Düngen mit Gülle: Die wichtigsten Fragen und Antworten
Recklinghausen | Landwirtschaft
Stand: 23.02.2024, 08:46 Uhr
Für manche ist es die "frische Landluft", für andere ein beißender Gestank. Gülle auf den Feldern stinkt oft zum Himmel. Wie kann man das vermeiden? Und belastet Gülle trotz klarer Regeln das Grundwasser? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema Gülle.
Von Stefan Weisemann
Was genau ist Gülle?
Gülle ist eine Mischung aus Urin und Kot von Schweinen und Kühen. Darin gelöst sind Nährstoffe und Mineralstoffe, vor allem Stickstoff, Phosphat, Kalium und Magnesium. Den Stickstoff brauchen die Pflanzen zum Beispiel, um Proteine zu bilden. Das wiederum hilft beim Aufbau von Blättern und Trieben. Kurzum: Gülle ist ein echter Powerstoff für die Pflanzen auf dem Feld.
Wie wird die Gülle auf die Felder gebracht?
Der Güllewagen, der wild um sich spritzt. Daran denken immer noch viele, wenn es ums Düngen der Felder geht. Diese Technik des Düngens ist allerdings nur noch unter bestimmten Umständen erlaubt. Landwirte nutzen sie nur noch selten, weil sie auch nicht besonders effizient ist. Schließlich sollte die Gülle möglichst nah und schnell am und im Boden verteilt werden.
Deshalb hängen hinter den Gülletanks mittlerweile oft Geräte mit breitem Gestänge und vielen Schläuchen. Über diese Schläuche wird die Gülle direkt an den Pflanzen verteilt. Teilweise schlitzen die Geräte zusätzlich ein kleines Loch in den Boden, damit die Gülle direkt versickert.
Landwirte dürfen ihre Felder allerdings nicht zu jeder Zeit mit Gülle düngen. Es gibt bestimmte Sperrfristen. Sie variieren, je nachdem was, wann und wo angebaut wird. Der 31. Januar gilt in der Landwirtschaft traditionell als "Güllesilvester", denn ab dem 1. Februar enden in der Regel die Sperrfristen. In diesem Jahr kommt das Wetter den Landwirten aber dazwischen: Die Felder waren noch zu nass. Eine Geduldsprobe für Landwirte wie Jan Bromenne aus Haltern am See. Wie es aussieht, wenn er es trotzdem probiert und ob es klappt, ist in dieser Folge von WDR Lokalzeit Land.Schafft zu sehen.
Warum stinkt Gülle? Und wie lässt sich das verhindern?
Gülle ist also sehr reichhaltig. Muss sie aber auch unbedingt riech-haltig sein? Schuld am Gestank ist das Ammoniak in der Gülle. Wenn es flüchtig wird, fängt die Luft an zu müffeln. Das ärgert die Nachbarn, aber auch den Landwirt. Denn alle Nährstoffe, die in die Luft gehen, kommen nicht da an, wo sie hinsollen: an den Wurzeln der Pflanzen.
"Wie stark es beim Düngen stinkt, hängt unter anderem vom Wetter ab", sagt Dr. Horst Gömann, Agrarwissenschaftler bei der Landwirtschaftskammer NRW. "Bei Sonnenschein und Wind stinkt es stärker, bei leichtem Nieselregen werden die Nährstoffe dagegen schneller in den Boden gewaschen, es entsteht weniger Ammoniak."
Die Landwirtschaftskammer NRW testet außerdem ein neues Verfahren: das Ansäuern. Die Gülle bekommt einen Schuss Schwefelsäure. Dadurch verändert sich der pH-Wert in der Gülle, anstatt Ammoniak entsteht Ammonium. Das entweicht nicht und stinkt deshalb auch nicht. In einer Studie der Universität Bonn sind die Ammoniak-Ausdünstungen so um 40 Prozent zurückgegangen. Mehr zur Ansäuerung der Gülle mit Schwefelsäure gibt es bei WDR Lokalzeit Land.Schafft.
Die Ansäuerung ist allerdings noch in der Testphase und sehr teuer, ohne Förderung könnten sich das die meisten Landwirte nicht leisten. Daher gilt vorerst vor allem: Umso besser und schneller die Gülle in den Boden eingearbeitet wird, desto weniger stinkt sie.
Welche Vorschriften gibt es beim Düngen?
Wann wo wie viel Dünger auf die Felder darf, regelt die Düngeverordnung. In 15 Paragrafen und neun Anlagen. Sie wurde zuletzt deutlich verschärft. Von der Ernte der letzten Hauptfrucht bis Ende Januar dürfen Landwirte nicht düngen, es gibt aber auch Ausnahmen und viele weitere Einschränkungen: Zum Beispiel, wenn der Feldboden gefroren ist oder dort tiefe Pfützen stehen. Der Boden könnte die Gülle so schließlich gar nicht aufnehmen.
Auch Bäche, Flüsse, Seen und Teiche sollen keine Gülle aufnehmen. Deshalb müssen Landwirte beim Düngen bestimmte Abstände zu Gewässern einhalten. Bei einem Feld an einem Hang zum Beispiel bis zu zehn Meter, bei ebener Fläche und moderner Technik teilweise nur einen Meter.
Außerdem ist genau vorgeschrieben, wie viel organischer Dünger auf einem Feld verteilt werden darf. Beim Stickstoff zum Beispiel liegt der maximale Wert bei 170 Kilogramm Stickstoff pro Hektar im Jahr. In Gebieten mit viel Nitrat im Boden, sogenannten "roten Gebieten" liegt die Grenze um 20 Prozent niedriger. Das betrifft viele Landwirte: Nach Vorgabe der EU-Kommission wurde die Fläche an "roten Gebieten" vorletztes Jahr verdreifacht. Seitdem gilt für ein Drittel der Landwirtschaftsflächen in NRW: Zu viel Nitrat im Boden, weniger Dünger erlaubt.
Ist das Düngen mit Gülle umweltschädlich?
"Grundsätzlich nicht", sagt Agrarwissenschaftler Gömann, "nur zu viel ist zu viel". Früher gab es auf den Feldern in NRW durchaus eine "Überdüngung", meint er. Dank neuer Technik und Methoden beim Düngen sei das mittlerweile aber nicht mehr so. "Es braucht weniger Düngung bei recht stabilen Erträgen, weil die Ausbringung des Düngers effizienter ist", sagt Gömann. Natürlich nur, wenn Landwirte die Grenzwerte einhalten und keine Gülle in Gewässer gelangt.
Genau da liegt das Problem. Nicht jeder Landwirt hält sich an die Regeln, immer wieder werden "schwarze Schafe" von den Kontrolleuren der Landwirtschaftskammern erwischt, die zu viel düngen oder nicht auf umliegende Bäche achten. Die Folge: Zu viel Nitrat im Trinkwasser.
Die Umweltschützer der VSR Gewässerschutz untersuchen regelmäßig die Wasserqualität in NRW und veröffentlichen ihre Ergebnisse für einzelne Städte und Kreise. Im Kreis Heinsberg zum Beispiel haben sie in mehr als der Hälfte der untersuchten Brunnen zu viel Nitrat im Wasser festgestellt. Das ist an sich erst einmal nicht schädlich für den Menschen. Kann es aber bei der Verdauung werden: Dabei kann nämlich Nitrat in Nitrit umgewandelt werden. Durch Nitrit können krebserregende Stoffe entstehen.
Auch andere Umweltschützer gucken kritisch auf die Landwirtschaft. Greenpeace sagt dazu ganz plakativ "Gülle im Wasser ist Scheiße". Die Umweltschützer fordern, dass das Düngen noch stärker beschränkt und auch kontrolliert wird. Für sie ist das größte Problem die Massentierhaltung, bei der ganz naturgemäß viel Gülle entsteht.
Gibt es Alternativen zur Gülle?
Eigentlich nur eine und die ist Mist. Also der Mist von Schweinen, Rindern und Co. Beim Mist kommt zum Urin und Kot der Tiere noch Stroh dazu. Wirklich umweltverträglicher als Gülle ist aber auch Mist nicht. Denn wie viel Nitrat am Ende ausgewaschen wird, hängt davon ab, wie viel die Pflanzen und der Boden aufnehmen können. Das muss der Landwirt vor dem Düngen richtig berechnen und sich an die Vorschriften halten.
Die Umstellung auf Mist wäre ohnehin für viele Landwirte auch nicht kurzfristig machbar. Viele setzen auf Spaltenböden in den Ställen, durch die Urin und Kot hindurchfallen und darunter gesammelt werden. Stellt man auf Mist um, müssten die Tiere dagegen auf Stroh gehalten werden. Höherer Aufwand und höhere Kosten wären die Folgen.
Ohne Gülle auszukommen, ist also schwierig. Mit weniger auskommen, ist dagegen möglich. Unter anderem setzen einzelne Höfe teilweise auf regenerative Landwirtschaft. Die Böden werden dabei das ganze Jahr über bepflanzt und stärker sich selbst überlassen. Der Landwirt muss weniger düngen, im Gegenzug allerdings auch Pflanzenschutzmittel Glyphosat einsetzen. Wie die regenerative Landwirtschaft funktioniert, zeigen wir bei WDR Lokalzeit Land.Schafft.
Was passiert mit Gülle, die nicht zum Dünger wird?
Eigentlich ist Gülle Teil eines funktionierenden Kreislaufs. Sie wird auf die Felder gebracht und sorgt dort dafür, dass die Pflanzen wachsen. Diese Pflanzen werden teilweise an Tiere verfüttert, die dann wieder neue Gülle produzieren. Durch intensive Tierhaltung, weniger Ackerfläche und die erhöhten Nitratwerte im Boden fällt an vielen Orten aber mittlerweile mehr Gülle an, als auf die Felder gebracht werden kann.
Auf der anderen Seite gibt es Gegenden, in denen die Gülle gebraucht wird. "Unter dem Strich haben wir eher Gülleknappheit", sagt Experte Gömann. Deshalb wird die Gülle in Tanklastern in andere Gegenden gefahren, nach Mitteldeutschland zum Beispiel, "Gülletourismus" kritisieren die Umweltschützer des BUND.
Teilweise werden mit überschüssiger Gülle auch Biogasanlagen betrieben. Energie für Maschinen statt Energie für Pflanzen also. "Das lohnt sich aber nur für sehr große Höfe mit hunderten Tieren", sagt Gömann, "außerdem ist Gülle kein besonders großer Energieträger".