MONITOR vom 14.09.2017

Integration von Flüchtlingen: Katastrophe ausgeblieben

Bericht: Andreas Maus, Stephan Stuchlik, Manuel Mehlhorn

Integration von Flüchtlingen: Katastrophe ausgeblieben Monitor 14.09.2017 08:33 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste

Georg Restle: „Und noch ein Realitätscheck, Thema Flüchtlingspolitik. Wir erinnern uns alle an das Jahr 2015. Flüchtlinge an den Grenzen, volle Turnhallen in den Kommunen. Und Bürgermeister, die völlig überfordert waren.“

Aussagen von Bürgermeistern aus dem Jahr 2015: „Ich kann es vor Ort nicht mehr stemmen.“ „Wir können nicht zusehen, dass immer noch mehr Menschen in unsere Städte kommen, weil wir das am Ende nicht mehr schultern können.“ „Wir sind da auch am Limit.“ „Die Kommunen sind diejenigen, die alles auszubaden haben.“

Georg Restle: „Und heute? Werden Ängste weiter geschürt. Gibt es im Wahlkampf einen Wettstreit darüber, wie wir möglichst viele Flüchtlinge möglichst schnell wieder loswerden. Wir wollten wissen: Was denken eigentlich die Kommunen darüber, die 2015 am meisten Flüchtlinge pro Kopf aufgenommen haben und sich damals vehement dagegen gewehrt hatten. Stephan Stuchlik und Andreas Maus waren im sächsischen Borna unterwegs und in Westfalen.“

Ascheberg in Westfalen. 8.000 Einwohner, die Gemeinde besitzt einen Heimatverein samt Museum, einen Laden für Jagdbedarf, in der Kirche übt der Organist für die Sonntagsmesse, hier scheint die Welt in Ordnung. Und doch war das kleine Ascheberg vor zwei Jahren in allen Schlagzeilen: Der Bürgermeister hatte in der Flüchtlingskrise einen Brandbrief geschrieben.

Bert Risthaus, Bürgermeister Ascheberg: „Die Landesbehörde hier, die hat so getan, als hätten alle Gemeinden unendlich Ressourcen und können unendlich viele Leute aufnehmen. Das ist natürlich unrealistisch und da musste ich mal mit deutlichen Worten sagen wie, ja, wie die Wirklichkeit hier aussieht.“

310 Flüchtlinge bei 15.000 Einwohnern, das war der Gemeinde damals zu viel. Heute, zwei Jahre

später, sieht der Bürgermeister die Situation völlig anders.

Bert Risthaus, Bürgermeister Ascheberg: „Ja, wir haben das gut im Griff, die Lage ist sehr entspannt, das Miteinander ist gut und friedlich, und insofern bin ich sehr zufrieden.“

Eine Befürchtung von damals: Die Flüchtlinge würden sich nicht anpassen. Und heute? Lernen hier Syrer, Iraqis und Iraner täglich Deutsch. Tamam aus Syrien ist seit sieben Monaten hier.

Reporter: „Was ist Ihr größtes Problem hier?“

Tamam Hama: „Das Wetter, am Anfang.“

Reporter: „Können wir nicht ändern!“

Tamam Hama: „Ja. Bei Behörde gibt es viele kompliziert Papiere, aber wir haben einen Freund, er immer hilft uns.“

Ein Deutscher aus Ascheberg, wohlgemerkt.

Eine weitere Angst von damals: Flüchtlinge seien nicht qualifiziert für den Arbeitsmarkt. Und heute?

Ascheberg hat von 260 Flüchtlingen 95 in Arbeit und Ausbildung. Die Junior-Chefin der Kran-Firma Klaas führt uns über das Werksgelände, allein in diesem Familienbetrieb arbeiten sieben Flüchtlinge. Die Stimmung scheint gut zu sein. Raees Butt aus Kashmir, Anwar Mohammed aus Pakistan, Ahmad Taras aus Syrien.

Reporter: „Würden Sie sagen, Arbeit ist eine wichtige Sache?“

Ahmad Taras: „Richtig, ich kann nicht bleiben zu Hause und dann krank. Ich muss arbeiten, ja.“

Natürlich engagiert sich die Firma für Flüchtlinge, aber beileibe nicht nur aus Idealismus. Für einfache Tätigkeiten fänden sich so schnell keine Deutschen.

Daniela Klaas, Klaas-Kranbau; „Das war jetzt genau zum richtigen Zeitpunkt für uns, sage ich mal, dass da Leute kommen und angeklopft haben und gefragt haben: Wie sieht es aus mit Arbeit. Die kommen jeden Tag pünktlich zur Arbeit, machen ihre Arbeit sehr gründlich und gewissenhaft. Ja, von daher können wir eigentlich nur Positives berichten.“

Trotzdem ist nicht alles Gold in Ascheberg. Der ALDI im Ort wurde vor wenigen Wochen ausgeraubt, die Polizei verdächtigt drei Nordafrikaner. In Ascheberg ein großes Thema. Erstaunlich aber: Die meisten Menschen, mit denen wir hier sprechen, bleiben gelassen.

Passant auf der Straße: „Das sind Randerscheinungen. Aber das müssen ja nicht die sein. Und das ist ja auch nicht ermittelt worden, dass sie es sind. Also von daher...“

Reporter: „Hat sich denn für Sie was geändert die letzten zwei Jahre dadurch, dass weit über 200 Flüchtlinge hier sind?“

Passantin auf der Straße: „Nein, eigentlich nicht. Nein, kann ich nicht sagen.“

Reporter: „Hat sich für Sie irgendwas da geändert jetzt, seit die hier sind?“

2. Passant auf der Straße: „Gar nichts, nö.“

Die Armen der Gemeinde profitieren sogar von den Flüchtlingen. Etwa hier im neuen Sozialkaufhaus. Mehr als die Hälfte der Nutzer sind mittlerweile deutsche Sozialhilfeempfänger. Zudem, ein Treffpunkt.

Maria Schuhmacher, Flüchtlingshilfe Ascheberg: „Das ist jetzt nicht so, als wenn da Freundschaften entstehen würden. Aber die Deutschen und auch die Einheimischen lernen einfach mit diesem Bild der Fremden umzugehen. Und ich glaube, dass die Ängste ein ganz Stück weit sich reduziert haben.“

60 Freiwillige kümmern sich hier um 260 Flüchtlinge, auch das ein Grund für den Erfolg.

Die kleine Gemeinde hat über fünf Millionen Euro ausgegeben und wenig Unterstützung vom Bund bekommen. Umso mehr ärgert den CDU-Bürgermeister, dass im Wahlkampf über erfolgreiche Integration überhaupt nicht gesprochen wird.

Bert Risthaus (CDU), Bürgermeister Ascheberg: „Wen wollen wir denn aus der Welt haben, aus ganz egoistischen Gründen. Also Stichwort Einwanderungsgesetz, was wir brauchen. Denn wir brauchen Leute, auch hier in Ascheberg. Und die andere Frage ist: Wie regeln wir das Humanitäre?“

Reporter: „Das würden Sie auch Ihrer Bundeskanzlerin so sagen?“

Bert Risthaus, Bürgermeister Ascheberg: „Ja, gerne.“

Eigentlich ist es ein ruhiges Leben in der sächsischen Kreisstadt Borna: 19.800 Einwohner, ein schmucker Marktplatz, man kennt sich. Doch 2015 war es plötzlich vorbei mit der Beschaulichkeit. Und Bürger wie Johannes Ehrlich bekamen es mit der Angst zu tun. 640 Flüchtlinge lebten in Borna und das direkt in seiner Nachbarschaft. Ehrlich wohnt nur hundert Meter von der Flüchtlingsunterkunft entfernt und zeigt uns den Zaun, mit dem er und die Nachbarn damals den Pfad zum Heim dicht gemacht hatten.

Johannes Ehrlich: „Vor allen Dingen hatten wir Angst um die Familie, um Einbrüche und um Kriminalität, ja. Wir wollten uns ganz einfach nicht überrennen lassen.“

Deswegen klagte Ehrlich gegen die Stadt. Denn die wollte noch mehr Flüchtlinge auf dem alten Industriegelände unterbringen. Aber was ist heute, zwei Jahre später aus seinen Befürchtungen geworden?

Johannes Ehrlich: „Ich habe eigentlich nur Angst gehabt, dass wir in unserer Lebensweise eingeschränkt werden, ich sag‘s mal so, ja. Und das hat sich aber nicht bewahrheitet. Oder diese Befürchtung halt ist nicht eingetreten. Weil wir leben hier doch unser Leben in aller Ruhe und kriegen von hier drüben nur mit, wenn sie abends auf der Straße laut sind.“

Reporter: „Jetzt, nach zwei Jahren, wie sehen Sie die Klage heute? Und: Würden Sie heute noch mal klagen? Wie sieht es nach diesen zwei Jahren aus?“

Johannes Ehrlich: „Nach zwei Jahren, ich würde heute nicht wieder klagen, weil es hat sich alles anders entwickelt wie wir es damals befürchtet haben. Und deshalb keine Klage, nein.“

Amjad Alhussein zeigt, wie Integration in Borna funktionieren kann. Der junge Syrer kam 2015 über die Balkanroute hierher. Seitdem paukt er jeden Tag neue Vokabeln. Seine Wohnung hat er in eine Art Wörterbuch verwandelt. Und gerade das kleine Borna sei für ihn eine Chance.

Amjad Alhussein: „Ich hätte nach München umziehen. Dort habe ich Freunde, mein Onkel lebt dort. Ja, dort habe ich richtig Unterstützung. Aber ich habe gedacht, dass ich in Borna bin und ich kenne jetzt alle, wo ist die Jobcenter? Wie kann ich eine Bewerbung machen? Wo ist die Firmen hier? Wie kann ich weiter studieren?“

Mit 32 Flüchtlingen auf 1.000 Einwohner hatte Borna 2015 bundesweit mit am meisten Flüchtlinge aufgenommen. Die Angst von damals vor Überfremdung und Überforderung - was sagen die Menschen heute?

Frau auf dem Marktplatz: „Ich würde sagen, das ist in Borna nicht so ganz eingetreten. Wir können nicht sagen, dass es hier irgendwelche Probleme mit Flüchtlingen gab.“

2. Frau auf dem Marktplatz: „Es ist ruhig geblieben. Also da würde ich sagen, das hat sich nicht bestätigt.“

Reporter: „Wie würden Sie das Zusammenleben jetzt so bezeichnen zwischen den Bornaern und den reingekommenen Flüchtlingen?

3. Frau auf dem Marktplatz: „Ich denke eher ein Nebeneinander, nicht Miteinander, noch nicht.“

Amjad weiß, es gibt noch Ängste und Unsicherheiten bei den Menschen. Aber wie die sich abbauen lassen, das hat er selbst erlebt, beim Fußballspielen neben dem Flüchtlingsheim. Hier hat er Valentin kennengelernt, da war er gerade ein paar Wochen in Borna.

Valentin: „Es ist losgegangen, dass ich eines Tages hier rübergekommen bin zum  Fußballspielen, eigentlich mit dem Ziel, mit den Jugendlichen Fußball zu spielen.“

Amjad Alhussein: „Und Valentin hatte den Mut, mit mir zu sprechen, mit mir zu unterhalten. Und wir kennen uns und sind jetzt eine richtige Freunde. Ja, Valentin ist der beste Freund für mich hier - in Borna, genau so.“

So einfach kann Integration auch funktionieren. Man muss nur miteinander sprechen.

Georg Restle: „Und noch etwas zeigen diese beiden Städte: Da wo die meisten Flüchtlinge leben, sind die Ängste am geringsten.“

Kommentare zum Thema

  • Watzmann71 13.10.2017, 11:55 Uhr

    Schaut Euch mal das Wahlergebnis in Borna an! Aber in Eueren Bericht ist ja alles Friede Freude Eierkuchen... Der Reporter hatte wohl Tomaten auf den Augen oder wollte er nur wieder berichten, was die Politik hören will?

  • Marina Heckmann 25.09.2017, 23:20 Uhr

    hallo "Heiko"..... Selbstverständlich muss!!! ich nicht 5Tag a 14Std arbeiten (Mo/Di frei). "Wir" machen das freiwillig, zusammen mit dem ganzen Personal, weil Küchenkräfte fehlen. Ich bekomme alles vergütet. ----- Ein Restaurant, das nur 3-4Tage öffnen kann (auf Grund Personalmangel), würde untergehen. Außerdem kommen all die Feiertage: Weihnachten, Ostern Pfingsten, 1. Mai, Muttertag, Vatertag, große Geburtstage, Hochzeiten, Taufen, Kommunion, Spargel-und Wildsaison, Biergarten etc. etc. Und wo sind die "deutschen Bürger", die angeblich Arbeit suchen? Mein Sohn ist Systemelektriker in einer großen Firma, auch da sind viele Stellen unbesetzt, vor allem Ausbildungsplätze!!! Anscheinend lassen sich alle nur gern bedienen. ----- hallo "Sigrid"..... Ach so? Asylanten/Migranten/Flüchtlinge und polnische, bulgarische, rumänische Bürger (Altenpflege/Krankenpflege, Paketfahrer etc.) sind nur willkommen, weil "Deutsche" keine Aushilfskräfte sein wollen?

  • heiko 25.09.2017, 17:03 Uhr

    Marina,sie schreiben das Sie jeden Tag 14 Stunden arbeiten müssen.Das ist eine 70 Stunden Woche und Sie wundern sich noch ,daß keiner bei Ihnen arbeiten möchte?Das geht überhaupt nicht!Sie schuften sich ja zu tode?Was steht bei Ihnen den im Arbeitsvertrag.Das ist Ausbeutung der schlimsten Art.Finden Sie das noch normal?Sie sind eine Angestellte!Die Höchstarbeitszeit ist im Arbeitszeitgesetz festgelegt.(8 Stunden dürfen nicht überschritten werden)!Ausnahmen können Tage mit bis zu 10 Arbeitsstunden sein,wenn denoch im Durchschnitt pro Halbjahr die Anzahl von 8 Arbeitsstunden pro Tag nicht überschritten wird!Das ist die Gesetzeslage auch für das Gastronomie und Hotelgewerbe.Mehr als 10 Stunden in Ausnahmefällen dürfen Sie nicht arbeiten und auch nur kurzzeitig.Was Ihr Chef mit Ihnen macht ist gesetzwidrig.Machen sie sich eine genaue Auflistung,den manche Chefs bezahlen dann die Überstunden nicht!Viel Glück!