Ein Mann schießt einen erleuchteten Fußball.

Fußball Europameisterschaft

Am Ball bleiben: So kann innovativer Fußball aussehen

Stand: 11.06.2024, 09:45 Von Pia Selbach Gamechanger

Von Pia Selbach

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Die Fußball-Europameisterschaft der Männer ist in vollem Gang. Das Turnier soll laut UEFA und DfB in Deutschland neue Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit von großen Sportveranstaltungen setzen. Es gibt aber Vereine, die schon längst Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit ergriffen haben. Wir zeigen euch, welche das sind und was die Fans in den Stadien der Zukunft erwartet.

Und wer soll das alles bezahlen? Wenn große Investoren sich in Vereine einkaufen wollen, wird das immer wieder heiß diskutiert. Der FC St. Pauli will einen anderen Weg gehen.

Herausforderungen: Wasser, Strom, Mobilität und Müll

Der Rasen muss bewässert werden, das Flutlicht muss scheinen, Fans sowie Spieler:innen reisen an und ab und brauchen Verpflegung. All das spielt in Fußballstadien und generell bei Großveranstaltungen eine Rolle und emittiert nicht nur CO₂, sondern verbraucht auch natürliche Ressourcen und verursacht eine Menge Müll.

Aber das geht auch anders: Der britische Fußballverein "Green Forest Rovers" gilt als erster klimaneutraler und grünster Verein der Welt. Wie der Verein das geschafft hat?

Green Forest Rovers Go Vegan

Angefangen beim leiblichen Wohl der Fans, ist der Verein Vorreiter: Sie haben beispielsweise den beliebten "Meat Pie" durch eine vegane Alternative ersetzt, genau wie das gesamte Essen dort. Wem das vegane Angebot nicht reicht, der/die kann sich das Essen auch selbst mitbringen.

Auch die Mannschaften stärken sich während des Trainings oder an Spieltagen rein pflanzlich. Grund dafür ist nicht nur das Wohlergehen der Tiere und die Schonung der Umwelt; eine vegane Ernährung soll sich auch positiv auf die Gesundheit und Leistung der Spieler:innen auswirken.

Hier wird der Rasen mit Urin bewässert

Solarmodule zieren das Dach des New Lawn Stadions der Green Forest Rovers in Nailsworth, England. Die PV versorgt Flutlichter, parkende Elektroautos und den Mähroboter mit Ökostrom. Der Rasen ist organisch; das heißt, der Platzwart setzt keine Pestizide ein und düngt den Rasen rein pflanzlich mit Seetang aus Schottland. Sogar der Urin der Fans wird wiederverwertet. Klingt erstmal nach einem unangenehmen Geruch im Stadion, aber gut gefiltert, dient er der Bewässerung des Rasens – geruchlos.

Was die Fußballausrüstung angeht, hat sich der Verein ebenfalls nachhaltigere Alternativen überlegt. Zunächst wechselten sie zu Trikots, die aus Bambusfasern bestehen und später tauschten sie auch die Plastik-Schienbeinschoner gegen welche aus nachwachsendem Bambus aus.

Wie deutsche Fußballvereine Nachhaltigkeit fördern

Auch hierzulande steigt das Bewusstsein für Nachhaltigkeit im Fußball immer mehr, wie einige Vereine zeigen. Der VfL Wolfsburg zum Beispiel hat das Ziel, bis 2025 klimaneutral zu werden. Was sie nicht reduzieren können, wollen sie kompensieren.

Das Stadion wird jetzt schon zu 100 Prozent mit Ökostrom versorgt. Das benötigte Wasser zur Bewässerung des Rasens kommt aus einem nahegelegenen Kanal. Was die WC-Bereiche angeht, so gibt es im Stadion größtenteils wasserlose Urinale. Außerdem gab es bisher zwei Aktionstage, an denen Müll rund um die Arena gemeinsam mit Spieler:innen des Vereins gesammelt wurde.

CO₂ sparen und Preise gewinnen

Der VfL Wolfsburg gibt an, dass die Fan-Mobilität 60 Prozent der CO₂-Emissionen des Vereins ausmacht, aber auch hierfür haben sie ein Konzept. Der Verein verkauft Kombi-Tickets für den ÖPNV, hat die Infrastruktur für E-Autos ausgebaut und eine Fahrrad-Reparaturstation vor Ort eingerichtet.

Der VfL arbeitet außerdem mit einem Start-up zusammen, welches klimafreundliche Event- und Stadionbesuche organisiert. Durch Spieltag-Challenges sollen die Fans für klimafreundliche Mobilität belohnt werden. Jede umweltschonende An- oder Abreise zählt wie ein Los mit dem die Fans an einem Gewinnspiel teilnehmen. Dabei können sie beispielsweise Trikots gewinnen, Business-Karten oder eine Stadionführung.

Zero Waste Stadion in Sinsheim

Die PreZero Arena der TSG Hoffenheims gilt als erstes Zero Waste Stadion der deutschen Bundesliga. Der Verein setzt seinen Fokus auf die Minimierung von Abfall und eine maximale Wiederverwertung von Ressourcen.

Statt saisonaler Becher mit Logo gibt es Mehrwegbecher ohne Logo, die über Saisons hinweg wiederverwendet werden können. Alle Trikots werden aus recycelten Materialien hergestellt, die Autogrammkarten zu 20 Prozent aus altem Rasen. Außerdem legt der Verein großen Wert auf Mülltrennung, überall, im und um das Stadion herum.

Grüne Power im Einsatz

Auch die TSG nutzt natürliche Ressourcen. Die PreZero Arena ist mit so vielen Photovoltaikmodulen ausgestattet, dass der produzierte Strom zum größten Teil eingespeist werden kann. Das Regenwasser wird aufgefangen und für die Bewässerung des Rasens und die WC-Anlagen wiederverwendet.

Was die Fanmobilität betrifft, so arbeitet der Verein gemeinsam mit anderen Hotspot-Orten der Rhein-Neckar-Region an nachhaltigen Lösungen. Aktuell können Fans den ÖPNV mit dem Stadionticket nutzen und es gibt zusätzliche Bus-Linien in schlechter angebundene Regionen. Außerdem gestalten Gastronomiebetriebe und die Stadt Sinsheim an den Heimspieltagen gemeinsam eine Fanmeile in der Innenstadt, um die Anreise mit der Bahn attraktiver zu gestalten.

Finanzielle Stabilität durch starke Investoren

Progressive Nachhaltigkeit kostet – sei es der Bau von PV-Anlagen, das Erstellen eines Klima-Konzepts oder die Einführung eines neuen Abfallmanagements. Der VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim haben eins gemeinsam: Die beiden Vereine haben mit SAP und Volkswagen beide starke und langjährige Investoren hinter sich, auf deren finanzielle Unterstützung sie jederzeit zählen können.

Aber gerade die Fans sind nicht immer mit (potenziellen) Investoren einverstanden und so gab es in der Vergangenheit der Deutschen Bundesliga immer wieder Proteste, die sich gegen den Einstieg bestimmter Investoren gerichtet haben. So haben wir es Anfang 2024 gesehen, als die DfL einen neuen Sponsor gesucht hat und die Fans sich massiv dagegen gewehrt haben. Fußballfans befürchten beim Einstieg von Investoren zum Beispiel den Verlust der Vereinsidentität und der Tradition, eine zunehmende Kommerzialisierung und mangelnde Mitbestimmung.

Einer für alle, alle für einen

So könnte es bald beim FC St. Pauli heißen. Denn der Verein plant schon seit längerer Zeit, finanziell von einer Genossenschaft getragen zu werden. Der Mitglieder:innen-geführte Verein benötigt Geld, möchte aber auch weiterhin basisdemokratisch Entscheidungen treffen und keine Stimmrechte an Investoren abgeben. Eine mögliche Lösung: die Gründung einer Genossenschaft.

Hier soll es allerdings nicht um den Spielbetrieb oder die Profiabteilung gehen, sondern darum, die zentrale Infrastruktur des Vereins an die Genossenschaft zu übertragen, wie z. B. Anteile am Nachwuchszentrum oder an der Millerntor-Stadion Betriebs GmbH. Dadurch kann die Genossenschaft dann z. B. Mieteinnahmen generieren. Aktuell läuft auf der Webseite des St. Pauli eine Umfrage zu der Gründung einer Genossenschaft. Weitere Schritte sollen im Laufe des Jahres 2024 folgen.

Fußballvereine wie z. B. die Forest Green Rovers oder der VfL Wolfsburg zeigen, wie durch kleine und große Maßnahmen CO₂ eingespart und Ressourcen geschont werden können. Dabei spielen auch die Finanzierung und Investoren eine Rolle – der FC St. Pauli geht hier einen ganz neuen Weg und möchte ein Genossenschaftsverein werden, ob das Konzept aufgeht und sie sich so ihre Unabhängigkeit bewahren können, wird die Zukunft zeigen.

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