", heißt es vom Laser Zentrum Hannover. Deshalb ist eine effiziente Unkrautbekämpfung hier besonders wichtig.
Die Beteiligten an dem Forschungsprojekt wollen Folgendes erproben: Mithilfe von Bilderkennung und Datenerfassung sollen auf dem Acker Unkraut und Zuckerrübenpflanzen voneinander unterschieden und lokalisiert werden. Dann kommen Hackwerkzeuge und Laser zum Einsatz: Der Laser verödet gezielt bereits sichtbares Unkraut, während die Hackwerkzeuge den Acker vom restlichen, eventuell tieferliegenden Unkraut befreien. Dem Laser Zentrum Hannover zufolge sei das Ziel, eine "vollflächige chemiefreie Unkrautkontrolle auf dem Acker" möglich zu machen. Das Projekt läuft noch ein gutes Jahr.
Es gibt auch schon Unternehmen, die Feldroboter mit Lasertechnik zum Verkauf anbieten. Laut Hersteller lokalisieren auch diese mithilfe künstlicher Intelligenz das Unkraut und verbrennen es mit einem Laserstrahl. Rund 8700 Euro kostet der Unkrautroboter bei einem Kölner Anbieter. Ihm zufolge soll der Einsatz des Roboters die Unkrautbekämpfungskosten auf Dauer senken.
Wo und wie in der Landwirtschaft bereits an anderer Stelle Roboter eingesetzt werden, gibt es hier zu sehen:
Säure aus Raps statt Glyphosat
Die Pelargonsäure gilt als natürliche Alternative zum chemischen Glyphosat. Die Säure wird aus Rapsöl gewonnen und als Bio-Herbizid bezeichnet. Das Umweltbundesamt empfiehlt Pelargonsäure beispielsweise als "weniger umweltschädliche" Alternative zu chemischen Mitteln. Herstellern zufolge hat die Fettsäure eine ähnliche Wirkung wie Glyphosat: Sie dringe in die Zellstruktur von Pflanzenblättern ein und zerstöre dort die Zellwände. Das Endergebnis: Die Pflanze vertrocknet und stirbt ab. Wie die Chemikerin Catia Bastioli aus Italien gezeigt hat, kann Pelargonsäure und damit ein Bio-Herbizid auch aus Disteln gewonnen werden. 2018 sorgte Bastioli damit für Schlagzeilen. Auch in deutschen Medien.
Wenn es um die Vorteile von Pelargonsäure geht, heißt es, dass diese im Boden und in Gewässern schnell biologisch abbaubar sei. "Der Nachweis der leichten biologischen Abbaubarkeit erfolgt durch den 'manometric respiratory test' nach OECD 301 F für Pelargonsäure", steht beispielsweise in einer Antwort des Deutschen Bundestags auf eine Anfrage eines Abgeordneten zum Thema Pelargonsäure. Seit 2023 setzt etwa die Deutsche Bahn nach eigenen Angaben Pelargonsäure statt Glyphosat gegen Bewuchs in den Gleisen ein. Das Unternehmen spricht von einer "ökologischen Alternative zu Glyphosat". Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit und mehrere Bundesministerien hatten hierfür die Zulassung erteilt.
Zukunftsvision: Unkrautbekämpfung mit Algen-Zucker
Aus der Wissenschaft kommt immer wieder Neues: Zum Beispiel ein natürlicher Zucker in der Blaualge, der in Zukunft eine Alternative zu Glyphosat darstellen könnte. Dazu läuft derzeit ein gemeinsames Forschungsprojekt der Universität Tübingen und der Hochschule Bielefeld. Entdeckt wurde der Zucker 2019 an der Universität Tübingen. Der Name: 7-desoxy-Sedoheptulose. Kurz: 7dSh. Der Blaualgen-Zucker habe die Eigenschaft, das Wachstum von Pflanzen zu hemmen. Außerdem ist der Zucker den Forschenden zufolge "biologischen Ursprungs, in der Natur abbaubar und nach bisherigen Tests toxikologisch unauffällig".
In Bielefeld wird an der optimalen Formulierung des Wirkstoffs geforscht
Das Team untersucht unter anderem, wie aus dem Wirkstoff ein Präparat zur Unkrautvernichtung werden kann. Möglich wäre etwa eine Art Kapsel, in der der Zucker steckt. In Bielefeld wird geprüft, wie viel Zucker in solch eine Kapsel passt oder auch wie schnell sich diese auflöst. "Der Wirkstoff soll am besten kontinuierlich über einen langen Zeitraum abgegeben werden, denn die Landwirte können ja nicht täglich das Präparat ausbringen", heißt es von einer Wissenschaftlerin der Arbeitsgruppe in einer Mitteilung der Hochschule Bielefeld. Auch die Wirkung des Zuckers werde ganz genau untersucht und die sogenannten "öko-toxikologischen Effekte" gemessen und mit denen von Glyphosat verglichen. Die Forschenden beschäftigen sich außerdem mit der Frage, wie der Wirkstoff in der Praxis in großen Mengen hergestellt werden könnte.