Landwirt Marius Pötting

Wie ein Hoferbe die Liebe zur Landwirtschaft wiederentdeckt hat

Paderborn | Landwirtschaft

Stand: 31.01.2024, 11:07 Uhr

Landwirt werden und den elterlichen Hof übernehmen will Marius Pötting auf keinen Fall. Ein Besuch in Lateinamerika ändert alles. Jetzt hat er ständig neue Ideen, was er mit seinem Acker alles machen will.

Von Sabine Kowalczyk

Es ist ein Moment der Ruhe, als Marius Pötting sein Handy in der Hosentasche verschwinden lässt, sich vor seine Rinder hockt und schweigt. Neugierig kommen die Tiere sofort auf ihn zu. "Ich mache das so gerne", sagt er, ohne den Blick von seinen Tieren abzuwenden und lächelt. "Wenn ich mich entspannen will, dann gehe ich alleine auf die Wiese - und schaue." Das ist der Mann, der es erst vor kurzem geschafft hat, seinen landwirtschaftlichen Betrieb in Salzkotten im Kreis Paderborn vom Neben- zum Vollerwerb zu entwickeln. Dabei war er lange davon überzeugt, Landwirtschaft, das sei gar nichts für ihn.

"Ich habe Landwirtschaft gehasst"

Schon die Eltern waren Landwirte und Pötting muss als Jugendlicher immer mitarbeiten. "Die anderen haben am Baggersee gelegen und ich habe auf dem Trecker gesessen", sagt er. "Ich habe Landwirtschaft gehasst", haut er so raus, dass man es ihm sofort glaubt. "Jeder Landwirt ist in den Augen der Bevölkerung ein potenzieller Bodenverseucher und Tierquäler. Landwirt ist alles andere als ein angesehener Beruf und in einer Gesellschaft, die so denkt, entscheidet man sich nicht so leicht dafür." Schon bei den Eltern hat er gesehen, dass beide viel arbeiten und trotzdem noch einen anderen Beruf ausüben mussten, um über die Runden zu kommen. Pötting kehrt dem elterlichen Hof den Rücken und wird Zimmermann. Auch die Eltern schließen den Betrieb - vorerst. Denn dann kommt alles anders.

Zu sehen sind Marius Pötting und Chadia, die durch das Gewächshaus des Hofs gehen.

Früher hat Marius Pötting die Landwirtschaft gehasst, heute geht er in seinen Aufgaben als Landwirt richtig auf

Marius Pötting geht nach dem Abi mehrfach nach Südamerika und arbeitet dort mit landlosen Bauern. Als diese hören, dass die Familie in Deutschland riesige Ländereien besitzt, die aber nicht mehr bewirtschaftet, erntet Pötting nur fassungslose Blicke. Für sie ist Landbesitz das höchste Gut auf der Welt. Marius Pötting kommt ins Grübeln, fährt wieder nach Hause und als er den Eltern sagt: "Wir machen den Hof wieder auf", sagen in Deutschland alle: "Du bist bekloppt."

Die Erfahrungen in Südamerika lassen Marius Pötting umdenken

00:36 Min. Verfügbar bis 31.01.2026

Land zu besitzen ist Geschenk - und Verantwortung

Erst auf seinen Reisen wird Pötting klar, was es heißt, Land zu besitzen. Jetzt - rund 15 Jahre, eine Ehefrau und vier kleine Kinder später, bewirtschaftet die Familie einen Biohof mit 96 Hektar Land, hält Weiderinder und verkauft die Produkte im Hofladen. Mit mehr als zwei Hektar Weide hat jedes Tier deutlich mehr Platz, als einem Bio-Rind gesetzlich zusteht. Gefüttert wird ausschließlich das, was auf dem Vauß-Hof wächst und geschlachtet wird nur, was dort geboren wurde. "Land zu besitzen ist ein Privileg, Glück und ein Geschenk, aber auch eine Verantwortung", sagt Pötting ein bisschen nachdenklich. "Durch die Zeit in Honduras habe ich gelernt, dass ich aus diesem Privileg auch etwas Sinnvolles machen muss."

Zu sehen sind Marius Pötting und Chadia Hamadé, die eine Kiste hält, in welcher Salat und ein Schild mit dem Schriftzug "Nimm mich mit" liegt.

Aus der „Nimmmichmit“-Kiste kann jeder soviel nehmen, wie er möchte.

Und so entwickelt die Familie immer wieder neue Ideen, was man mit dem Acker alles anstellen kann. Immer wieder gibt es Veranstaltungen, um den Bauernhof als Lernort zu vermarkten. Dann fragen die Kunden im Hofladen neben Fleischprodukten auch nach Gemüse. Gemüse anbauen will Pötting aber eigentlich nicht. "Wenn du für den Supermarkt anbaust, kannst du die Hälfte wegschmeißen. Krumm ist ein Problem, obwohl es gleich schmeckt, nein, das ist einfach falsch." Aber dann kommt Ehefrau Anja mit der Idee der Solidarischen Landwirtschaft und auf dem Vauß-Hof entsteht 2016 eine der ersten SoLaWis in NRW.

Wie funktioniert Solawi auf dem Vauß-Hof?

Die als Genossenschaft geführte SoLaWi pachtet die Flächen. Gepflanzt und geerntet wird mit fest angestellten Gärtnern. Die Kisten werden 1x wöchentlich von den Mitgliedern abgeholt. Vorher wird ausgerechnet, wie viele Anteile jedem zur Verfügung stehen und das Gemüse wird von den Leuten selbst gepackt. 130 Ernteanteile gibt es 50 Wochen im Jahr, Kosten: 80 Euro im Monat. Die Mitglieder können helfen, müssen aber nicht.

Auf vielen Standbeinen bleibt der Hof am Leben

Pötting bekommt eine Pacht für Ackerfläche und die Halle, dazu werden Strom aus der PV-Anlage, Wasser aus dem Brunnen, der Verleih der Maschinen und seine Arbeitskraft bezahlt. Die PV-Anlage stammt übrigens vom Schrott, die Förderung war ausgelaufen und die Paneele wurden einfach weggeschmissen. Auf dem Vauß-Hof wird alles verwertet, auch das angebaute Gemüse wird komplett an die Mitglieder verteilt. Weil der Betrieb mittlerweile auf vielen Standbeinen steht, sind immer viele Menschen auf dem Hof. "Das muss man wollen, das muss man mögen. Wir haben uns als Familie dazu entschieden. Hier ist den ganzen Tag was los. Arbeit ist das nicht. Es ist unser Leben."

Über dieses Thema berichteten wir auch im WDR-Fernsehen am 07.07.2023: Lokalzeit OWL, 19.30 Uhr.