Monitor Nr. 669 vom 20.11.2014
Ausländerbehörden in Deutschland: Von wegen willkommen!
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Kommentieren [235]Bericht: Marion Schmickler, Philipp Jahn, Peter Onneken, Rabea Ottenhues
Ausländerbehörden in Deutschland: Von wegen willkommen!
Monitor. 20.11.2014. 06:37 Min.. Verfügbar bis 20.11.2999. Das Erste.
Georg Restle: „Für das Wort Toleranz gibt es im Amtsdeutsch eine ziemlich hässliche Übersetzung, und die heißt: Duldung. Für viele Flüchtlinge, die zu uns kommen, bedeutet das, niemals wirklich anzukommen. Ein Leben mit der Angst, schon morgen wieder abgeschoben zu werden. Viele Ausländerbehörden in Deutschland scheinen diese Angst regelrecht schüren zu wollen. Darüber jedenfalls berichten Flüchtlingsorganisationen immer wieder. Und auch darüber, dass ein Gang zur Ausländerbehörde für viele Flüchtlinge die reinste Tortur ist. Das sollte jetzt alles anders werden. Eine neue Willkommenskultur versprach die Bundesregierung vor einem Jahr. Aus Ausländerbehörden sollten freundliche Dienstleister werden, interkulturelle Kompetenz inklusive. Peter Onneken, Philipp Jahn und Marion Schmickler haben jetzt den Realitätscheck gemacht. Dies ist unser Beitrag zur ARD-Themenwoche Toleranz.“
Willkommen in Deutschland, in der Modell-Ausländerbehörde in Magdeburg. Hier wird Willkommenskultur erprobt, seit einem Jahr. Und es gibt erste bauliche Fortschritte.
Frank Ehlenberger, Amtsleiter Ausländerbehörde Magdeburg: „Hier sieht man noch, dass wir also den ganzen Bereich früher mit Glasscheiben letztendlich mehr oder weniger abgeschottet haben zum Kundenbereich hin. Und wenn man jetzt ein klein wenig zurückschwenken würde, dann könnte man also auch schon den neuen Bereich erkennen, wo wir im oberen Bereich zunächst erstmal die Scheiben entfernt haben.“
An zehn Standorten in Deutschland arbeiten Behörden fieberhaft an der deutschen Willkommenskultur. Und wer weiß, vielleicht werden auch dort bald die Scheiben runtergelassen. Zukunftsmusik. Den Behördenalltag erleben sie, 150 Kilometer weit entfernt im thüringischen Sömmerda. Die zwölf Männer kommen aus Eritrea, einer der schlimmsten Diktaturen der Welt. Dort - so erzählen sie uns - wurden sie gefoltert, waren in politischer Gefangenschaft. Die Chance, dass ihre Asylanträge anerkannt werden, ist sehr hoch. Ihre Flucht nach Deutschland - lebensgefährlich. Länger als ein Jahr waren sie unterwegs. Durch die Sahara und in Nussschalen übers Mittelmeer. Jeder von ihnen kennt jemanden, der es nicht geschafft hat.
Yacob, eritreischer Flüchtling (Übersetzung MONITOR): „Kurz vor der Küste in Italien sind einige von uns vom völlig überfüllten Boot gesprungen. Leute, die gerade eben noch neben mir saßen. Aber das Wasser war viel tiefer, als sie dachten. Und dann sind sie ertrunken.“
Sie sind froh, endlich in Sicherheit zu leben. Mehr wollen sie nicht. Deshalb wollen sie sich auch nicht beklagen. Gäbe es da nicht die Ausländerbehörde.
Senay, eritreischer Flüchtling (Übersetzung MONITOR): „Als ich dem Sachbearbeiter die Hand geben wollte, hat er seine zurückgezogen und sie hinter dem Rücken versteckt.“
Berhane, eritreischer Flüchtling (Übersetzung MONITOR): „Wir haben so viel durchgemacht und sind endlich in einem friedlichen Land angekommen. Jetzt müssen wir uns hier beschimpfen lassen - das tut einfach nur weh.“
Und nicht nur das: Ohne Grund wurde ihnen Geld gekürzt - statt elf Euro am Tag bekommen sie nun nur noch neun. Die Ausländerbehörde habe das so entschieden. Warum, hat ihnen keiner erklärt. Wir wollen uns selbst ein Bild machen, begleiten die Eritreer mit versteckter Kamera aufs Amt.
Sachbearbeiter: „Hallo, kommen sie rein!“
Behördenleiter: „Ich sage dem Herrn D. was, wenn sie es bitte wörtlich übersetzen, ja?“
Übersetzerin: „Sprechen Sie denn auch Englisch?“
Behördenleiter: „Wir müssen nicht, Amtssprache ist Deutsch.“
Übersetzerin: „Ja, aber…“
Behördenleiter: „Amtssprache ist Deutsch, Ende. Sie brauchen mich nicht zu agitieren.“
Der Mann ist kein einfacher Sachbearbeiter. Er ist der Amtsleiter hier.
Behördenleiter: „Und damit endet jetzt auch meine Erklärung. Irgendwann werde ich verdammt sauer, wenn ich laufend irgendwo höre, es reicht nicht, es reicht nicht. Ja? Keinerlei Einzahlung, keinerlei Leistung bisher gebracht in Deutschland, nur in Anspruch genommen, und dann ständig kommen, ich will mehr, ich will mehr und ich will noch mehr!“
Wir zeigen die Aufnahmen Georg Classen. Er ist der Experte für Asylbewerberleistungsrecht, berät Flüchtlinge in ganz Deutschland. Die Eritreer haben Recht, sagt er, Ihnen stehe wirklich mehr Geld zu. Und die Behandlung durch den Amtsleiter?
Georg Classen, Sozialrechts-Experte: „Das ist offener Rassismus hier, den der Mitarbeiter hier zu Tage trägt. Und das steht ihm auch nicht zu, derart eben die gesetzlich vorgegebenen Leistungen einfach einzuschränken nach Gutdünken.“
Berenice Böhlo ist Fachanwältin für Ausländerrecht. Das Verhalten der Behörde macht sie wütend. Sie vertritt viele Flüchtlinge, die von ganz ähnlichen Erfahrungen berichten.
Berenice Böhlo, Fachanwältin für Ausländer- und Asylrecht: „Sehr viel von dem, was in den Behörden tatsächlich sich abspielt, dringt nicht nach außen. Weil die Angst sehr, sehr stark ist, Dinge öffentlich zu machen. Das hab ich auch bei vielen Mandanten von mir genauso erlebt, dass man das nicht öffentlich machen will und eigentlich kaum auch will, dass der Anwalt, die Anwältin sich beschwert. Da herrscht eine sehr große Angst.“
So geht es auch den eritreischen Flüchtlingen in Sömmerda. Sie sprechen kaum Deutsch, wie sollen sie sich da beschweren? Von der Behörde sind sie abhängig. Denn arbeiten dürfen sie nicht. Und auch, wenn irgendwas in der Wohnung nicht funktioniert, müssen sie aufs Amt. Über den Schimmel wollen sie nicht klagen, aber wenigstens ihre Wäsche waschen.
Merhawi, eritreischer Flüchtling (Übersetzung MONITOR): „Seit wir hier sind, können wir unsere Wäsche nicht waschen. Die Waschmaschine ist seit Monaten kaputt. Sie funktioniert einfach nicht. Das haben wir dem Sachbearbeiter auch gesagt. Seine Antwort war: Ihr könnt ja mit der Hand waschen.“
Sachbearbeiter: „Und wenn er der Meinung ist, die Waschmaschine geht nicht, dann ist er zu dumm, sie anzuschalten.“
Übersetzerin: „If you say, they are not working, then you are ‘zu dumm’, too stupid?“
Behördenleiter: „Yes, too stupid!“
Übersetzerin: „Too stupid to understand.“
Behördenleiter: „Ich gebe einen freundlichen Hinweis, ja. Man möge beim nächsten Zahltag, ja, in die Kaufhalle gehen, Kaufland gibt’s in Sömmerda, da gibt’s so ein Brett. Mit so nem Blech drin, da kann man die Wäsche rumpeln in der Badewanne. Da kann er die von Hand waschen, seine Wäsche. Das Brett geht nicht kaputt. Wenn ihm das alles nicht passt, hat er die Möglichkeit, die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen.“
Georg Classen, Sozialrechts-Experte: „Das steht ihm nicht zu, das zu sagen. Das ist klar Diskriminierung, weil sie haben einen verfassungsrechtlich und europarechtlich geschützten Anspruch auf Asyl, beziehungsweise auf Prüfung des Asylanspruchs. Und solange dieses nicht geprüft ist, muss der Mensch hier sein Existenz-Minimum erhalten und hat eben nicht die Möglichkeit, Deutschland zu verlassen, sondern es wird zunächst mal geprüft, ob er einen Flüchtlingsschutz erhält.“
Willkommenskultur in Deutschland. Die Realität in den Behörden sieht oft anders aus - auch wenn davon in der Regel nichts nach außen dringt.
Georg Restle: „Willkommen in Deutschland.“
Stand: 18.01.2016, 12:01 Uhr
235 Kommentare
Kommentar 235: Jan schreibt am 15.03.2019, 20:08 Uhr :
Hihi, wenn’s die Flüchtlinge nicht gäbe würde heute noch genau so auf die Hartz4 Empfänger geschimpft.
Kommentar 234: Chris schreibt am 10.04.2017, 13:04 Uhr :
Die ganzen Ostdeutschen haben "wir" doch auch aufgenommen, oder vergisst der Amtsleiter im älteren Baujahr auch, dass er niemals was in die Kasse eingezahlt hat und später seine Pension trotzdem bekommt. Vielleicht sogar von Immigranten, die in der Zwischenzeit hier arbeiten und Ihn samt Familie im Ruhestand finanzieren.
Kommentar 233: Illoinen schreibt am 31.03.2017, 22:06 Uhr :
"Alex Gödde ", Würden keine illegalen Kriege vom Westen geführt, keine illegalen Drohnen und Bombeneinsätze geflogen, würde Deutschland nicht in alle Welt Waffen exportieren, auch an die schlimmsten Diktaturen der Welt, würden Menschen bestimmt lieber in ihrer Heimat bleiben, die der Westen aber zerstört hat. Nicht weil diese Menschen uns überfallen haben, so wie einst NS Deutschland, sondern weil wir ihnen ihre Heimat zerstören, um an die Bodenschätze, die wir im Westen zu wenig haben illegal zu kommen. Alleine seit 9/11 hat der Westen mehr als 1,3 Mio. Menschen auf Grund von Lügen getötet. Jeder Mensch der davon im Ausland betroffen ist, sollte in Den Haag gegen die Regierungen auf Schadensersatz klagen. Dagegen was der Westen den Flüchtlingen an Schadensersatz zahlen müsste, sind die Almosen ein Tropfen auf den heißen Stein dagegen. Die Verantwortlichen nach Den Haag ausgeliefert wie Bush, Clinton Blair, oder Schröder der den Völkerrechtswidrigen Krieg im Kosovo auf Grund vo ...
Kommentar 232: Alex Gödde schreibt am 10.03.2017, 00:18 Uhr :
Alle kommen nach Deutschland weil wir die einzigen Idioten sind die Bargeld auszahlen. Unverschämt was sogenannte Flüchtlinge erwarten und hemmungslos verlangen und einfordern. Den ganzen Tag Shisha rauchen und ihre Frauen kommandieren können sie am besten. Im Fernsehen werden nur Flüchtlings Schauspieler gezeigt. Die Warheit sieht keiner oder will keiner sehen, selbst Köln sollte unter den Teppich gekehrt werden.
Kommentar 231: Fingerhut, Helga schreibt am 17.02.2017, 21:12 Uhr :
In manchen Abteilungen der Ausländerbehörde mit der ich zu tun habe, kommt man sich vor, wie in der ehemaligen DDR. Schikanieren und dabei Macht ausüben. Die afghanischen Flüchtlinge und ihre Helfer sollen mürbe gemacht werden, damit sie aufgeben.
Kommentar 230: Schichtarbeiter Steuerklasse I schreibt am 17.02.2017, 12:12 Uhr :
Wer den ganzen Tag Zeit hat, kann auch ein Waschbrett zum waschen benutzen. Das habe ich in jungen Jahren auch benutzt.Woran liegt es denn?
Kommentar 229: Real Lität schreibt am 27.01.2017, 14:05 Uhr :
http://www.suedkurier.de/region/hochrhein/bad-saeckingen/Verdreckte-eingebrannte-Herde-und-abgerissene-Tueren-an-den-Waschmaschinen-in-der-Fluechtlingsunterkunft-stoeren-die-ehrenamtlichen-Helfer;art372588,8704124
Kommentar 228: Harald B. schreibt am 21.01.2017, 12:04 Uhr :
Schlimm, was ich hier an Kommentaren lese. Wer diese Wollkür gutheißt, ist dumm wie Bohnenststroh. Über die Frage wie viele Flüchtlinge Deutschland verkarfetet kann man streiten. Aber nicht über die Behandlung. Was ist daran schon toll, wenn willkürlich Leistungen verweigeret werden oder ein Amtsleiter es nicht nötig halt, sich Grundkenntnisse in Englisch anzueignen? Oder Flüchtlingen nicht mal eine Waschmaschine zugestanden wird? Es geht ja hier um keinen Schnickschnack.
Kommentar 227: Harald B. schreibt am 21.01.2017, 11:34 Uhr :
Was ist das für ein Arschloch!
Kommentar 226: Heinz Otto schreibt am 19.01.2017, 19:55 Uhr :
Der Hass und die Beschränkheit werden Deutschland noch zu Grunde richten.
Kommentar 225: Alex schreibt am 12.01.2017, 21:29 Uhr :
Ich bin stolz auf ihn, recht hat der mann. So langsam reicht es nämlich.