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Sozialpolitik

Was, wenn es ein bedingungsloses Grundeinkommen gäbe?

Stand: 04.01.2024, 16:00 Von Vincent Kretschmer Gedankenspiele

Von Vincent Kretschmer

Das ist – vereinfacht – die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens. Ein fixer Betrag, den Bürger:innen monatlich vom Staat erhalten. Ohne, dass sie etwas dafür tun oder beantragen müssen. Seit einigen Jahrzehnten wird der Vorschlag des bedingungslosen Grundeinkommens in vielen Ländern diskutiert und erforscht. Klingt nach einer Utopie, oder?

Neuanfang oder Stillstand dank Grundeinkommen?

Dein Job fühlt sich an wie eine Sackgasse, aber du hast eine Geschäftsidee, von der du überzeugt bist? Dann könntest du dich jetzt selbstständig machen. Oder du könntest dein Traum-Studium finanzieren. Vielleicht würdest du aber auch deine Arbeitszeiten reduzieren und eine entspanntere 4-Tage-Woche haben. Oder du würdest deine Sachen packen und endlich deinen Backpacking-Tripp durch Südost-Asien machen.

Was auch immer du tust, es wäre deine eigene Entscheidung. Denn das Geld ist an keinerlei Gegenleistung gebunden. Da aber alle Menschen dieses Grundeinkommen erhalten würden, stellt sich dadurch eine gesellschaftliche Frage: Wenn alle Grundbedürfnisse der Menschen gedeckt sind, werden sie dann faul? Oder befähigt sie die Sicherheit, das zu tun, was sie wirklich möchten, und sie werden produktiver?

Verein verteilt spendenfinanziertes Grundeinkommen

Der Verein "Mein Grundeinkommen" möchte dieser Frage nachgehen und zeigen, inwieweit sich die Gesellschaft verändern würde, wenn die Menschen nicht mehr von Existenzängsten bedroht wären. Durch Spenden finanzieren sie ein Grundeinkommen, welches verlost wird. Das gibt’s in zwei Versionen: einmal 1.200 Euro monatlich für einen Zeitraum von drei Jahren und einmal 1.000 Euro für ein Jahr.

Wie könnte das Grundeinkommen finanziert werden?

Die Wenigsten würden wohl "geschenktes" Geld ausschlagen, aber wo soll es herkommen? Würde jeder Mensch in Deutschland das vom Verein angedachte Grundeinkommen erhalten, würde das hochgerechnet circa eine Billion Euro im Jahr kosten – das Doppelte des Bundeshaushalts. Im Auftrag von "Mein Grundeinkommen" hat das Deutsche Institut für Wirtschaft durchgerechnet, wie das finanzierbar wäre.

Nach dieser Rechnung müssten Sozialleistungen wegfallen, und auch der bürokratische Apparat, der sie verwaltet. Alle müssten außerdem mehr Einkommenssteuer bezahlen, hätten aber auch ein zusätzliches Einkommen. Unterm Strich würden dann Menschen mit geringem Einkommen effektiv mehr Geld zur Verfügung haben, während die Steuerlast für Vielverdiener höher wäre als heute.

Sozialpolitische Modelle gegen die Ungleichheit?

Ökonom:innen und Politiker:innen haben viele Modelle für das bedingungslose Grundeinkommen aufgestellt. Zum Beispiel ähnelt das solidarische Modell dem des Deutschen Instituts für Wirtschaft. Dabei entfallen Sozialleistungen und -versicherungen, allerdings auch Regeln für den Arbeitsmarkt wie der Mindestlohn.

Außerdem gibt es den Vorschlag des Emanzipatorischen Grundeinkommens. Es ist deutlich höher und wird unter anderem durch eine Abgabe und höhere Steuern finanziert.

Manche der Ansätze sollen das Sozialsystem vereinfachen. Die meisten sollen in der Theorie auch Geld umverteilen, die Schere zwischen Arm und Reich etwas kleiner machen. Die Bedrohung, in Armut abzurutschen, wäre damit nicht mehr so groß.

Weniger Stress, vielleicht auch mehr Geld und Muße sich besser zu ernähren, Sport zu treiben oder im Urlaub zu entspannen. Dadurch würden doch die Lebensumstände für alle etwas besser werden, oder?

Würden dann alle weniger arbeiten?

Durch die zusätzliche Sicherheit hätten viele Menschen die Möglichkeit, ihre Arbeitszeiten zu reduzieren oder Jobs ganz aufzugeben, um zum Beispiel mehr Zeit mit der Familie zu verbringen oder ein Studium zu beginnen. Das könnte zu Problemen bei der Finanzierung führen, da sich dadurch auch die Einkommenssteuereinnahmen verringern würden, wenn sehr viele Menschen weniger arbeiten würden.

Da das bedingungslose Grundeinkommen noch nicht in einem großen Maßstab getestet wurde, ist es schwer, den Einfluss auf den Arbeitsmarkt vorherzusagen. In Finnland gab es einen Versuch, bei dem 2000 Arbeitslose zwei Jahre lang 560 Euro im Monat erhielten. Hier konnte in den 2020 veröffentlichten Ergebnissen kein Einfluss auf den Arbeitsmarkt festgestellt werden.

Positive Effekte für die Psyche

Die Studie konnte noch etwas anderes belegen: Den Menschen ging es psychisch besser und sie hatten mehr Vertrauen in ihre Mitmenschen.

Das bedingungslose Grundeinkommen bleibt trotzdem umstritten. Während die einen an seiner Finanzierung zweifeln, sehen andere darin die Chance, Menschen die Sicherheit zur Selbstverwirklichung zu geben. Und einige halten es sogar für unausweichlich.

Wie sieht der Arbeitsmarkt der Zukunft aus?

Robotisierung, Digitalisierung, künstliche Intelligenz: Es ist schwer vorherzusagen, wie unser Arbeitsmarkt in Zukunft aussehen wird.

Es gibt Zukunftsvisionen, die davon ausgehen, dass KIs und Roboter viele unserer Jobs übernehmen werden, und damit ein großer Teil unserer Arbeitsplätze wegfallen wird. Das bedingungslose Grundeinkommen sei dann ein notwendiges Mittel, um weiterhin der Bevölkerung eine Versorgungsgrundlage zu bieten.

Mehr zum Thema

Bedingungsloses Grundeinkommen: Kann das funktionieren? (wdr.de)

Verein Mein Grundeinkommen (mein-grundeinkommen.de)

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung: Simulationsanalyse zur Finanzierbarkeit des bedingungslosen Grundeinkommens (diw.de)

Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen: Gutachten Bedingungsloses Grundeinkommen (bundesfinanzministerium.de)

Das bedingungslose Grundeinkommen – Drei Modelle (bpb.de)

Grundeinkommen: Finnland zieht Bilanz (DLF Nova)

Kommentare zum Thema

  • Melanie Husemann 15.03.2024, 11:17 Uhr

    Hallo, mich würde interessieren, wer sich so etwas ausdenkt? Bestimmt kein Steuerzahler! Und kein Mensch, der sich im Leben alles selbst erarbeitet hat! Ich würde gern mal mit denjenigen sprechen! Viele Grüße Melanie Husemann

    • Kugelzwei 15.03.2024, 12:03 Uhr

      Liebe Melanie Husemann, die hier im Artikel beschriebenen Modelle zum bedingungslosen Grundeinkommen und die dazugehörigen Finanzierungsmodelle stammen etwa vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung oder von der Bundeszentrale für politische Bildung. Alle Quellen für die im Text verwendeten Aussagen finden Sie auch unter dem Text. Dort werden Sie bestimmt fündig, wenn Sie sich eine Ansprechperson wünschen. Liebe Grüße vom Kugelzwei-Team

  • Achim 20.01.2024, 16:00 Uhr

    Wie sieht das bei Rentnern aus. Wenn die heutige gesetzliche Rente höher als 1200 Euro ist, wird dann der überschüssige Betrag von der Rentenversicherung einbehalten?

    • kugelzwei 22.01.2024, 11:02 Uhr

      Weil es sich bei der Rente um Ansprüche mit eigentumsrechtlichem Charakter handelt, kann sie laut dem Bundesfinanzministerium nicht für die Finanzierung des Grundeinkommens genutzt werden. Weitere Informationen dazu findest du im Gutachten zum bedingungslosen Grundeinkommen des wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen in unseren Quellen.

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