MONITOR vom 08.12.2016

Waffen für die Türkei - wie die Bundesregierung Erdogan unterstützt

Bericht: Ralph Hötte, Stephan Stuchlik

Waffen für die Türkei - wie die Bundesregierung Erdogan unterstützt Monitor 08.12.2016 05:09 Min. Verfügbar bis 30.12.2099 Das Erste

Georg Restle: „Auch die Lage in der Türkei war 2016 eines der großen politischen Themen. Der gescheiterte Putschversuch, Erdogans Hetzjagd gegen die Opposition, der Krieg gegen die Kurden im eigenen Land. Dies alles auch mit freundlicher Unterstützung der Bundesregierung. Und dies ist sogar wörtlich zu verstehen. Vor allem, wenn es um Waffenexporte geht. Die sind in diesem Jahr nämlich deutlich angestiegen - ausgerechnet in diesem Jahr, in dem die Türkei sich endgültig aus der Wertegemeinschaft westlicher Staaten verabschiedet hat. Ralph Hötte und Stephan Stuchlik.“

Die Türkei 2016: Ein Staat, der brutal gegen die eigene Bevölkerung vorgeht. Ein Land, in dem zehntausende Oppositionelle, Journalisten, Lehrer und Richter verfolgt und eingesperrt werden. Ein Land auf dem Weg in die Diktatur. Der Mann, der das alles zu verantworten hat, der türkische Präsident Erdogan ist auf Einkaufstour, hier auf der Waffenmesse 2015 in Ankara. Ganz oben dabei auf der Liste der Lieferländer: die Bundesrepublik Deutschland. Laut Rüstungsexportbericht der Bundesregierung genehmigte Deutschland seit Beginn 2012 Ausfuhren im Gesamtwert einer dreistelligen Millionenhöhe, 76 Millionen Euro allein im ersten Halbjahr 2016, fast doppelt so viel wie im gesamten Vorjahr. Genehmigt hat es sein Ministerium, obwohl Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel Mantra-artig strikte Kriterien für Waffenexporte verkündet.

Sigmar Gabriel, Bundeswirtschaftsminister (08.10.2016): „Insbesondere dort, wo Rüstungsgüter zur inneren Repression, schlimmstenfalls zur Verfolgung von Bevölkerungsgruppen missbraucht werden, können wir Genehmigungen nicht erteilen.“

Zur Erinnerung: In der Türkei ließ Erdogan im Genehmigungszeitraum die Gezi-Park-Proteste seiner Kritiker gewaltsam auflösen. Es ist der Zeitraum, in der die sogenannten Sicherheitsoperationen im Kurdengebiet begannen, die bis heute andauern.

Jan van Aken, Auswärtiger Ausschuss Bundestag: „Wir haben im letzten Winter den Bürgerkrieg, dort in den kurdischen Städten gehabt, zum Teil völlig plattgebombt worden sind von der türkischen Regierung im eigenen Land. Das wäre so, als ob die Bundeswehr Kassel platt bombt. Und trotzdem hat damals die Bundesregierung weiter geliefert. Und auch jetzt, wo die Opposition ins Gefängnis kommt, Journalisten ins Gefängnis kommen, freie Presse geschlossen wird, liefert die Bundesregierung weiter. Ich finde das unfassbar.“

Und das durfte mit Genehmigung in den letzten drei Jahren exportiert werden: Scharfschützengewehre, Maschinengewehre, Munition für Granatpistolen, Wärmebildausrüstungen, Teile für Flugzeuge und unbemannte Luftfahrzeuge, also Drohnen, und 2.402 Gewehre, die direkt an das Innenministerium, also an die Sicherheitsbehörden der Türkei gingen.

Prof. Michael Broszka, Universität Hamburg: „Kleinwaffen, insbesondere Sturmgewehre sind typischerweise die Waffen, die bei Menschenrechtsverletzungen in Bürgerkriegen eingesetzt werden. Und da die Türkei in einer solchen Situation sind, sind die Waffen natürlich gerade jetzt besonders gefragt, was man ja auch an den Zahlen sieht.“

Reporter: „Muss man denn einem NATO-Partner Türkei diese Waffen auf jeden Fall liefern?“

Prof. Michael Broszka, Universität Hamburg: „Nein, muss man nicht. Wenn die Türkei massiv Menschenrechte verletzt oder eben auch einen Bürgerkrieg führt, dann ist aus meiner Sicht selbst nach den Grundsätzen der Bundesregierung aus dem Jahr 2000 ein Stopp der Rüstungsexporte geboten.“

Seit dem gescheiterten Putschversuch im Juli haben die Repressionen in der Türkei noch dramatisch zugenommen. Und trotzdem genehmigte die Bundesregierung auch danach weiter Waffenexporte, wie eine MONITOR-Anfrage zeigt. Demnach wurden seit dem 1. Juli 2016 noch weitere Waffenexporte im Wert von über 14 Millionen Euro genehmigt. Und auch eine weitere Hilfe für Erdogan wurde ungerührt fortgesetzt: Deutschland bildet weiterhin die türkische Polizei aus, ausgerechnet. Uns antwortet das Innenministerium, die Bundespolizei habe in den Jahren 2013 bis 2016 Ausbildungshilfe geleistet, etwa in Form von „Fortbildung von Polizeitrainern“ in der Türkei, oder „der Schulung der Türkischen Nationalpolizei in Kommunikationsstrategien bei Großveranstaltungen“. Das BKA hat allein 2016 Fortbildungsmaßnahmen für die türkische Polizei zur „Bekämpfung der organisierten Kriminalität“ und zur „Terrorismusbekämpfung“ durchgeführt. Ausgerechnet Terrorismusbekämpfung, in einem Staat, in dem schon kurdische Parlamentarier als Terroristen gelten - oder die mutmaßlichen Putschisten, Mitglieder der Gülén-Bewegung. Deutsche Hilfe für eine Polizei, die die Opposition bekämpft?

Sebastian Fiedler, Bund Deutscher Kriminalbeamter: „Wir wissen also im Kern gar nicht, in welchem Zustand sich das System der Justiz und Polizei dort befindet. Wie viel überhaupt an Rechtsstaatlichkeit noch dort vorhanden ist. Und all das in Summe kann nur zu einer Schlussfolgerung führen, dass wir die Zusammenarbeit auf polizeilicher und justizieller Ebene einstellen müssen, auf Eis legen müssen, so lange bis wir erstens eine bessere Erkenntnislage haben und zweitens sich diese Zustände geändert haben.“

All das ficht die Bundesregierung nicht an, weder Innenminister de Maizière noch seine Kollegen Steinmeier und Gabriel. Das Wirtschaftsministerium teilt uns zu den Rüstungsexporten in die Türkei mit, man messe der Beachtung der Menschenrechte ein besonderes Gewicht bei.

Kommentare zum Thema

  • Lisa 23.08.2020, 13:39 Uhr

    Deutschland muss endlich aufhören die Türkei mit Waffen und finanziellen Mitteln zu versorgen und so Erdogans terroristischen Kriegshandlungen zu unterstützen!

  • Forner Dag Dipl Ing 16.02.2017, 22:12 Uhr

    Herr Georg Restle ? monitor ? 16.02.2017 22:07:27 Sehr, sehr verehrter Herr Georg Restle; Ihre Ausführungen sind geradezu Balsam für meine Seele? Lügenpresse – Wahrheitspress? Das man mal etwas erfährt, was geradezu mit Absicht verfälscht wurde in. Aber kann uns das die Augen verdrehen über das eigene Land? Wenn alles so einfach wäre – da haben Sie unbedingt Recht. Nur, da ist noch einen Nuss zu knacken. Zur Amtseiführung von Sir Daniel Trump. Vielbeklagt von einer gewisse Leuten. Wie war das bei der Amtseinführung des Versagers Adolf? Ein Buch gibt darüber Auskunft. „Hitler war ein Britischer Agent!“ Das Buch wurde jetzt – man denkt es zurecht eigenartig – zuletzt in das Deutsche übertragen. Wie kann man vom einem Mann ein wohlergehen zum Deutschen Staat erwarten, der im Dienst einer fremden Macht stand? ?? Um die Sache mehr zu verdeutlichen; warum sagt uns Niemand, das der Großkopf Adolf perfekt Englisch sprach und Französisch? War Hitler in der Zeit zwischen 1911 und 1914? ...

  • Ersa1973 21.01.2017, 22:01 Uhr

    Waffen werden eigentlich hergestellt um davon wenn erforderlich gebrauch zu machen.Keiner kauft waffen um es bei Paraden zu zeigen.Wenn mann nicht will, das die eigenen Waffen benutzt werden Produziert einfach keine .Der Türkische Staat kämpft an mehreren fronten gegen hinterhältige Teroristen der PKK/PYD und ISIS ,auch wenn einige das nicht sehen wollen.