Eine singende Person hält einen Lockenstab als Mikrofonersatz.

Gemeinschaft

Singen: Darum tut es (in Gemeinschaft) so gut

Stand: 03.07.2024, 17:30 Von Anja Wollschlaeger Glücksfunken

Von Anja Wollschlaeger

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La la la la. Singen tut uns super gut. Egal, ob zusammen mit anderen oder allein, wenn du singst, fühlst du dich besser. Und daran liegt es: Singen senkt nachweislich unseren Stresspegel. Forschende der Uni Regensburg haben das mithilfe von Speicheltests herausgefunden. Damit haben sie beim Uni-Chor in Regensburg die Konzentration des Stresshormons Cortisol gemessen – nach der Probe war sie deutlich gesunken.

Und die Sänger:innen fühlten sich auch besser. Das gaben sie in Fragebögen an. Aber Achtung: in ungewohnten Situationen kann Chorsingen vielleicht auch stressig sein, meint das Forschungsteam. Das war in Regensburg nicht so. Die Sänger:innen kannten sich vor dem Experiment schon.

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Man muss nicht gleich einem Chor beitreten

Du hast Lust bekommen, auch ein Liedchen zu trällern, ein Chor wäre aber so gar nichts für dich? Kein Problem, in vielen Städten gibt es auch organisiertes, offenes Singen. Dabei geht es darum, Klassiker, Folk-Songs, Pop- oder Weihnachtslieder mit musikalischer Begleitung so gut zu singen, wie man eben kann. Die Events heißen Mitsing-Partys, Rudelsingen oder Sing along. Den Text können dort meistens alle von einer Leinwand ablesen.

Singen stärkt das Gemeinschaftsgefühl

Allein singen ist auch gut für uns, das hat die Studie in Regensburg gezeigt, bei der die Forschenden auch Solo-Sänger:innen untersucht haben. Bei Ihnen sank das Stresshormon während der Probe ab – fast so stark, wie bei der Chorprobe. Aber, wenn wir mit anderen Menschen zusammen singen, fühlen wir uns ihnen näher. Und das funktioniert sogar in Gruppen mit mehreren hundert Menschen.

Ein internationales Forschungsteam um den Musikpsychologen Daniel Weinstein aus London hat einen Mega-Chor von über 200 Leuten untersucht. Die Teilnehmenden gaben nach der Probe an, sich als Team zu fühlen, obwohl sich nicht alle vorher kannten.

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Singen für bessere Noten!?

Forschende der Universität von British Columbia in Kanada haben die Schulnoten von mehr als 110.000 Teenager:innen an High Schools verglichen. Dabei kam heraus: Wer in der Schule Musik macht, hat in Englisch und in naturwissenschaftlichen Fächern bessere Noten.

Das Besondere an dieser Studie ist: Hier wurde ganz genau hingesehen. Viele Störfaktoren wurden herausgerechnet. Es ist also nicht so, dass nur die Schüler:innen am Musikunterricht teilgenommen haben, die sowieso schon gut in der Schule waren.

Die Noten wurden wahrscheinlich deswegen besser, weil Singen eben Teamarbeit ist. Wer zusammen singt, trainiert zwischenmenschliche Fähigkeiten und lernt, die Perspektive von anderen Schüler:innen einzunehmen, vermutet das Forschungsteam.

Dass Singen den Teamgeist fördert, erlebten auch schon die mehr als 16.000 Düsseldorfer Grundschulkinder, die 2023 bei der “Sing-Pause“ mitgemacht haben. Das Projekt des Städtischen Musikvereins zu Düsseldorf soll die sozialen Kompetenzen der Kinder stärken. Denn: Wer gemeinsam singt, muss aufeinander hören – für Kinder nicht immer einfach. Das Training ist so beliebt, dass inzwischen viele Städte das Konzept übernommen haben.

Singen im Karneval ist eine Einladung zum Mitfeiern

„Nie mehr Fastelovend“ – für Kölner:innen wäre das eine schreckliche Vorstellung. Auf Hochdeutsch bedeutet der Lied-Titel nämlich „nie wieder Karneval“. Aber die Jecken im Rheinland singen trotzdem gerne solche Texte. An Karneval ist es in den Karnevalshochburgen wie Köln, Mainz und Düsseldorf, genau wie in vielen kleinen Ortschaften, angesagt, in Mundart zu singen. Dialekte, die viele im Alltag nicht benutzen, sind dann plötzlich in aller Munde.

Eigene Dialekte oder Sprachen stärken die Identifikation mit der Heimat. Aus demselben Grund wirkt die Karnevalsmusik auf Platt als Einladung zum Mitfeiern. Sie verbindet die verschiedenen Menschen mit ihrer jeweiligen sozialen Herkunft und wirkt quasi als gemeinsame Basis.

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Wenn jemand nicht mitsingen will, ist das aber auch okay. Denn nicht zu jeder Gruppe wollen wir schließlich dazugehören. Dass Singen Gemeinschaft schafft, haben auch Diktaturen immer wieder ausgenutzt und Menschen verpflichtet, ihre Lieder zu singen. Ein besonders abscheuliches Beispiel sind die erzwungenen Gesänge in den KZs der Nazis.

Singen geht fast immer

Musik gilt als Schlüssel zum Gedächtnis demenzkranker Menschen.  Selbst, wenn das Kurzzeitgedächtnis schon stark beeinträchtigt ist, können sie die Lieder ihrer Jugendzeit noch singen. Und wenn sie das alle zusammen machen, fällt ihre Beeinträchtigung manchmal gar nicht mehr auf. Das zeigt eine Studie der University of Victoria in Kanada, bei der Erkrankte gemeinsam mit Studierenden gesungen haben.

Ob Schlager oder Kirchenlied, vom Singen kann man in jedem Alter profitieren. Es senkt unseren Stresslevel, kann unsere Leistungen verbessern und bewirken, dass wir uns mit Anderen oder unserer Heimat verbunden fühlen. Mit oder ohne Anlass; gemeinsames Singen tut gut.

Mehr zum Thema:

Trotz Demenz: Singen im Chor weckt schöne Erinnerungen (br.de)

Studie mit Mega-Chor in London (sciencedirect.com)

Studie aus Kanada zur Wirksamkeit von Musikunterricht in der Schule (psycnet.apa.org)

Wie Musik Menschen mit demenziellen Einschränkungen hilft (sciencedirect.com)

Studie mit dem Uni-Chor Regensburg (frontiersin.org)

Wie Nazis Musik als Folter eingesetzt haben (quod.lib.umich.edu)

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