Man sieht vier Männer, die in Unifrom gekleidet vor einer Bühne stehen. Der zweite Mann von Links hält eine STandarte hoch.

Kölsche Kippa Köpp: Immer Schalom und immer Alaaf

Köln | Heimatliebe

Stand: 08.02.2024, 09:52 Uhr

Die Kölsche Kippa Köpp in Köln sind der erste und einzige jüdische Karnevalsverein Deutschlands. Neben Erinnerungsarbeit wollen sie aber vor allem eins: ganz normal Karneval feiern. 

Von Mirjam Ratmann

Sie tragen eckige Hüte in Blau und Weiß - den Staatsfarben Israels. Mit den knielangen schwarzen Lederstiefeln laufen die Karnevalistinnen und Karnevalisten auf die Synagoge in Köln zu. Vorbei an dem Banner, das die Fassade ziert: "Men.Women.Babys.Elderly. Are still held hostage by Hamas. #Bring them home now". Vorbei an Blumensträußen, Kerzen und auf einer Leine hängenden Bildern, die an die Vermissten aus Israel erinnern.

Feiern als Zeichen des Widerstandes

Trauer über den Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 auf der einen, kölsche Lebensfreude auf der anderen Seite: Knapp einen Monat vor Beginn des Straßenkarnevals lädt Deutschlands einziger jüdischer Karnevalsverein Kölsche Kippa Köpp an diesem Sonntagvormittag im Januar zum Frühschoppen "Falafel und Kölsch" in die Kölner Synagoge. "Gerade in diesen Zeiten müssen wir feiern. Wir lassen uns von Terroristen nicht unser Leben kaputt machen", sagt Volker Scholz-Goldenberg, eins der acht Gründungsmitglieder des Vereins. Wenn er nicht Karneval feiert, arbeitet der 53-Jährige als Schadensversicherer.  "Jüdinnen und Juden haben sich selbst in Zeiten der Verfolgung nie den Spaß nehmen lassen", sagt er. Natürlich habe es im Verein Diskussionen darüber gegeben, ob und wie Karneval gefeiert werden solle. "Aber wir lassen uns nicht entmenschlichen. Indem wir feiern, zeigen wir Widerstand."

Grußworte des Gründungsmitglieds Aaron Knappstein

00:34 Min. Verfügbar bis 08.02.2026


In Köln leben circa 5.000 Jüdinnen und Juden. 1933, zur Zeit der Machtübernahme der Nationalsozialisten, waren es noch rund 18.000. Damals wie heute waren manche von ihnen im Karneval aktiv. 1922 gründete sich der jüdische Karnevalsverein Kleine Kölner Klub, der bis etwa 1932 Sitzungen abhielt. An diese Tradition will Kölsche Kippa Köpp anknüpfen. Ihr Karnevalsorden enthält deswegen auch das Wappen des Kleinen Kölner Klubs. Gegründet 2017 hat der Verein heute rund 170 Mitglieder. 40 davon sind wie Scholz-Goldenberg aktive Mitglieder, sie gestalten das Vereinsleben und organisieren Veranstaltungen. Der Rest sind Fördermitglieder.

Man sieht einen Mann mit Bart und Brille, der in Uniform gekleidet vor einem senkrechten Banner steht.

Der Verein Kölsche Kippa Köpp wurde 2017 gegründet, unter anderem von Volker Scholz-Goldenberg

Erinnerungsarbeit

Obwohl Scholz-Goldenberg betont, dass die Kippa Köpp ein "ganz normaler Karnevalsverein" mit Stammtisch und Sitzungen sei, unterscheidet ihn doch etwas von anderen: die Erinnerungsarbeit. Auf seiner Website sammelt der Verein Biografien jüdischer Karnevalisten. Viele mussten ab 1933 fliehen oder kamen in Konzentrationslagern um. Scholz-Goldenberg und Aaron Knappstein, Präsident des Vereins, pflegen bis heute Kontakte zu deren Nachfahren. Knappstein führt außerdem durch die Ausstellung "Schalom und Alaaf" im Kölner NS-Dokumentationszentrum, die noch bis zum 31. März über Jüdinnen und Juden im Kölner Karneval aufklärt.

Um kurz vor 11 Uhr ist der Gemeindesaal fast voll besetzt. 200 Menschen sind zum Frühschoppen gekommen. "Schalom und Alaaf - Fastelovend fiere met dä Kölsche Kippa Köpp" steht auf einem Banner auf der Bühne. Wer sich unterhalten will, muss seinem Gegenüber nah kommen. Links neben der Bühne legt ein Mann Karnevalsmusik auf. "Gerne mitschunkeln," animiert er. Direkt haken sich einigen unter. Andere bestellen das nächste Kölsch.

Im Saal der "Kippa Köpp" herrscht ausgelassene Stimmung

00:25 Min. Verfügbar bis 08.02.2026

Viele Gäste tragen wie Scholz-Goldenberg Weiß und Blau in ihren Kostümen. Andere sind in roten oder silbernen Pailletten-Jackets gekommen, mit blau-grün-silbernen Schmetterlingsflügeln oder Kappen, die mit dem Geißbock des 1. FC Kölns, Hennes, geschmückt sind. An der rechten Wand kleben Bilder der verschleppten Geiseln aus Israel.

Bindeglied zur jüdischen Gemeinde

Viele Vereinsmitglieder hätten Freunde oder Verwandte in Israel, sagt Scholz-Goldenberg. Zwei seien während der Terrorangriffe vor Ort gewesen. Antisemitische Angriffe habe der Verein noch nicht erlebt. Doch seit dem 7. Oktober häufen sich Angriffe auf Mitglieder im privaten Umfeld. Ein Ehepaar wurde auf der Straße von einem Mann angesprochen, der einen Aschenbecher in der Hand hielt. "In dem ist Platz für 500 von euch", soll er gesagt haben. Ein anderes Mitglied erhielt Morddrohungen. Die Schülerin hatte sich auf Social Media pro-israelisch geäußert. Doch auch der Verein ist nicht überall gern gesehen. "Einer Minderheit von gläubigen Juden in Köln sind wir ein Dorn im Auge, weil deren Auffassung nach Jüdischsein und Karneval nicht zusammengehört", sagt Scholz-Goldenberg.

Die Kölsche Kippe Köpp sehen sich nicht als religiöser Verein, auch nichtjüdische Menschen dürfen Mitglied werden. Trotzdem spielen jüdische Kultur, Musik und Geschichte eine wichtige Rolle. Der Verein hat sich vorgenommen, jüdisches Leben durch Karneval nahbarer zu machen und Karneval durch Jüdinnen und Juden diverser zu gestalten. "Wir wollen das Bindeglied zur jüdischen Gemeinde sein", sagt Scholz-Goldenberg. Klappt man seinen Karnevalshut auf, ist dort mit hebräischen Zeichen die Tefilat HaDerech eingestickt, das jüdische Reisegebet. Scholz-Goldenberg sieht darin weniger ein religiöses Symbol. "Es erinnert daran, dass man an Karneval hofft, am frühen Morgen wieder heil zu Hause anzukommen." Für den gebürtigen Münsteraner, der seit 25 Jahren in Köln lebt, ist Karneval eine zweite Heimat geworden. "Karneval ist eine große Familie, jeder wird akzeptiert, wie er ist."

Feiern mit Falafel und Kölsch

Mit einem dreifachen "Alaaf" begrüßt Vereinspräsident Aaron Knappstein um 11.20 Uhr die Kölner EhrenGarde. Mit ihren grün-gelben Trachten marschieren sie unter Trommelschlägen mit militärischem Gleichschritt ein, das Publikum klatscht im Takt. Unter Beifall marschieren wenig später Mitglieder der Kölschen Kippa Köpp ein, in ihren Händen den ersten Plaggen (Fahne) des Vereins, natürlich in Blau und Weiß. "Kölsch met Hätz und Siel, Zesamme levve un zesamme fiere", auf Hochdeutsch "Kölsch mit Herz und Seele, zusammen leben und zusammen feiern", steht darauf. In der Mitte prangt das Wappen des Vereins, an den Seiten ist ein Davidstern und eine Menora, ein siebenarmiger Leuchter, eingestickt.

Die Kölner EhrenGarde bringt ihr Programm auf die Bühne

00:23 Min. Verfügbar bis 08.02.2026

Als Knappstein wenig später einige Mitglieder ehrt, verbreitet sich der Geruch von Bratenfett im Saal. Um kurz nach 13 Uhr serviert das Personal Mittagessen: Es gibt Weißbrot, verschiedene Salate, Humus und Falafel. Dazu jede Menge Kölsch.