Bericht: Lutz Polanz
Georg Restle: "Der Ausbau der Windenergie gehört zu den ehrgeizigsten Zielen der deutschen Bundesregierung. Und dafür braucht es vor allem eins – Flächen. Mehr als doppelt so viel wie bisher sind nötig, wenn die selbstgesteckten Klimaziele wenigstens noch annähernd erreicht werden sollen. Dass dieses Ziel jetzt ausgerechnet vom Verteidigungsministerium dieser Bundesregierung torpediert wird, fällt schwer zu glauben. Aber genau das geschieht gerade – und dabei geht es um keine Kleinigkeit, sondern bis zu 40 % der gesamten Fläche dieses Landes. Überall dort könnte es künftig schwer werden, neue Windräder aufzubauen, weil es dort angeblich um ein wichtigeres Ziel geht – nämlich die Landesverteidigung. Lutz Polanz."
Garching bei München. Auf diesen Feldern hat die Stadt ein Sondergebiet für Windkraft ausgewiesen. Wir sind unterwegs mit Projektentwickler Georg von Aretin. Seit drei Jahren plant sein Unternehmen hier schon den Bau eines großen Windrades, bislang vergeblich.
Georg von Aretin, Leiter Projektentwicklung OSTWIND: "Das Problem ist, dass wir uns am Rande einer Einflugschneise zum Sonderlandeplatz Oberschleißheim, Polizeihubschrauberstaffel dort stationiert, befinden und da von den Regularien her wir den Bereich geringfügig am Rande ankratzen, durchstoßen. Wir sind 60 Meter entfernt von der Grenze des Bereichs, den die Hubschrauberpiloten hier brauchen."
60 Meter zu nah. 60 Meter in einem vier Kilometer breiten Flugkorridor. Wenn die Hubschrauber eine leicht geänderte Route nähmen, wäre das Problem schon gelöst, sagen Gutachter. Zuständig dafür ist die Deutsche Flugsicherung. Doch die sieht offenbar keine Erfordernis, etwas zu ändern. Das Windrad sei ein privates Projekt – Ende. Den Garchinger Bürgermeister, Dietmar Gruchmann, ärgert das. Am liebsten würde er hier sogar drei Windräder bauen. Doch die Bereitschaft, das möglich zu machen, sei bei der Deutschen Flugsicherung anscheinend nicht vorhanden, kritisiert er.
Dietmar Gruchmann (SPD), Bürgermeister Garching: "Das kann es ja nicht sein. Wir haben von oben den politischen Willen, dass wir jetzt Windenergie auch etablieren in Bayern und dann müssen auch diese Behörden … müssen dann flexibel arbeiten und mitdenken ganz einfach."
Garching ist kein Einzelfall. Anflugverfahren, Flugkorridore und altes Gerät verhindern den Ausbau der Windkraft in ganz Deutschland. Vor allem die Drehfunkfeuer, Orientierungspunkte der Flugsicherung, die wegen veralteter Technik kaum noch genutzt werden. Um sie herum gilt ein Schutzbereich von bis zu 15 Kilometern. Allein deswegen ist der Bau von 418 Windrädern derzeit blockiert. Zumindest dieses Problem wollen Wirtschaftsminister Habeck und Verkehrsminister Wissing jetzt aus dem Weg räumen. Mit weniger Drehfunkfeuern, kleineren Schutzbereichen und modernerer Technik.
Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister (05.04.2022): "Die Einigung wird ein Volumen von etwa fünf Gigawatt Windkraft sofort freisetzen. Das ist tatsächlich ein fettes Ausrufezeichen."
Deutlich mehr Platz für die Windkraft also? Nicht unbedingt. Denn die Pläne des Wirtschaftsministers könnten gleich wieder ins Gegenteil verkehrt werden. Was kaum jemand weiß, die Bundesregierung arbeitet derzeit auch an einer Änderung des Luftverkehrsgesetzes. Dort hieß es bislang:
Zitat: "Bauwerke dürfen nicht errichtet werden, wenn dadurch Flugsicherungseinrichtungen gestört werden können."
Das Bundesverteidigungsministerium will nun, dass dies nicht nur für zivile, sondern auch für "stationäre militärische Einrichtungen zur Kontrolle des Flugbetriebs" gilt. Klingt harmlos, ist es aber nicht. Denn die Bundeswehr könnte damit künftig Windenergieanlagen im Umfeld ihrer Einrichtungen großflächig verhindern, sagt Professor Ulrich Battis, Experte für Bau- und Umweltrecht.
Prof. Ulrich Battis, Experte für Bau- und Umweltrecht: "Wenn diese Regelung in Kraft treten sollte, kann ich mir nicht vorstellen, das die Energiewende – so wie sie von der Bundesregierung propagiert wird – dass sie umgesetzt werden kann."
Bislang gilt nämlich – etwa für Radaranlagen der Luftverteidigung – ein Schutzbereich im Umkreis von fünf Kilometern. Dort sind keine störenden Bauwerke erlaubt. In der Zone bis 50 Kilometer dürfen prinzipiell Windräder gebaut werden. Die Bundeswehr kann das allerdings verhindern, muss aber im Zweifel nachweisen, dass die Anlagen stören. Schon jetzt ist es ausgesprochen schwierig, Windräder dort zu bauen, wo militärische Belange ins Spiel kommen. Fast 1.000 Anlagen liegen deshalb gerade bundesweit auf Eis. Diese Erfahrung machen gerade auch Stephan zur Lippe und Marcel Welsing. Hier, im Teutoburger Wald, wollen sie in abgestorbenen Fichtenwäldern 13 neue Windräder bauen. Doch tief unten in der Ebene befindet sich der Truppenübungsplatz Senne.
Stephan zur Lippe, Grundeigentümer: "Hier ist das Problem, dass man militärischen Flugbetrieb hat oder einführen möchte. Tiefflugbetrieb, der angeblich durch diese Windkraftanlagen gestört wird."
Also lehnte die Bundeswehr den Bau der Windräder ab.
Marcel Welsing, Projektleiter WestfalenWIND: "Ich glaube, dass wir auch in der aktuellen Lage darauf angewiesen sind, möglichst schnell Flächen freizuräumen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und da darf sich das Militär auch nicht ausnehmen."
Jetzt wollen die Windanlagenplaner klagen, um erst einmal Genaueres über die Gründe der Ablehnung zu erfahren. Mit den Plänen des Verteidigungsministeriums dürfte das in Zukunft fast unmöglich werden, kritisiert der Branchenverband. Denn dann könnte die Bundeswehr Windräder im Umkreis bis zu 50 Kilometern nicht nur ablehnen, wenn sie stören, sondern auch dann, wenn sie stören könnten. Ein entscheidender Unterschied, denn damit reiche der bloße Verdacht.
Hermann Albers, Präsident Bundesverband WindEnergie: "Bisher hatten wir die Möglichkeit der Einzelfallprüfung und damit von Fall zu Fall – wenn auch in einem langen Verfahren – die Errichtung von Windkraftanlagen dennoch zu ermöglichen. In Zukunft würde der Verdacht der Einschränkung der Störung reichen und wäre nicht mehr überprüfbar."
Das Verteidigungsministerium teilt uns dazu mit, man sehe dafür keine Anhaltspunkte. Der Bundesverband WindEnergie hat dagegen ausgerechnet, was die Pläne im schlimmsten Fall bedeuten. Sollten Windräder tatsächlich im 50 km Umkreis um die Radaranlagen verhindert werden können, würde das bis zu 40 Prozent der deutschen Landfläche betreffen.
Hermann Albers, Präsident Bundesverband WindEnergie: "Dann wird das zu einem deutlichen Rückgang von Genehmigungen führen in Deutschland. Stattdessen ist das politische Gesamtziel eine Verfünffachung des Zubaus. Damit konterkariert dieses Gesetz entscheidend den Ausbau der Windkraft in Deutschland."
Deutschland und seine Verhinderungspolitik beim Windkraftausbau . Wie das vor Ort aussieht, kann man sich im Teutoburger Wald anschauen. Falls das neue Gesetz kommt, werden wohl noch einige Beispiele hinzukommen.
Georg Restle: "Vielleicht redet man in der Bundesregierung ja nochmal miteinander darüber. Kann ja nicht so schwer sein."
Kommentare zum Thema
Die CDU hat sich der Energie - Wirtschaft gebeugt die Windkraft hat verloren dank Angela Merkel und den Herr,n Altmayer, die einzigsten die gewonnen haben.r.wolff
Auch in Zukunft dürfen WEA im Umkreis von 50 km um die Radare gebaut werden. Die Prüfkriterien werden doch gar nicht verändert. Un wer sagt überhaupt, dass es 50 km bleiben?
Wenn ich von Tiefflugbetrieb und Hubschrauberflügen lese, geht es hier eher um Wirbelschleppen. Die Turbulenzen, die durch die Umwandlung von Windenergie in Strom und Schall entstehen und durch die Drehbewegung der Rotorblätter onshore schon 50 km weit reichen, können kleinere Flugzeuge und vor allem Hubschrauber zum Absturz bringen. Wer kann das verantworten als Preis für eine volatile Stromversorgung?