Eine männlich gelesene Person liegt in einem minimalistisch eingerichteten Zimmer zugedeckt auf einem Sofa und liest.

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4 Ideen: Wie Minimalismus dein Leben bereichern kann

Stand: 23.02.2024, 11:15 Von Hanna Beckmann Gamechanger

Von Hanna Beckmann

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Unsere moderne Konsumgesellschaft ist geprägt von dem Wunsch vieler Menschen, mehr zu besitzen, großzügiger zu wohnen, mehr zu verdienen. Doch es gibt auch Menschen, die auf genau das Gegenteil setzen: auf Minimalismus. Wenig zu haben, sehen sie als Chance, zufriedener und freier zu leben.

Weniger besitzen: ein Gefühl von Freiheit?

Angeblich besitzen wir Deutschen durchschnittlich 10.000 Dinge. Diese Zahl geistert im Netz herum, keiner weiß, woher sie stammt. Dem Statistischen Bundesamt jedenfalls, wie oft behauptet, liegen keine solchen Erhebungen vor, bestätigt es uns.

Aber abwegig ist die Zahl nicht, wenn man allein mal zählt, was man in der Küche alles in seinen Schubladen und Schränken hat. Und dann sind da noch die vollen Kleiderschränke, Bücher, Elektrogeräte, Schreibwaren, Deko und anderes Zeugs. Und was liegt alles noch im Keller oder auf dem Dachboden?

Gabi Raeggel lebt anders. Sie ist Minimalistin und zählt ihr Hab und Gut auf exakt 438 Gegenstände. Ihre 46 m2 große Wohnung sieht leer aus, auf Deko verzichtet sie komplett. Ihre Küchenutensilien passen in drei Schubladen und ihre Kleiderschublade folgt dem Prinzip "Capsule Wardrobe".

Was ist eine Capsule Wardrobe?

Eine Capsule Wardrobe (engl. für Kapsel Garderobe) besteht aus 30 – 40 Kleidungsstücken pro Jahreszeit, inklusive der Accessoires, wie Schuhe und Taschen. Alle Teile passen prinzipiell zueinander und sind problemlos kombinierbar. So vermeidet man auch vor dem Kleiderschrank zu stehen und nicht zu wissen, was man anziehen soll.

Für Minimalist:innen wie sie bedeutet das Freiheit. Sie braucht weniger Zeit zum Aufräumen und Putzen, zum Shoppen, zum Sich-Gedanken-Machen um Dinge. Sie steht nicht mehr vorm Kleiderschrank und überlegt, was sie anzieht.

Und der Gewinn für sie ist auch ein Gewinn für uns alle, denn die Ressourcen unserer Erde decken unseren Konsum nicht. Wenn alle Menschen leben würden, wie wir in Deutschland, bräuchten wir statistisch dreimal so viele Ressourcen, wie der Planet hergibt.

Eine Person steht mittig auf einer Waage. Auf der rechten Seite sind diverse Konsumwaren aufgetürmt. Auf der Linken stehen drei Erdbälle übereinander gestapelt. Die Person mit Deutschlandfahne auf dem T-Shirt zeigt mit dem Arm, deren Höhe an.

Kleiner Wohnen: Tiny Houses als neue Wohnform

Die durchschnittliche Wohnfläche pro Kopf in Deutschland beträgt laut Umweltbundesamt über 47 Quadratmeter. Einen Gegentrend setzt da die Tiny House-Bewegung. Die Mini-Häuschen haben eine Nutzfläche zwischen 15 und 45 Quadratmetern. Die Motive der Bewohner:innen sind geringere Kaufpreise oder Mieten, aber auch Ressourcenschonung und Nachhaltigkeit.

Eine ganz besondere Tiny House-Siedlung ist "Minitopia" in s-Hertogenbosch in den Niederlanden. Kleiner kann man hier leben, aber in schick: Designerarchitektur und ungewöhnliche Baumaterialien wie Container, Strohballen oder Baumarkt-Regale auf einem gemeinsam angemieteten Grundstück. Das Konzept geht in den Niederlanden so durch die Decke, dass schon über 1000 Leute auf der Warteliste für einen Stellplatz auf dieser oder einer anderen Siedlung des Projekts stehen. Die Gründer expandieren immer weiter.

Drohnenfoto der Tiny-House-Siedlung 'Minitopia' in den Niederlanden.

Auch in Deutschland ist die Sehnsucht nach Tiny Houses groß. So zeigen zum Beispiel die Statistiken großer Suchmaschinen, dass die Deutschen seit Jahren häufig zu dem Thema im Internet recherchieren. Aber die Hürden durch die Landesbauordnungen sind groß. Bisher gibt es in Deutschland daher nur sehr wenige Tiny Houses auf Privatgrundstücken oder Campingplätzen.

Minihäuser gelten in Zeiten von Wohnungsknappheit im Sinne der Flächennutzung als nicht nachhaltig. Denn sie verbrauchen viel Fläche für wenig Wohnraum, im Vergleich zu mehrstöckigen Mietshäusern. Viele Gemeinden suchen deshalb nach Lösungen, wie Tiny Houses trotzdem gebaut werden können. Zum Beispiel auf Flächen, die für konventionelles Bauen nicht geeignet sind oder nur temporär zur Verfügung stehen.

Neben den beispielhaften Illustrationen verschiedener Tiny House-Formen, zeigt eine Karte des Bundeslandes NRW die Orte, an denen es bereits Tiny House-Siedlungen gibt.

Weniger arbeiten: durch Frugalismus

Der Frugalismus ist eine neue Bewegung, deren Anhänger:innen das Ziel verfolgen,  durch ein besonders sparsames Leben weniger bis gar nicht mehr arbeiten zu müssen. Nach diesem Lebensmotto arbeitet eine Person beispielsweise kurze Zeit, baut sich ein Vermögen auf und lebt dann bescheiden von den Erträgen. Mit der gewonnenen Zeit betätigt sie sich sinnvoll für die Gemeinschaft. So die Idee.

Kreatives Spielen: Spielzeug freier Kindergarten

Was machen Kinder, wenn sie kein Spielzeug zur Verfügung haben? Sitzen sie bloß herum und gucken Löcher in die Luft? Natürlich nicht, sie spielen trotzdem. Sie werden kreativ. Dann werden die Stühle zu Zugwagons und die Hausschuhe werden Bonbons im Kaufmannsladen.

Viele Kindergärten machen ganz bewusst eine "Spielzeug freie Zeit", damit die Kinder, die heute häufig im Überfluss groß werden, auch das "Nichts" erleben können. Das ist gut für ihre Entwicklung, sie werden kreativer, sozialer, und kommunizieren besser miteinander, sagt Lars Riemeier von der Fachstelle für Suchtvorbeugung bei der Caritas Gütersloh. Es stärke ihr Selbstbewusstsein und schule ihre Resilienz, mit dem Nichts und der Langeweile klarzukommen.

Kein Spielzeug – als Suchtprävention?

Spielzeug freie Zeit ist auch ein Projekt zur Suchtprävention. Wer Langeweile nicht erträgt, flüchtet sich schneller in Ersatzbefriedigungen. Mit Alkohol, Nikotin, Drogen, Medien lassen sich ungute Gefühle schnell "wegdrücken". Kinder, die aber gelernt haben, mit unguten Gefühlen wie Langeweile umzugehen, sind widerstandsfähiger, sie haben die Macht über ihre eigenen Gefühle. Die Caritas Gütersloh verleiht sogar ein Siegel "Suchtvorbeugung" an Kindergärten, die eine Spielzeug freie Zeit machen.

Besitz allein macht nicht glücklich!

Mein Fazit zum Minimalismus: Nicht nur wir besitzen die Dinge, die Dinge besitzen auch uns. Wer sich weniger von haben, haben, haben leiten lässt, hat vielleicht ein erfüllteres Leben. Zumindest lässt eine Erhebung vom Institut für Demoskopie Allensbach diesen Schluss zu. Auf die Frage: "Was glauben Sie, was macht einen Menschen glücklich?", nannten nur 47 Prozent der Befragten Geld. Hingegen nannten 89 Prozent Gesundheit, 79 Prozent Partnerschaft und 74 Prozent Familie als Quelle von Glück.

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