Hüpfen, Hocken, Karnevals-Hits: Wie die Rhythmussportgruppe Jecken Beine macht
Stand: 12.02.2024, 08:36 Uhr
Neun studierte Musiker in hellblauen Trikots, kurzen schwarzen Sporthosen und Ringelsocken stehen auf der Bühne. In die Hocke! Aufspringen! Hoch die Arme! Hüpfen! Die Rhythmussportgruppe feiert Karneval wortwörtlich mit Pauken und Trompeten.
Von Daniela Partenzi
Kreischende Krümelmonster
Sänger Jeffrey Amankwa springt auf die Box: "Eins, zwei, drei …" Die Band setzt an und noch bevor der zweite Takt ihres Liedes "Meine Freunde" gespielt ist, explodiert die Stimmung im Louisiana auf der Bolkerstraße in der Düsseldorfer Altstadt. Mädchensitzung der Katholischen Jugend. Die ganze Hütte hüpft und tanzt. "Die sind die Besten", schwört ein Reh. "Die Allerbesten", ergänzt die Giraffe an ihrer Seite: "Wir sind mit der Tanzgarde ständig unterwegs im Karneval, wir sehen viel und die sind wirklich der Hammer!" Die - das ist die Rhythmussportgruppe. Neun Musiker zwischen 29 und 39 Jahren, die als Brass-Band mit charmantem Pop die Sitzungen und Bühnen der Karnevalshochburgen erobern. Das hier ist nur eine von vier Stationen an diesem Sonntag Ende Januar. Die Band eilt seit dem 11.11. von Auftritt zu Auftritt, denn sie wird heiß gehandelt.
Wenig Platz, viel Energie: Auftritt der Rhythmussportgruppe in der Altstadt
00:21 Min.. Verfügbar bis 12.02.2026.
Es ist Sonntagnachmittag, 28. Januar, 15 Uhr. Draußen vor dem Louisiana in Düsseldorf: Nix los. Nur einzelne Spaziergänger schlendern vorbei. Unter den Heizstrahlern an der längsten Theke der Welt wird Kaffee geschlürft, vor den Brauhäusern langweilen sich Köbesse. Es ist zu früh für abendlichen Altstadtrummel, für Straßenkarneval erst recht. Drinnen im Louisiana: Party pur. Der Sitzungskarneval läuft längst. Die Rhythmussportgruppe bringt Einhörner, Krümelmonster und Barbies zum Schwitzen. Der ganze Saal singt mit. Das Ende jedes Liedes geht in lautem Kreischen des Publikums unter. "Zu laut, einfach zu laut!", sagt der Band-Techniker und nimmt seine Kopfhörer ab. Zeit, etwas Dampf rauszunehmen. "Wir haben auch einen Schmusesong," kündigt Amankwa an. Der Schunkel-Beitrag, als Cooldown sozusagen. Dann wieder hocken, hüpfen, Arme hoch. Noch zwei Songs, Zugabe, Orden annehmen, Bützen, Selfies mit Fans, Packen, Abmarsch. Eilen zum nächsten Auftritt.
Unsportliche Immigranten
Eine Karnevalsband hatte eigentlich niemand im Sinn. Für die Abschlussprüfung an der Robert-Schumann-Musikhochschule suchte Gründer Niklas Dahlheimer 2015 eine Band. "Ich wollte nicht das übliche Jazz-Arrangement abspulen, sondern was mit Konzept machen." Schnell fand der Gitarrist unter seinen Kommilitonen Mitspieler: Lukas Lohner am Keyboard, Jonas Scheler am Schlagzeug, Stephan Salgert am Bass, Jonas Geyersberger am Saxophon, Wilhelm Krätzig an der Posaune, Thomas Gärtner und Nils Schmalenströr an der Trompete.
Noch ohne Sänger, aber im Fußballer-Outfit, traten sie an mit bewegungsorientierter Groove-Musik. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie nicht vor, ernsthaft auf der Bühne zu stehen. Aber die Angebote kamen rein und der Sänger dazu. "Wir hatten so maximal 30 Auftritte im Jahr", erinnert sich Dahlheimer. Sie spielten bei der Jazz-Rally und der Tour de France in Düsseldorf. Bis sie Lothar Hörning entdeckte.
Hörning ist Düsseldorfer Garde-Präsident und war beim ersten Hören begeistert: "Die Jungs sind super, die haben wirklich Potenzial. Endlich musikalischer Nachwuchs, sowas braucht Düsseldorf unbedingt." Zumal Flaute herrscht in der jecken Bandszene, die ohnehin nicht breit aufgestellt ist. Zu dieser Session gaben dann noch Kokolores und Die Fetzer ihr Aus bekannt. Eine Karnevals-Künstleragentur hat die Rhythmussportgruppe daher sofort unter Vertrag genommen. "Unsere einzige Bedingung: Wir singen deutsch, aber nicht auf Platt," sagt Band-Gründer Dahlheimer im kleinen Tourbus: "Platt kann nämlich keiner von uns, wir sind alle Immigranten." Deal.
Zweitjob: Stimmungsmacher
Es ist ihre dritte Session und die hat es in sich: fast 80 Auftritte in drei Monaten rund um Düsseldorf und Köln. 14 Mal standen sie schon in der Kölnarena vor vollem Haus. 20.000 Menschen. "Das ist schon unwirklich", sagt Sänger Jeffrey Amankwa. Er lehnt sich im Tourbus zurück und schüttelt den Kopf. So richtig fassen kann er das noch immer nicht. Dabei stand er sogar schon zusammen mit dem Frontmann von Brings da oben. So groß wird es an diesem Sonntag nicht. Sie gönnen sich ein paar Berliner im Bus, machen es sich gemütlich. Kurz durchatmen.
Von Bühne zu Bühne: An Karneval gibt es die Band ein eng getaktetes Program
Für die ungewöhnliche Karnevalsband ist Hochsaison. "Da machen wir auch nichts anderes", erklärt Dahlheimer. Außer Sänger Amankwa haben alle Musiker eigentlich noch andere Jobs. "Die meisten von uns machen Medienkram, Tontechnik und so," sagt Dahlheimer. Noch können sie von den Band-Auftritten nicht leben, die Gagen haben sie erstmal in den Tourbus investiert. Da bleibt nicht mehr viel übrig. Was tut man nicht alles für den Karneval.
Große Halle
Ankunft in Hilden. "Der Technikbus ist dahinten", ruft Schlagzeuger Scheler und läuft los, die Zeit drängt. Jeder schnappt sich irgendwas, alles muss rein. Boxen, Mikroständer, Keyboard, Schlagzeug und das Ganze im Laufschritt. 850 Damen erwarten sie drinnen.
Sportprogramm auf der Bühne und davor: Der Auftritt in Hilden
00:42 Min.. Verfügbar bis 07.02.2026.
Eine knappe halbe Stunde Dauerlauf im Gleichschritt für alle Bläser, bei allen Musikern tropft der Schweiß. Das Publikum ist etwas älter als im Louisiana. Beschwingte Heiterkeit statt Ekstase. Auf dem Rückweg schnappen sie sich Cola und Käsewürfel vom Buffet. Technik wegpacken. Abfahrt. Ruhe im Bus.
Ein verliebter Fahrer
Die jungen Musiker sind zurückhaltend, fast ein bisschen schüchtern. Star-Allüren? "Ach, was … nä", sagt Wolfgang Merker und winkt ab. "Die sind einfach lieb." Der 56-jährige Kölner lenkt ihren Bus, einen Neun-Sitzer. Die zwei Männer von der Technik und das "janze Jedöns" fahren separat in einem Van.
Im Bus geht es von Auftritt zu Auftritt
Musik im Bus? Selten. Seine Fracht braucht Ruhe. Die Gruppe ist anders als alles, was Merker bisher an Bord hatte. Jahrzehnte hat er Kölner Bands durch den Karneval chauffiert und mit 50 beschlossen: Schluss! Als die Rhythmussportgruppe anfragte, hat er geantwortet: "Nä! Ehrlich, ich bin zu alt für so eine Scheiß." Angesehen hat er sich die Rhythmussportler trotzdem. Es war Liebe auf den ersten Blick.
Kleine Kneipe
Merker fährt bei der Tonnengarde vor. "Das wird länger dauern", sagt Dahlheimer und grinst. Bei dem Karnevalsverein in Düsseldorf Niederkassel gehört die Band zum Standardprogramm. Keine Sitzung ohne die Rhythmussportgruppe. Als sie um 17.30 Uhr vor der Dorfschänke vorfahren, werden sie sehnsüchtig erwartet. Louisa und Lotte von der Kindergarde kichern aufgeregt. Die beiden Kinder im Wackelzahnalter haben ihren Eltern erklärt, dass sie nicht gehen, bevor die Rhythmussportgruppe aufgetreten ist.
Der letzte Gig des Tages: Dorfsitzung im Stammlokal auf engem Raum
Dorfsitzung im Stammlokal - es wird kuschelig. Die Tische im Gastraum sind weggepackt, eine Bühne gibt es so nicht, die freie Fläche vor der Wand muss reichen. "Eins, zwei, drei …!" Alle tanzen wie auf Kommando. Louisa und Lotte stehen direkt vor Dahlheimer und seiner Gitarre und kennen jeden Songtext. Nach einer halben Stunde die erste Zugabe. Und noch eine und noch eine und noch eine. Fast eine Stunde lang spielen sie für die Niederkasseler in ihren traditionellen Bauerntrachten mit den Holzklotschen. Nach und nach kämpfen sich die Musiker nach ihrem Auftritt nach draußen. Abgekämpft aber happy. "Das war ein richtig guter Tag", sagt Dahlheimer. Alle nicken. Es war sicher nicht der Letzte.