Nachhaltigkeit
Entspannt die Umwelt schützen
Stand: 11.11.2024, 15:46 Von Stefanie Uhrig Glücksfunken
Von Stefanie Uhrig
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KommentierenGrundsätzlich klima- und umweltbewusste Menschen plagt schnell das schlechte Gewissen, wenn sie sich mal nicht nachhaltig verhalten. Wie lässt sich konstruktiv damit umgehen?
Manche kennen es sicher, dieses leise Unbehagen, wenn sie in den Flieger zum Urlaubsort steigen, oder das nagende Gefühl des ‚Du könntest doch laufen‘ während der kurzen Fahrt zur Arbeit. Letzteres wäre ja sogar gesünder. Andererseits – ein ordentlicher Urlaub pro Jahr sollte erlaubt sein! Und der Weg ins Büro ist schon etwas zu weit, das letzte Stück geht auch noch bergauf.
Haben wir überhaupt ein schlechtes Gewissen?
Solche oder ähnliche Gedanken gehen manchen Menschen häufig durch den Kopf, anderen wohl eher selten. Bei jungen Leuten empfinden laut einer großen Studie in zehn Ländern etwa die Hälfte in Bezug auf das Klima Schuldgefühle.
In Ländern des globalen Nordens sprechen beispielsweise Klima-Aktivist:innen allerdings nur ungern über Schuld und Scham. Der Fokus liegt eher auf positiven Gefühlen, die sie aus ihrem Aktivismus ziehen. Sie wissen: Wenn sie anderen Menschen eine Schuld zuschreiben, motiviert diese das nicht zu einem klimafreundlicheren Handeln.
Menschen möchten Schuldgefühle prinzipiell vermeiden. Eine Möglichkeit wäre natürlich, nichts zu tun, das gegen die eigenen Überzeugungen geht. "Ein schlechtes Gewissen macht Sinn, wenn es uns motiviert, beim nächsten Mal anders zu handeln", sagt die Umweltpsychologin Ellen Matthies, Professorin an der Universität Magdeburg. Allerdings sei die klimafreundliche Alternative oft nicht umsetzbar, das Verhalten zu schwer oder zu teuer.
Die Kunst der Rechtfertigung
"Ein Problem beim Klimaschutz", sagt Psychologie-Professorin Sabrina Krauss von der SRH Hochschule Nordrhein-Westfalen, " ist, dass es am Himmel kein Barometer gibt, das anzeigt, wie viel Treibhausgase gerade eingespart wurden." Solange die Fortschritte nicht — oder nur sehr langsam — sichtbar seien, ermutigten sie auch nicht unbedingt zu weiteren Handlungen.
Dazu kommt: Wenn eine einzelne Person nicht in einen Flieger steigt, hebt der trotzdem ab. Und an die großen Klimasünder kommen Einzelpersonen ohnehin nicht heran. Aber wer so denkt, kommt im Klimaschutz gar nicht voran. Letztendlich müssen möglichst viele Menschen ihre Lebensweise in gewissen Punkten verändern, sagen Expert:innen.
Anmerkung der Redaktion:
Dr. Stefanie Uhrig und Prof. Dr. Sabrina Krauss hatten zu dem Zeitpunkt, als dieser Text verfasst wurde, zusammen einen nicht-kommerziellen Podcast über die Psychologie der Klimakrise. Sie kennen sich professionell von früheren Expertinnen-Interviews und haben keinerlei persönliche Beziehung zueinander.
Von der Selbstwirksamkeit zur Wirksamkeit
Wer wirklich etwas für das Klima und die Umwelt tun möchte, sollte sich deshalb zunächst auf die eigene Wirksamkeit fokussieren, schlägt Sabrina Krauss vor. "Es gibt sogar Apps, mit denen du selbst deinen CO2-Haushalt im Blick behalten kannst und die dich mit Punkten belohnt, wenn du dich nachhaltig verhältst." Das Feedback könne dann das Gefühl der eigenen Selbstwirksamkeit erhöhen.
Der Einwand, einzelne Handlungen hätten kaum Wirkung, gilt ohnehin nur bedingt. Denn es gibt verschiedene Wege, auf denen kleine Veränderungen größere anstoßen können. Manchmal summieren sie sich auf: Wenn viele Menschen wenig Fleisch essen, brauchen wir letztendlich deutlich weniger davon. Oder es gibt einen Lerneffekt, wenn jemand eine tolle, klimafreundliche Idee hat und mehrere andere es nachmachen.
"Ansteckung": Ein Gedanke oder eine Handlung einer einzigen Person verbreiten sich immer weiter und werden zu einer Bewegung.
Am wirkungsvollsten ist die "Ansteckung": Ein Gedanke oder eine Handlung verbreiten sich immer weiter. Das prominenteste Beispiel im Klimaschutz ist die Entstehung der großen Bewegung Fridays For Future aus dem Klimaprotest einer einzigen Person. Aber auch praktische Dinge wie "Balkonkraftwerke" zur privaten Nutzung der Sonnenenergie können anstecken. Hier gilt das Prinzip: Der Nachbar hat’s, dann will ich es auch!
Gemeinsam und stetig
Bei klimarelevanten Handlungen wie der Ernährung gebe es bereits klare gesellschaftliche Trends, sagt Ellen Matthis. Je sichtbarer solche Entwicklungen sind, desto besser: "Die Selbstwirksamkeit steigt, wenn wir erleben, dass andere ebenfalls handeln." Auch bei politischem oder aktivistischem Engagement gebe es eine kollektive Wirksamkeit – und die beeinflusse dann wiederum das Verhalten im Alltag.
Die individuellen Beiträge zum Klima- und Umweltschutz machen also tatsächlich einen Unterschied – aber wohl nicht jede einzelne Handlung an jedem einzelnen Tag. "Man darf sich bewusst machen, dass das eigene Handeln nur in Summe wirksam wird, also in seiner Stetigkeit", sagt Sabrina Krauss. Kleine Unterbrechungen dieser Stetigkeit führten nicht dazu, dass der eigene Beitrag gemindert wird. Ab und zu gegen die persönliche Überzeugung zu handeln, sollte deshalb nicht gleich zu einem schlechten Gewissen führen.
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