Landwirt Andreas Becker steht im Hofladen vor seinem selbstgepresstem Hanföl

Landwirt presst Hanföl selbst

Rhein-Sieg-Kreis | Landwirtschaft

Stand: 14.04.2023, 15:41 Uhr

Wie kommt eigentlich das Öl in die Flasche? Diese Frage wird nur in seltenen Fällen damit beantwortet, dass ein Landwirt das Öl selbst herstellt. In Niederkassel findet man das aber.

Von Katja Stephan

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Öl aus Cannabis

Andreas Becker öffnet den Schieber an seinem Silo. Laut rauschen Samen in den grünen Eimer, den Becker darunter hält. Es sind Hanfsamen, der lateinische Begriff: Cannabis. Er lässt die Samen durch seine Finger gleiten. Gleich wird er sie in seine Ölmühle füllen, um daraus Hanföl zu produzieren. Doch noch wartet jede Menge andere Arbeit auf den Landwirt aus Niederkassel. Denn Andreas Becker betreibt nicht nur Ackerbau. Er ist auch Direktvermarkter - und musste dafür einige Hürden überwinden.

Hanfsamen liegen auf einer Handinnenfläche.

So sehen Hanfsamen aus

Der Hof, den er von seinem Vater übernommen hat, liegt zwischen Köln und Bonn und ist umgeben von Wiesen und Feldern. Auf 180 Hektar baut der Agrarbetriebswirt überwiegend Zuckerrüben, Weizen und Gerste an. So, wie es schon immer war. Doch das ist längst nicht mehr alles. Einen kurzen Fußweg vom Hof entfernt stehen drei grüne Container mitten auf der Wiese. Es sind mobile Hühnerställe. 1350 Legehennen hält der Landwirt hier. Sie produzieren rund 1000 Eier. Täglich. (In dieser YouTube-Folge von Lokalzeit Land.Schafft. findet ihr noch mehr Infos zum Thema Hühnerhaltung).

Auf einer Wiese laufen etwa 30 Hühner durch die Gegend

Um die Eier zu vermarkten, investierte Andreas Becker zunächst in einen Verkaufsautomaten. Weil das Geschäft gut lief, kamen im Laufe der Zeit noch sechs weitere Automaten hinzu. Dann war plötzlich zu viel Platz im Automaten - und die die Idee von der Ölmühle geboren.

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Wenig Ölmühlen, viele Hanfbauern

Laut Jan-Malte Wichern von der Landwirtschaftskammer NRW gibt es keine offiziellen Zahlen dazu, wie viele Landwirte eine eigene Ölmühle betreiben. Er vermute jedoch es seien nur wenige Betriebe. Neben den hohen Anschaffungskosten muss man das Öl auch selbst vermarkten. Deshalb verkaufe der Großteil der Landwirte seine Ernte eher an industriell arbeitende Ölmühlen.

Bis zur Ölproduktion im eigenen Betrieb musste Andreas Becker einige Hürden nehmen. Zunächst ließ er Raps, den er selbst angebaut hatte, in einer kleinen Mühle im Westerwald pressen. Dort war er schnell von der Technik begeistert, recherchierte monatelang, holte sich Tipps und Ratschläge - und kaufte schließlich eine eigene Ölmühle. Gleichzeitig entschied er, auch andere Saaten anzubauen, um das Angebot nach und nach zu erweitern. So kam jedes Jahr eine neue Ölsaat hinzu, darunter auch Cannabis.

Vom Ackerbauern zum Ölmüller - dafür erntete Andreas Becker auch schon mal skeptische Blicke. Und er erinnert sich noch gut an den Sommer 2019, als auf seinen Feldern die ersten Cannabispflanzen wuchsen.

Der Anbau von Nutzhanf ist in Deutschland zwar erlaubt, unterliegt aber dem Betäubungsmittelgesetz. Er hat einen wesentlich niedrigeren THC-Gehalt als Marihuana, das als Rauschmittel verwendet wird. Der Wert wird regelmäßig kontrolliert. Andreas Becker ist mit dem Anbau von Nutzhanf nicht allein: In NRW setzten im vergangenen Jahr 62 Landwirte auf die Pflanze. Dabei gab es laut Bundesamt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) 2022 einen neuen Rekord: Auf fast 7000 Hektar bauten Landwirte in ganz Deutschland Nutzhanf an. Damit habe sich der Anbau innerhalb der letzten fünf Jahre mehr als verdoppelt. NRW lag mit 333 Hektar im Mittelfeld.

Wie sieht es in der Ölmühle aus?

00:28 Min. Verfügbar bis 14.04.2025

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Nach Einbruch: Hofladen

Becker ist mittlerweile damit beschäftigt, die Regale in seinem Hofladen aufzufüllen. Die Eier, die er heute Morgen gesammelt hat, sind schon da, in handliche Zehnerkartons verpackt. Der Landwirt stellt mehrere braune Glasflaschen dazu, die Etiketten hat sein Mitarbeiter drauf geklebt. Hanföl, Leinöl, Senföl - alle Saaten selbst angebaut und kalt gepresst. Nachdem in die Verkaufsautomaten eingebrochen wurde, verkauft der Landwirt seine Produkte im Hofladen. Zusätzlich hat er unter anderem noch Kartoffeln, Obst und Milch von benachbarten Betrieben im Angebot. Seine Speiseöle liefert er außerdem an fast 100 Einzelhändler in der Region.

Aus dem reinen Ackerbaubetrieb ist ein Geschäft mit vielen Standbeinen geworden. Das war so nicht geplant - und es war auch nicht immer einfach: "Wir haben am Anfang der Umstrukturierung wahnsinnig viel gearbeitet, sechseinhalb Tage die Woche 12 bis 13 Stunden am Tag. Wenn die Kinder im Bett waren, haben wir die Automaten aufgefüllt. Das war schon eine Durststrecke", sagt Andreas Becker. Aber er ist froh, dass er den Weg gegangen ist. "Ich musste raus aus der Komfortzone, mich in völlig neue Themen einarbeiten. Aber das macht mir Spaß. Und ich finde es toll, ein Produkt von der Aussaat bis zum Verkauf komplett selbst herzustellen. Das macht mich auch ein wenig stolz."