Ein Mann und eine Frau überqueren gleichzeitig die Ziellinie bei einem Wettrennen. Sie halten sich an den Händen.

Teamsport

Gewinnen oder verlieren? Im Sport geht’s um viel mehr!

Stand: 10.11.2023, 15:26 Von Carina Dilg Gedankenspiele

Von Carina Dilg

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Wie wäre es, wenn es beim Sport am Ende keine Siege und Niederlagen gäbe? Wenn es um Kooperation statt um Wettbewerb ginge?

Beim Sport können wir so viel lernen und trainieren: Zusammenhalt, Zielstrebigkeit, Respekt und Fairness. Und Sport verbindet – wir schließen Bekanntschaften und finden vielleicht neue Freund:innen, die dieselbe Leidenschaft teilen.

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Auf der anderen Seite kann der Wettkampfcharakter auch Leistungsdruck verursachen. Nur der Gedanke an den Sportunterricht in der Schulzeit löst nicht bei jedem positive Gefühle aus. Sport soll Spaß machen und Menschen nicht die Lust an der Bewegung verlieren lassen. Was wäre, wenn das Miteinander mehr im Fokus stände anstelle des Gegeneinanders?

Neuer Look für Bundesjugendspiele im Sportunterricht

Unwohlsein, Versagensangst, Mobbing? Für weniger sportliche Kinder kann sich die Sporthalle schnell zum Alptraum verwandeln. Wenn für das nächste Völkerballspiel Teams gewählt werden, will man nicht als Letzte:r noch auf der Bank sitzen. Und auch die Bundesjugendspiele sind für die einen das Highlight des Jahres, für die anderen ein Schultag, der am besten schnell rumgeht.

Ein Ereignis im Schulsport, das Jahre später noch prägt: 2015 haben über 20.000 Menschen eine Petition unterschrieben, um die Bundesjugendspiele abzuschaffen. Eine Reform soll jetzt für mehr Freude an der Bewegung sorgen. Ab dem nächsten Schuljahr werden Bundesjugendspiele dann nicht mehr als Wettkampf, sondern als bewegungsorientierter Wettbewerb in Grundschulen stattfinden.

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Wie sieht das konkret aus? Zum Beispiel wird beim Weitsprung die Weite nicht mit einem Maßband gemessen, sondern die Lehrkraft checkt, in welcher Zone der Weitsprunggrube das Kind landet. Leistung wird dadurch nicht abgeschafft, aber freier bewertet – und nicht durch Skalen und Zeiten. Das gemeinsame Wetteifern steht im Mittelpunkt.

Es gibt aber auch kritische Stimmen zur Reform – zum Beispiel, dass Leistung in Deutschland dadurch immer weniger wertgeschätzt würde. Natürlich kann Wettkampf auch anspornen. Erfolge feiern macht Spaß. Aber vielleicht braucht es dabei nicht immer den sozialen Vergleich mit anderen.

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Persönliche Prozessbewertung als Key

In der Schule geht es um Noten und Leistung, klar. Kinder brauchen auch Feedback, um sich zu entwickeln. Aber was wäre, wenn nur der persönliche Fortschritt bewertet würde? Die individuellen Voraussetzungen eines jeden Kindes würden berücksichtigt, ohne dabei mit der Leistung der Klassenkamerad:innen verglichen zu werden. Der Fokus läge auf den eigenen Stärken.

Für Prof. Miriam Seyda, Leiterin des Arbeitsbereichs Sportdidaktik an der TU Dortmund, steckt darin auch das Erfolgsgeheimnis für guten Schulsport: "Der Sportunterricht in der Schule hat die Besonderheit, dass er als einzige Institution wirklich alle Kinder erreichen kann und dabei die individuellen Voraussetzungen der Schüler:innen mitdenkt."

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Funino: Kinderfußball neu gedacht

Sport kann auch ein Ausgleich zum Berufs- oder Schulleben sein. Fußballspielen ist dabei eins der Lieblingshobbys in Deutschland. Und das krempelt der Deutsche Fußballbund gerade mit Funino um. Der Begriff setzt sich aus dem englischen Wort "fun" und dem spanischen Wort für Kind "nino" zusammen.

Und das ist auch das Ziel: mehr Spaß am Fußball und weniger Frust beim Nachwuchs schaffen. Die Kinder spielen auf mehreren Spielfeldern im Zwei-gegen-Zwei oder Drei-gegen-Drei auf vier Mini-Tore.

Kinder kommen durch kleinere Teams häufiger an den Ball und feiern so auch mehr Erfolgserlebnisse. Das belegen einige Studien. Da weniger Kids auf dem Platz stehen, haben nicht nur die Besten den Ball – alle werden mit eingebunden.

Kooperativer Sport in anderen Ländern?

Bleiben wir beim Fußball und werfen einen Blick ins Mutterland des Sports: England. Dort spielen die Kleinsten weder mit festgelegtem Spielformat, noch gibt es ein Ligensystem. Dafür werden Turniertage veranstaltet, bei denen die Spielregeln individuell angepasst werden. Unter einer Bedingung – alle Spieler müssen zum Einsatz kommen. In Frankreich spricht man von Fußballfestivals.

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Dass Sportunterricht ohne Verlieren oder Gewinnen gedacht werden kann, zeigt auch Schweden. Dort werden die Bildungsziele betont und der Leistungscharakter in den Hintergrund gerückt. Die Philosophie des Sportunterrichts ist es, sich von traditionellen Wettkampfsportarten abzuwenden und Bewegungsformen oder Gesundheitswissen mehr Raum zu geben.

Bewegung in der Natur lernen

Ein Lerninhalt des schwedischen Schulsports ist "Friluftsliv" und bedeutet so viel wie Outdoorsport. Bewegung in der Natur wird als wichtige Bewegungskompetenz gesehen, erklärt Sportsoziologin Prof. Astrid Schubring von der Deutschen Sporthochschule Köln. "Es geht darum, wie man sich zum Beispiel in der Natur sicher bei einer Wanderung bewegt oder auch Kajakausflüge zu machen”, sagt sie. Kinder lernten dabei, sich zu versorgen, ein Feuer zu machen oder einen Windschutz zu bauen.

Übrigens: Die Autorin Carina Dilg hat für diesen Artikel den Sportjournalistenpreis NRW 2024 bekommen. Der Preis wird seit 2018 alle zwei Jahre von der Fachhochschule des Mittelstands in Köln und dem Landessportbund NRW für herausragende journalistische Arbeiten im Bereich Sport vergeben. Den Artikel hat Carina Dilg während ihres Volontariats beim WDR für kugelzwei geschrieben. Wir freuen uns sehr, dass sie gewonnen hat und gratulieren ihr herzlich.

Sport multiperspektivisch angehen

Ohne Kooperation im Sport geht’s nicht. Es ist aber auch wichtig, dass Schüler:innen vielfältige Perspektiven des Sports erleben. Sechs verschiedene Aspekte sollten in den Schulsport einfließen: von "Wettkämpfen” und “sich Verständigen" über "Gesundheitsförderung" bis hin zur "Sinnesschulung". Dabei sollte der Sportunterricht immer unter einem anderen Aspekt stattfinden, betont Miriam Seyda.

"Kinder erfahren so, unter welcher Perspektive es ihnen besonders viel Spaß oder viel Sinn macht, Sport zu treiben”, sagt Seyda. “Zum Beispiel Gesundheit – ich will alles wissen, um meine Gesundheit zu fördern. Dann ist das meine Perspektive, für die ich das dann bestenfalls lebenslang mache."

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Ein kooperierender Wettkampf – geht das?

Kooperation und Wettkampf müssen sich nicht ausschließen, stellt Prof. Seyda klar. "Problematisch wird es nur, wenn es eindimensional gemacht wird, wenn nur das Gewinnen im Vordergrund stünde." Ansonsten lerne man, fair zu siegen oder auch mit Niederlagen umzugehen.

Der Wettkampf ist für Prof. Seyda "nichts Böses" – und auch die Leistungsorientierung nicht : "Das ist ein konstruktives Merkmal des Sports, es gehört dazu. Aber es geht um die Art und Weise, wie man es einbringt und wie vielfältig man es macht." Wie so oft im Leben: Der Ton macht die Musik – oder besser gesagt den Sport?

Mehr zum Thema

Warum Bewegung so wichtig ist (deutschlandfunk.de)

Wie viel Leistung soll in den Kindersport? (mdr.de)

Kinder- und Jugendsportbericht (bundestag.de)

Bundesjugendspiele Änderungen (dsj.de)

FAQ zu den neuen Spielformen (dfb.de)

Kinderfußball in Europa im Vergleich (dfb.de)

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