Landwirtin Marie Woeste aus Lüdenscheid steht in einem Folientunnel, sie hat ihren kleinen Sohn in einer Trage auf dem Rücken

"Nicht selbstverständlich": Junge Mutter übernimmt Familien-Hof

Märkischer Kreis | Landwirtschaft

Stand: 07.08.2024, 07:51 Uhr

Als Frau einen Hof leiten, gleichzeitig noch Mutter sein. Die junge Landwirtin Marie Woeste aus Lüdenscheid will diese Herausforderung annehmen. In Deutschland ist das (noch) eine Seltenheit.

Von Julia Arns

1

Landwirtin denkt um

Es ist frühmorgens auf dem Hof Woeste in Lüdenscheid. Die Sonne steigt langsam über die Hügel. Vor dem Haus bindet sich Marie Woeste ihre Arbeitsschuhe und hängt sich eine Babytrage auf den Rücken. Das ist heute der Platz für ihren zehn Monate alten Sohn Theo. Zusammen machen sich die beiden auf den Weg zur Gärtnerei.

Heute wird gepflanzt, Chinakohl und Pak Choi. Woestes Mann und Geschäftspartner Luis Zierke wartet schon. Zusammen bauen sich die beiden auf dem Hof ihre Existenz auf. Klar ist: Woeste wird den 600 Jahre alten Hof der Familie übernehmen. "Das ist als Frau nicht selbstverständlich. Selbst für meine Familie nicht", sagt die 27-Jährige.

Woeste will beweisen: Landwirtschaft lohnt sich noch

00:27 Min. Verfügbar bis 07.08.2026

Für ihren Traum gestalten Woeste und ihr Mann den Hof nach und nach um. Denn seit zwei Generationen wurden hier gar keine Lebensmittel mehr angebaut. "Mein Vater leitet hier einen Garten- und Landschaftsbau. Wieder in die Lebensmittelproduktion einzusteigen, war nie sein Plan", sagt die junge Mutter.

Wenige Frauen führen Höfe

Frauen, die einen Hof leiten oder bald leiten werden: Das ist in der deutschen Landwirtschaft immer noch eher eine Ausnahme. Eine Studie aus dem Jahr 2022 zeigt, dass gerade einmal gut jeder zehnte Hof in Deutschland von einer Frau geführt wird. Immerhin zeigt die Tendenz in eine andere Richtung: Auf knapp jedem fünften Hof ist eine Frau als Nachfolgerin vorgesehen - so wie auf Hof Woeste.

Blick über die Foolientunnel, in denen Familie Woeste Gemüse anbaut

In Frauenhand: Gemüseanbau auf Hof Woeste in Lüdenscheid

Die Gründe, dass Frauen bei der Hofnachfolge oft das Nachsehen haben, sind laut der Studie vielfältig: Veraltete Geschlechterbilder, die soziale Absicherung der Frauen im Alter, wenn es zum Beispiel zur Scheidung kommt, die Gesundheitsvorsorge. Auch Woeste muss für ihren Traum kämpfen. "Ich musste meine Eltern erst davon überzeugen, dass ich dazu in der Lage bin, den Betrieb mit meinem Konzept rentabel in die Zukunft zu führen", sagt sie, während sie in einem Folientunnel auf der Erde kniet und per Hand kleine Pflänzchen einsetzt. Ihr Sohn schläft währenddessen in der Trage auf ihrem Rücken.

Woeste hat während eines Auslandsjahrs in Australien Spargel gestochen. Hier zeigen wir, wie hart der Job eines Spargelstechers ist. Zurück in Deutschland hat Woeste ökologische Landwirtschaft studiert. Natürlich weiß sie, dass immer mehr kleinere Landwirtschaftsbetriebe aufgeben. Doch das schreckt die junge Mutter nicht ab. Und andere Frauen, mit denen sie zusammen studiert hat, auch nicht. Im Gegenteil: "Ich habe den Eindruck, dass Frauen Dinge oft anders angehen als Männer. Statt auf große Maschinen, Flächen und Subventionen setze ich zum Beispiel auf Nachhaltigkeit und kleinere smarte Strukturen."

2

Mit Microfarming in die Zukunft

Sehr viel Gemüse mit hohen Erträgen auf einer sehr kleinen Fläche. Das ist das Konzept der jungen Landwirtin. Gepflanzt, gepflegt, gedüngt und geerntet wird mal per Hand, mal mit Haken oder Walzen. Große Maschinen sucht man auf dem Hof vergeblich. So sind die Produktionskosten vergleichsweise niedrig. Microfarming heißt das Konzept. Wie es genau abläuft, zeigen wir bei WDR Lokalzeit Land.Schafft.

"Meine Familie musste ich erstmal von dem Konzept überzeugen und mich beweisen. Vor allem mit meinem Vater gab es viele Diskussionen. Als sie gemerkt haben, dass es mir ernst ist und das Konzept funktioniert, haben sie mich auch unterstützt und das sehr wertschätzend", sagt Woeste. Seit vier Jahren setzt sie ihr Konzept jetzt schon erfolgreich um.

  • Es geht auch andersherum: Wie ein Landwirt eine Fläche von 1000 Hektar bewirtschaftet, erfahrt ihr hier.
3

Landwirtschaft als Familienaufgabe

Woeste muss den Weg nicht alleine gehen: Während des Studiums hat sie ihren Mann kennengelernt. Er teilt ihre Ansichten und steht voll hinter ihr. Zusammen haben es die beiden geschafft, den Gemüseanbau zurück auf Hof Woeste zu holen. Ohne große Schulden, ohne große Maschinen, ohne große Investitionen.

Für Zierke ist es kein Problem, dass seine Frau später den elterlichen Hof übernimmt. Beide arbeiten als Team. Er unterstützt sie, wo er kann. Auch als Woeste Mutter wird.

Wie Woeste Farm und Familie unter einen Hut bekommt

00:24 Min. Verfügbar bis 07.08.2026

Hausfrau, Mutter, Landwirtin, zukünftige Hofleiterin. Natürlich ist das für Woeste eine große Herausforderung. Aber keine zu große: "Es erfüllt mich. Und das, obwohl die Belastung wirklich hoch ist", sagt sie. Sie kann aber gut verstehen, dass andere Frauen vor der Belastung und den vielen Anforderungen zurückschrecken. Den Hof am Ende also doch lieber ihrem Partner überlassen.

Woestes Weg wird ein anderer sein: Wenn ihr Vater in Rente geht, wird sie den Hof in Lüdenscheid komplett übernehmen. Ganz ohne Mann wird es aber auch in Zukunft auf dem Hof nicht gehen: "Ich bin froh, dass mein Mann hinter mir steht, dass wir alles zusammen schaffen können."