Moderne Gebäude, weite Felder: Rainer von Meers XXL-Hof

00:27 Min. Verfügbar bis 03.08.2026

Wachsen oder weichen? Wie Landwirte umdenken müssen

Euskirchen | Landwirtschaft

Stand: 03.08.2024, 09:02 Uhr

Früher reichten einem Bauernhof ein paar Tiere, um eine Familie zu ernähren. Heute müssen kleine Betriebe wachsen, um zu überleben. Diese Erfahrung hat auch Rainer von Meer aus Euskirchen gemacht. Er entwickelte den elterlichen Familienbetrieb zu einem Agrarunternehmen mit 40 Mitarbeitern. Eine Erfolgsgeschichte - mit weitreichenden Folgen.

Von Katja Stephan

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Wie alles begann

Rainer von Meer steht in einer roten Jacke im Innenhof seines Betriebes und breitet die Arme aus. "Hier, wo ich stehe, fing alles an. Hier baute mein Opa 1930 den Marthahof. Hinter mir waren die Ställe für Rinder und Schweine. Und im Garten lebten Hühner." Heute erinnert nichts mehr an diese Zeiten. Die rot verklinkerten Gebäude wirken modern, hinter einer großen Glastür liegen die Büros der Mitarbeiter, die für von Meer arbeiten. Als er den Betrieb in den 80er-Jahren übernahm, stand für ihn fest: Wenn er überleben will, muss er investieren. "Ich habe keinen anderen Weg gesehen. Ich wollte aus den Existenzängsten herauswachsen, das war der Antrieb." 

Von Meers Sorge war berechtigt. Denn in den 90er-Jahren setzte ein Strukturwandel in der Landwirtschaft ein, der bis heute anhält. Die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in NRW hat sich seitdem fast halbiert. Die durchschnittliche Betriebsgröße ist dagegen gewachsen. Damals bewirtschaftete ein Bauer im Schnitt 25,2 Hektar. 2023 waren es 44,4 Hektar. Das zeigen Zahlen des Statistischen Landes- und Bundesamtes. Wachsen oder weichen - von Meer hat von dieser Entwicklung profitiert. Seinen Weg dahin zeigt die WDR Lokalzeit auch auf dem YouTube-Kanal Land.Schafft.

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Warum verändert sich die Landwirtschaft?

Der 60-Jährige öffnet eine große Schiebetür und betritt die Werkstatt. Ein halbes Dutzend Männer arbeitet hier gerade. Einer von ihnen klettert auf das Dach einer riesigen, gelben Landmaschine. Die Ballenpresse ist Teil des Unternehmens, das von Meer im Laufe der Jahre aufgebaut hat. Seine Kunden sind Landwirte, für die er Arbeiten auf den Feldern übernimmt.

Ein brachliegendens Feld.

Von Meer hat Flächen von Landwirten übernommen, die aufgegeben haben

In der Vergangenheit kam es immer wieder vor, dass Betriebe aufgeben mussten. Dann war von Meer zur Stelle: "Wir haben Schritt für Schritt die Pachtflächen übernommen. Das passierte aus einem vertrauensvollen Verhältnis heraus. Der Landwirt kannte uns seit Jahren und war froh, dass wir seine Arbeit weiter führen konnten." Mittlerweile bewirtschaftet er 1000 Hektar.

Experte erklärt den Wandel in der Landwirtschaft

"Der Strukturwandel in der Landwirtschaft ist ein ganz normaler Prozess", sagt Matin Qaim, Professor für Agrarökonomie vom Zentrum für Entwicklungsforschung an der Uni Bonn. Als Auslöser nennt er zum einen, dass Lebensmittel über viele Jahrzehnte hinweg immer billiger geworden sind. Das setze die Landwirte unter Druck.

Hinzu kommt ein Anstieg der Lohnkosten. "Die Landwirte waren und sind gezwungen, mit weniger Aufwand und Kosten zu produzieren. Der technische Fortschritt hat diesen Prozess beschleunigt. Moderne Landmaschinen bearbeiten heute in der gleichen Zeit ein Vielfaches an Fläche." Doch diese Flächen müssen entsprechend groß sein, damit die Maschinen ausgelastet sind und sich rechnen. Für kleine Betriebe wird es so immer schwerer, mitzuhalten. Die Folge: Die Landschaft verändert sich. Das spürt auch von Meer.

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Der Erfolg und seine Schattenseiten

Er ist mit dem Auto unterwegs zu einem seiner Kartoffelfelder, um die Entwicklung der Pflanzen zu kontrollieren. Er fährt an Äckern vorbei, die früher von seinen Nachbarn bewirtschaftet wurden. Viele von ihnen haben mittlerweile aufgegeben. "Es macht keinen Spaß, bei Versammlungen keine Kollegen mehr aus der Nachbarschaft zu haben. Mir fehlt der fachliche Austausch und das Miteinander", sagt von Meer. Spürt er auch Neid, weil er geschafft hat, woran manche Kollegen scheiterten?

Hat Rainer von Meer auch schon Neid von anderen Landwirten erlebt?

00:18 Min. Verfügbar bis 02.08.2026

Für Agrarökonom Qaim hat der Strukturwandel durchaus Vorteile. Denn Landwirte wie von Meer haben erfolgreich gewirtschaftet, sind gut in dem, was sie machen. Ein Problem sieht er allerdings für die Artenvielfalt: "Dadurch, dass die Ackerflächen, die die Landwirte bewirtschaften, immer größer geworden sind, fallen Feldränder weg und Vielfalt geht verloren. Feldränder sind ein wichtiger Lebensraum für Vögel und Insekten."

Er wünscht sich von der Politik deshalb eine Begrenzung der Feldgrößen. "Das ist etwas anderes als die Betriebsgröße, denn auch große Betriebe können kleinere Felder bewirtschaften", so Qaim. Biologin Lisa Biber-Freudenberger, die wie Qaim an der Uni Bonn zur Entwicklung der Landwirtschaft forscht, geht noch einen Schritt weiter: "Oft konzentrieren sich Landwirte auf zwei bis drei Anbaufrüchte, weil das für sie einfacher und rentabler ist. Doch das schadet der Artenvielfalt und es werden mehr Pestizide benötigt." 

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Warum auch kleine Betriebe eine Zukunft haben

Von Meer können die Forscher keinen Vorwurf machen: Er betreibt nach eigenen Angaben eine Fünferfruchtfolge, baut also Getreide, Zuckerrüben, Mais und Kartoffeln im Wechsel an.

Für ihn haben kleine Betriebe nach wie vor eine Chance: "Aber sie müssen sich spezialisieren. Dann können sie am Markt bestehen." Das bestätigt auch Biber-Freudenberger. "Sie müssen ihre Nische finden, Kindergeburtstage anbieten oder Ferienwohnungen vermieten. Oder auf die Direktvermarktung im Hofladen setzen", meint die Biologin. Diese These sieht Agrarökonomie-Professor Qaim allerdings kritisch: "So was funktioniert vielleicht im Speckgürtel von Köln oder Bonn, aber nicht in Brandenburg. Und wenn jeder mit seinem SUV für drei Salatköpfe aufs Land fährt, ist das alles andere als umweltfreundlich."

Letzten Endes entscheiden die Verbraucher, wie sich die Landwirtschaft vor ihrer Haustür entwickelt, da sind sich die Wissenschaftler und von Meer einig. Durch die Bereitschaft, höhere Preise für regionale Produkte zu zahlen. Oder dadurch, welche Partei sie wählen.

  • Es geht auch andersherum: Wie Landwirtschaft auf kleinster Fläche aussieht, erfahrt ihr hier.

Von Meer ist nach seiner Fahrt zum Kartoffelfeld inzwischen wieder zurück am Hof. Gerade steigt er eine Metallleiter hinauf, die zu seiner Biogasanlage führt. Von hier aus hat er einen guten Überblick über den Hof, auf dem er aufgewachsen ist, und den er in naher Zukunft an seinen Sohn übergeben wird. Auch in den nächsten Jahren stehen Veränderungen an. Aber mit den drei Standbeinen Biogas, Ackerbau und Agrarunternehmen habe er das Gefühl, dass er seinen Betrieb gut für die Zukunft aufgestellt hat: "Ich bin zufrieden."