Heute ist Erntetag auf der Minifarm von René Papier in der Dortmunder Innenstadt. Der 58-Jährige trägt schwarze Gummihandschuhe und ein Tablett. Darauf: unzählige grüne Pflänzchen. Papier legt sie auf einem Tisch ab und schneidet die Pflänzchen mit einem langen Messer knapp über der Wurzel ab. Zurück bleiben kurze lila Stummel. Die Pflänzchen sammelt Papier in einer Box.
Microgreens aus Dortmund: Regionales Superfood
Was im ersten Moment so aussieht wie unzählige Kleeblätter, sind sogenannte Microgreens: wenige Zentimeter hoch gekeimte Kräuter oder Gemüsepflanzen mit nur zwei bis drei Blättern. Mit einem Microgreen ist dabei fast jeder schon einmal in Kontakt gekommen: Kresse. Das Superfood verleiht Salaten und anderen Gerichten aber nicht nur mehr Farbe und sieht nett aus.
Auch laut Verbraucherzentrale stecken in den gekeimten Pflanzenzwergen viele Vitamine und Nährstoffe. Teilweise sei die Konzentration sogar höher als in ausgewachsenem Gemüse. Aber wie bereitet man die kleinen Pflänzchen zu? Beliebt sind sie zum Beispiel als Zutat in Salaten. Ersetzen können Microgreens normales Gemüse allerdings nicht, sagt die Verbracherzentrale Bremen. Ihnen fehlt es an Ballaststoffen.
Stadtfarmer Papier baut in seinem Microgreen-Start-Up in Dortmund verschiedenste Gemüsesorten an: Lauch, Radieschen, Koriander oder Rotkohl - alles im Kleinformat. Auf etwa 45 Quadratmetern wachsen die Keimlinge in Regalen übereinander. Diese Anbaumethode nennt sich Vertical Farming, auf deutsch "vertikale Landwirtschaft", mehr dazu lest ihr hier. Eine von vielen kreativen Neuerungen in der sich immer weiter verändernden Landwirtschaft. Nur etwa zwei Wochen dauert es, bis aus den Samen auf Papiers Minifarm kleine Pflänzchen gewachsen sind. Dann sind die Microgreens reif für die Ernte.
Minifarm muss umziehen
Jede Woche beliefert Papier rund 25 Restaurants und Abo-Kunden. Vor drei Jahren fing der gelernte Koch in seinem Keller an, das Superfood anzubauen. Inzwischen ist das Start-Up gewachsen und in größere Räume in der Dortmunder Innenstadt gezogen. Papier konnte sogar einen Mitarbeiter einstellen - einen ehemaligen Langzeitarbeitslosen. Ihm gelang durch die Stelle bei Papier der Wiedereinstieg ins Berufsleben. Das Start-Up wächst, doch trotzdem blickt Papier mit Sorgen in die Zukunft.
Denn zum Jahresende wurde der Mietvertrag seiner Mini-Farm gekündigt. "Wir wollen natürlich in Dortmund bleiben und suchen intensiv nach neuen Räumen. Aber es ist schwer." Die Indoor-Farm ist mehr als nur ein Job für ihn. Papier will mit ihr die Zukunft mitgestalten und besser machen.
Ein Farmer auf Mission
"Ich glaube, es ist ein riesiges Problem, dass wir unsere Städte planen, aber nicht planen, wo das Essen herkommt. Wir müssen Lebensmittel wieder näher an den Verbraucher bringen", sagt er. Regionale Lebensmittel seien ein wichtiger Baustein für den Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Gesundheit.
Es ist kein Zufall, dass Papier gerade in Dortmund dafür viel Potenzial sieht. Die Stadt hat kürzlich 1,1 Millionen Euro für die Förderung regionaler und nachhaltiger Lebensmittel bekommen. Seit 2022 findet jedes Jahr die VertiFarm-Messe in Dortmund statt, die Innovationen im Bereich des Vertical Farmings präsentiert.
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Bei Papier kommt gerade die nächste Bestellung rein. "50 Gramm Lauch und nochmal 10 Gramm Melisse", wiederholt Papier am Telefon. "Hast du auch Fenchel und Kresse?", fragt der Kunde. Hat er. Kurzfristige Aufträge sind Routine auf Papiers Minifarm. Am gleichen Abend liegt das Minigemüse schon in den Dortmunder Restaurants auf dem Teller.
Über dieses Thema haben wir auch am 28.11.2024 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Dortmund, 19.30 Uhr.