
Feiern mit Behinderung? Warum ein Rollstuhl kein Party-Stopper ist
Landkreis Heinsberg | Füreinander
Stand: 27.02.2025, 17:32 Uhr
Ist der rheinische Karneval auch etwas für Menschen, die körperlich oder geistig eingeschränkt sind? In Hückelhoven fühlen Menschen mit Behinderung dem Karneval auf den Zahn. Einer von ihnen ist Fabian Strohschein. Er lebt in der Lambertus-Pflegeeinrichtung und bringt als Sänger und Social-Media-Reporter den Karneval in Pflegeeinrichtungen und ins Netz. Wie sieht sein Fazit aus?
Von Thomas Wenkert
Mit grimmiger Miene blickt der Schiffskapitän aus dem Spiegel zurück. Lange kann Fabian Strohschein den ernsten Blick aber nicht aufrecht halten. In seiner Verkleidung will er gleich auf der kleinen Bühne in der Lambertus-Pflegeeinrichtung den Schlager "An der Nordseeküste" singen. Lampenfieber? Keine Spur. Schließlich lebt der 46-Jährige, der seit einem Unfall seine Arme nicht mehr bewegen kann, seit fünf Jahren selbst in der Einrichtung. Außerdem hat Strohschein den Karneval lieben gelernt. Gerade deshalb wünscht er sich noch mehr Teilhabe.
Hückelhoven: Karneval für alle!
Immer mehr Karnevalshochburgen bemühen sich bereits, Menschen mit körperlichen oder geistigen Einschränkungen mehr einzubinden. Die Aktion "Karneval für alle" vom LVR organisiert beispielsweise spezielle Angebote für blinde, gehörlose oder auf den Rollstuhl angewiesene Menschen. Der Bedarf ist groß. Schließlich leben laut Statistischem Landesamt allein in NRW fast zwei Millionen Menschen mit einer Behinderung. Auch deshalb hat sich die Lambertus-Pflegeeinrichtung für diese Karnevals-Session etwas Besonderes überlegt.
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"Ich denke, dass noch mehr gemacht werden muss. Gerade bei den Sitzplätzen gibt es immer wieder Schwierigkeiten, wegen der Rollstühle", erzählt der 46-Jährige auf einem Flur der Pflegeeinrichtung. Vom anderen Ende dröhnt laute Karnevalsmusik. Jeden Mittwoch veranstaltet die Einrichtung eine eigene Karnevalssitzung.
Fabian Strohschein sorgt dabei nicht nur auf der Bühne für gute Stimmung, sondern auch hinter der Kamera. Denn das in diesem Jahr gestartete Projekt "Karneval Miteinander" ist breit angelegt. Neben den eigenen Feiern wollen die Organisatoren möglichst viele Menschen über Barrierefreiheit im Karneval aufklären. Dafür berichtet Strohschein in Facebook-Videos nicht nur von den eigenen Sitzungen, sondern auch von anderen besuchten Events. "Karneval ist für Menschen mit Handicap eine Chance, wieder ins normale Leben zurückzukommen", sagt der gelernte Jugend- und Heimerzieher.
Fabian Strohschein als "Chef-Reporter" beim Projekt "Karneval miteinander"
00:40 Min.. Verfügbar bis 28.02.2027.
Hilfe bekommt er dabei von Markus Kremers. Kremers arbeitet in der Lambertus-Pflegeeinrichtung, ist aktiver Karnevalist und hatte die Idee zum Projekt "Karneval Miteinander". "Der Karneval ist eine große Gemeinschaft. Da ist es egal, wie man aussieht, wo man herkommt. Oder ob man ein Handicap hat", sagt er. Es hieße ja sowieso: "Jeder Jeck ist anders."
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Durch seine Arbeit als Karnevals-Multiplikator in den Sozialen Medien kommt Fabian Strohschein viel herum. Er lernte unter anderem das Kölner Dreigestirn kennen und war hautnah beim Bau eines Karnevalswagens dabei. Ausgerechnet als Norddeutscher.
Karneval als Medizin
Der 46-Jährige ist inzwischen im kleinen Veranstaltungsraum angekommen. Etwa 50 Bewohner verschiedenen Alters sitzen an den runden Tischen, schunkeln und singen mit. Neben Senioren leben auch jüngere Menschen mit Behinderung in der Einrichtung. Insgesamt betreuen die Pfleger rund 200 Menschen in Hückelhoven.

Fabian Strohschein bei einem seiner Auftritte
Auf dem Stuhl neben Fabian Strohschein wippt Markus Hardenack mit der Hand zum Takt der Musik. 2013 war der heute 61-Jährige noch Karnevalsprinz von Mönchengladbach. Nach mehreren Hirnschlägen nimmt der ehemalige Neurochirurg den Karneval anders wahr. "Karneval ist ein integraler Bestandteil meines Lebens. Ohne Karneval könnte ich nicht überleben", sagt Hardenack. Er klingt sehr ernst dabei und seine Augen füllen sich mit Tränen.
Markus Hardenack erzählt, wie wichtig Karneval für ihn ist
00:12 Min.. Verfügbar bis 28.02.2027.
Auf der Bühne singt da gerade der Leiter der Lambertus-Pflegeeinrichtungen, Markus Balls, einen Schlager aus den 60er-Jahren. "Wir müssen aus den Löchern raus. Wir müssen zeigen: Das sind unsere Freunde, unsere Menschen, mit denen wir feiern wollen. Feiert einfach mit", sagt er nach seinem Auftritt. In der Zwischenzeit hat sich Fabian Strohschein schon auf die Bühne gewagt. Und aus den Boxen schallen die ersten Töne von "An der Nordseeküste".
Über dieses Thema haben wir am 25.02.2025 im WDR Fernsehen berichtet: Lokalzeit aus Aachen, 19.30 Uhr.