Pferdemist (Symbolfoto)

Pferdemist im Autotank? Elf Antworten zu Biomethan

Rhein-Kreis Neuss | Landwirtschaft

Stand: 11.07.2023, 12:30 Uhr

Pferdemist im Autotank - wie soll das gehen? In Neuss ist das längst Realität. Denn dort schiebt Landwirt Daniel Königs die tierischen Hinterlassenschaften regelmäßig in seine Biogasanlage.

Von Katja Stephan

Landwirt Daniel Königs produziert aus Pferdemist in mehreren Schritten Biomethan, das man an seiner Tankstelle als Bio-CNG tanken kann. Das Gas gilt als klimaneutraler Kraftstoff und damit als umweltschonende Alternative zu Diesel oder Benzin. Hier geht es zu Antworten auf elf der häufigsten Fragen zu Biomethan:

1. LPG, Autogas, CNG - was ist denn eigentlich der Unterschied?

Das Wichtigste vorab: Es handelt sich in allen drei Fällen um Kraftstoffe aus Gas, die herkömmlichen Sprit wie Benzin oder Diesel (teilweise) ersetzen können. Man kann gasbetriebene Fahrzeuge als Neuwagen kaufen oder nachträglich einen entsprechenden Tank einbauen lassen. 

  • LPG - übersetzt Liquefied Petroleum Gas - wird auch als Autogas bezeichnet und ist flüssig. Es fällt bei der Verarbeitung von Rohöl an.
  • CNG steht für Compressed Natural Gas. Es handelt sich um komprimiertes Erdgas und wird als Gas im Tank gespeichert.
  • Bio-CNG ist quasi die umweltfreundliche Alternative dazu: Es hat die gleichen Eigenschaften wie Erdgas, wird aber aus Rohbiogas und damit aus nachwachsenden Rohstoffen wie Gülle, Pferdemist oder Mais gewonnen. Der Großteil der CNG-Tankstellen bietet mittlerweile Bio-CNG an.

Laut des Branchennetzwerkes Zukunft Gas e.V. fahren in Deutschland rund 400.000 Fahrzeuge mit Gasantrieb. Der Großteil davon tankt Autogas, also LPG. Nur rund 70.000 Fahrzeuge nutzen CNG als Kraftstoff.

2. Ich bin auf ein Fahrzeug angewiesen, möchte aber möglichst wenig CO2 ausstoßen. LPG oder CNG - was ist besser für die Umwelt?

Beide Kraftstoffe sind laut ADAC grundsätzlich umweltschonender als Diesel oder Benzin. Der Fachverband Zukunft Gas e.V. gibt an, dass sich mit LPG bis zu 14 Prozent CO2 einsparen lässt im Vergleich zu herkömmlichem Benzin.

Tankt man CNG, wird je nach Biogas-Beimischung bis zu 35 Prozent weniger CO2 ausgestoßen. Und wer komplett auf Bio-CNG zurück greift, der fährt sogar klimaneutral. Denn das wird aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt.

Mehr über das Thema CNG-Trecker und über Landwirt Daniel Königs gibt es bei "Lokalzeit Land.Schafft.":

3. Kann ich (Bio-)CNG in Deutschland und in Europa tanken?

Es gibt in ganz Deutschland rund 800 Tankstellen, an denen man CNG tanken kann. Eine gute Übersicht gibt es auf gibgas.de oder auch beim ADAC Tankstellenfinder. Wer ins Ausland reist, der wird zumindest in Norditalien und der Schweiz keine Probleme haben, eine Tankstelle zu finden.

Es ist aber ratsam, die Fahrstrecke im Voraus zu planen, auch im Hinblick auf notwendige Adapter für die Zapfsäulen. Zudem weist der ADAC darauf hin, dass die Zahl der CNG-Tankstellen in Deutschland rückläufig sei.

4. Lohnt sich ein CNG-Antrieb finanziell?

Blickt man auf die Kosten an der Zapfsäule, dann lässt sich diese Frage mit Ja beantworten. Ein Beispiel: In Köln lag der Preis für ein Kilogramm CNG Anfang Juli zwischen 93 Cent und 1,20 Euro. Durchschnittlich verbraucht ein CNG-Fahrzeug fünf Kilogramm auf 100 Kilometer. Zum Vergleich: Ein Liter Super kostete zur gleichen Zeit zwischen 1,75 Euro und 1,80 Euro.

Aber: Ein CNG-Fahrzeug ist teurer in der Anschaffung, von einer Nachrüstung ganz zu schweigen. Außerdem geht der Trend eindeutig in Richtung Elektromobilität, was den Wiederverkaufswert drückt.

5. Produzieren Biogasanlagen nicht in erster Linie Strom und Wärme und eher selten Kraftstoff?

Das stimmt. Aus dem Biogas wird in der Regel in einem angeschlossenen Blockheizkraftwerk Strom und Wärme gewonnen, um damit zum Beispiel ein nahe gelegenes Schwimmbad zu heizen.

Oder das Biogas wird aufbereitet und dann ins Erdgasnetz eingespeist. Das passiert in NRW aktuell aber nur in 17 Anlagen - von fast 1000. Denn die Aufbereitung lohnt sich erst ab einer bestimmten Anlagengröße und ist mit vielen Auflagen verbunden ist. Dass man Biogas als Bio-CNG direkt vor Ort tanken kann, kommt sehr selten vor.

6. Werden die meisten Biogasanlagen in Deutschland nicht eher mit Mais oder Getreide betrieben?

Das stimmt. Die Verwendung von Pferdemist ist technisch nicht ganz so einfach und deshalb (noch) eher selten. 2021 gab es laut Fachverband Biogas deutschlandweit fast 10.000 Biogasanlagen, davon knapp über 1000 in Nordrhein-Westfalen.

Die meisten nutzen nachwachsende Rohstoffe wie Silomais oder Gras zur Biogasproduktion und stehen damit immer häufiger in der Kritik. Denn sie verwenden ihre Anbauflächen nicht, um Nahrungsmittel zu produzieren, sondern um daraus Strom, Wärme oder Kraftstoff herzustellen.

Diese Diskussion, auch bekannt unter dem Stichwort "Tank statt Teller", sorgt dafür, dass zunehmend auch andere Rohstoffe wie Gülle, Pferdemist, aber auch organische Abfälle in Biogasanlagen verwendet werden.

7. Was sind die Nachteile von Biogasanlagen?

Neben der Kritik, dass teilweise Nahrungsmittel verwendet werden, um Strom zu produzieren, gibt es auch noch andere Nachteile. So kann es für Anwohner zu Geruchsbelästigungen kommen.

Der Umgang mit dem brennbaren Biogas und mit wassergefährdenden Stoffen wie Gülle und Gärresten führte laut Umweltbundesamt zudem in der Vergangenheit zu Unfällen. Deshalb gelten hohe Auflagen, abhängig von der Größe der Anlage. 

8. Wenn ich die Biogasanlage mit Pferde- oder Kuhmist "füttere", verliere ich dann nicht natürlichen Dünger für die Felder?

Nein. Denn in der Biogasanlage entsteht bei der Fermentation von Pferdemist und Gülle nicht nur Biogas. Übrig bleiben auch die so genannten Gärreste. Die können dann die Landwirte auf ihren Feldern wieder als Dünger verwenden.

9. Warum ist das Biomethan, das Daniel Königs produziert, CO2-positiv?

Die Pflanzen, die auf dem Feld wachsen, binden CO2. Bei der Vergärung in der Biogasanlage beziehungsweise anschließend bei der Aufbereitung zu Biomethan wird dieses CO2 wieder freigesetzt. Es wird aber kein zusätzliches CO2 produziert. Das nennt man klimaneutral.

Beim natürlichen Abbau von Mist und Gülle wird Methan freigesetzt, das 23 Mal klimaschädlicher ist als CO2. Findet dieser Abbauprozess in den Ställen statt, entweicht das Methan in die Atmosphäre. In Biogasanlagen hingegen wird es aufgefangen und verbrannt. Dabei entsteht Energie und CO2.

Durch die energetische Nutzung von Gülle und Mist werden nicht nur fossile Quellen ersetzt, es werden auch Methanemissionen vermieden. Deshalb ist das Biomethan CO2-positiv. Bei dieser Berechnung sind Emissionen, die unter anderem durch Tierhaltung und Transport verursacht werden, laut Fachverband Biogas bereits mit eingerechnet. 

10. Könnte man das CO2, das bei der Aufbereitung entweicht, nicht auch noch irgendwie nutzen?

Das kann man und das passiert auch bereits. Vor allem in der Getränkeindustrie ist die Nachfrage nach CO2 in Form von Kohlensäure aktuell groß. Auch in Gewächshäusern wird Kohlenstoffdioxid verwendet, damit die Pflanzen schneller wachsen.

11. Warum wird diese Technologie nicht mehr gefördert?

Die Aufbereitung von Biogas zu Biomethan ist momentan noch sehr teuer. Sie hat sich bisher auch nicht aufgedrängt, weil sich für die Landwirte die Stromproduktion dank der Einspeisevergütung im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes finanziell rechnete. Das ändert sich jetzt, weil in der neuen Vergütungsphase die Sätze in der Regel niedriger ausfallen. Zudem ist die Nachfrage nach Gas gestiegen.

Relativ neu ist die Idee, sogenannte Cluster zu bilden. Hier schließen sich mehrere Biogasanlagenbetreiber zusammen und bereiten das Biogas in einer gemeinsamen Anlage zu Biomethan auf, das spart Kosten.

Im Hinblick auf die Förderung von Bio-CNG als Kraftstoff kann Andrea Horbelt vom Fachverband Biogas die aktuelle Entwicklung nicht nachvollziehen: "Es wird viel zu einseitig auf E-Mobilität gesetzt. Da fehlt von staatlicher Seite einfach das Signal, dass Bio-CNG ein zukunftsfähiger Kraftstoff ist."

Die Folge ist eine Kettenreaktion: Die Verbraucher zögern bei dieser Art des Antriebs, die Hersteller produzieren keine entsprechenden Neuwagen, die Zahl der Tankstellen nimmt ab. Natürlich könne dieser Kraftstoff die Elektromobilität nicht ersetzen, aber er sei durchaus eine klimafreundliche Ergänzung - und vor allem stehe er jetzt zur Verfügung, er sei erprobt und sofort verfügbar, so Horbelt.

CNG vs. Diesel - welcher Trecker kann mehr? Das testet Host Marie Hoffmann zusammen mit Landwirt Daniel König in Neuss in einer neuen Folge Land.Schafft.