Monitor Nr. 590 vom 12.03.2009

Steueroasen: Die dubiosen Geschäfte deutscher Banken

Bericht: Georg Restle, Andreas Orth, Kirsten Rulf

Steueroasen: Die dubiosen Geschäfte deutscher Banken

Monitor 12.03.2009 06:38 Min. Verfügbar bis 02.05.2999 Das Erste

Moderation Sonia Mikich: "Jahrelang blühten die Steueroasen. Denn das Finanzkapital mag es nun mal frei und unreguliert. Und wer das kritisierte, war ein Kommunist. Doch jetzt trägt sogar Finanzminister Steinbrück Kapitalismus-Kritik: die Steueroasen müssen ausgetrocknet werden, nächste Woche will er dazu im Bundeskabinett einen Gesetzentwurf vorlegen. Kirsten Rulf, Georg Restle und Andreas Orth haben recherchiert, ob der Entwurf taugt. Und fanden heraus: ausgerechnet Landesbanken sind in solchen Steueroasen zuhause."

Anflug auf eine Steueroase. Die Cayman-Inseln in der Karibik, einer der wichtigsten Fluchtpunkte für internationales Kapital. Geschäfte macht man hier zum steuerlichen Niedrigsttarif, keine Bankenaufsicht, keine störenden Regeln. Ein Tummelplatz für Hedgefonds und Spekulanten. Und mittendrin: Fast alle großen deutschen Banken, die sich hier zum Teil an hochriskanten Geschäften beteiligt haben. Grenzenlose Diskretion unter Palmen. Was genau sich in den karibischen Schließfächern befindet, soll kein Finanzamt je erfahren. Steueroasen wie die Cayman-Inseln, sie spielen eine Schlüsselrolle in der jetzigen Finanzkrise.

John Christensen im Portrait

John Christensen, ehem. Regierungsberater Jersey

Das weiß keiner so genau wie John Christensen. Er hat die Regierung einer anderen Steueroase über viele Jahre als Finanzexperte beraten, auf der Kanalinsel Jersey.

John Christensen, ehem. Regierungsberater Jersey (Übersetzung MONITOR): "Die Steueroasen stehen im Zentrum der Finanzkrise. Und das nicht nur, weil sie mit niedrigsten Steuersätzen locken und damit Steuervermeidung begünstigen. Sondern auch vor allem deshalb, weil sie eine sehr lasche Finanzaufsicht haben. Das heißt, dass Banken, Hedgefonds und Spekulanten die Steueroasen vor allem auch dazu nutzen, um riesige Geldsummen zusammenzutreiben in einem völlig unregulierten Markt."

Mehr als 50 Steueroasen gibt es weltweit, vor allem in der Karibik, in Europa und auf Inseln im Pazifik. Die sollen jetzt trockengelegt werden, geht es nach einem Gesetzentwurf, den das Bundesfinanzministerium vorgelegt hat. Das Ziel des Finanzminsters: Wer Geld in ausländischen Steueroasen anlegt, soll künftig im Inland höher besteuert werden. Und auch beim G20-Gipfel in London will Peer Steinbrück den Steueroasen den Kampf ansagen.

Peer Steinbrück im Portrait, mit Mikrofon in der Hand

Peer Steinbrück, SPD, Bundesfinanzminister

Peer Steinbrück, SPD, Bundesfinanzminister: "Selbstverständlich spielt in London auch das Thema der Steueroasen eine Rolle, unter dem Gesichtspunkt des Steuerbetruges und der Steuerhinterziehung. Wir reden auch über Steueroasen, als Standort von nicht regulierten Finanzmarktaktivitäten."

Klingt gut, ist es das aber auch? Wir fliegen nach Jersey, Steueroase mitten im Ärmelkanal. Hier braucht man Peer Steinbrück nicht zu fürchten, denn Jersey ist von der Liste der Steueroasen gestrichen worden. Diskrete Finanzgeschäfte mitten auf dem Rollfeld sind damit auch in Zukunft möglich. Weil Jersey, wie viele andere Steueroasen, ein Informationsaustausch-Abkommen unterzeichnet hat. Freie Fahrt ins Steuerparadies also auch für die Deutsche Bank, die hier schon in der Flughafen-Lobby grüßt. Doch wie viel wert sind solche Abkommen überhaupt?

John Christensen, ehem. Regierungsberater Jersey (Übersetzung MONITOR): "Als abschreckende Maßnahmen gegen Steuervermeidung haben diese Abkommen überhaupt keine Wirkung. Denn die deutschen Steuerfahnder müssen die meisten Informationen über Steuersünder schon selbst ermittelt haben, bevor sie zu den Gerichten von Jersey gehen können. Und die Regierung von Jersey hat eindeutig klar gemacht, dass sie für eine Zusammenarbeit extrem hohe Hürden ansetzen wird, bevor sie überhaupt mit der Steuerfahndung irgendeines anderen Landes zusammenarbeiten wird."

Steueroasen trockenlegen. Vielleicht fällt es auch deshalb so schwer, weil der Staat jahrelang selbst mitgemacht hat beim Milliardenpoker in Steueroasen. Über seine Landesbanken. Staatsbanken auf Jersey, eine schwierige Spurensuche, denn Büros oder Bankschalter gibt es hier praktisch nicht, nicht mal Klingelschilder. Wir finden heraus, in diesem Haus einer kanadischen Bank residieren Gesellschaften der Westdeutschen Landesbank, die zu großen Teilen dem Land Nordrhein-Westfalen gehört. Zwei Straßen weiter, wieder ein Gebäude ohne Klingelschilder. Die Adresse eines Unternehmens der Bayerischen Landesbank, die Hypo Alpe Adria Bank, für deren Milliardenverluste im Ost-Europa-Geschäft der Steuerzahler jetzt geradestehen muss. Für die dubiosen Milliardengeschäfte der Landesbanken braucht es offenbar weder viel Personal noch größere Büros. Staatliche Banken, finanziert mit Steuergeldern in einer Steueroase? Insgesamt stoßen wir in Jersey und anderen Kanalinseln auf Dutzende Gesellschaften deutscher Landesbanken. Auch die Baden-Württembergische und die HSH Nordbank machten hier weit verzweigte Geschäfte.

Rudolf Hickel im Portrait

Prof. Rudolf Hickel, Wirtschaftswissenschaftler

Prof. Rudolf Hickel, Wirtschaftswissenschaftler: "Also erst mal ist es ja ein Riesenskandal, der jetzt so in der Finanzmarktkrise aufgedeckt wird, dass Landesbank, also öffentliche Banken, dass die im Grunde genommen auch die Steueroasen, etwa die Cayman-Islands oder aber Bermuda und vieles andere schlichtweg genutzt haben, um Steuerhinterziehung zu organisieren, um dubiose Geschäfte, toxische Produkte über die Steueroasen zu lenken, das ist ein Skandal."

Was treiben Landesbanken in Steueroasen wie Jersey? Die Bayerische Landesbank erklärt uns, ihre Geschäfte seien absolut „marktüblich“ gewesen. Auf Jersey ginge es um „Export- und Handelsfinanzierung“. Und die Westdeutsche Landesbank? Schriftlich teilt man uns mit, es habe keine Steueroptimierung auf Jersey gegeben. Zweck sei der „Zugang zu internationalen Refinanzierungsmöglichkeiten“. Und auch die HSH Nordbank weist Steuervorteile weit von sich. Jersey sei wichtig für „Shipping, Transport und Immobilien“. Schiffsfinanzierung, ausgerechnet auf Jersey?

Prof. Rudolf Hickel, Wirtschaftswissenschaftler: "Wenn man sich das Geschäft der Schiffsfinanzierung von deutschen Banken anschaut, dann gibt es überhaupt keinen spezifischen Grund zu sagen, dafür brauchen wir einen Standort auf Jersey. Das ist ein völliger Unfug und der Verdacht liegt doch nahe: Wenn man Jersey wählt als Standort für Schiffbau-Finanzierung, dann liegt der Verdacht nahe, dass man die Chancen der Steuerhinterziehung nutzen will. Man kann so was am Standort in Deutschland etwa in Hamburg machen. Man kann, wenn man näher an die Kunden will, beispielsweise es auch von London aus machen."

Den Vorwurf der Steuerhinterziehung weist die Nordbank zurück. Allersdings gerade die hochriskanten Geschäfte auf Jersey verursachten bei der Staatsbank riesige Verluste, für die jetzt der Steuerzahler einstehen muss. Auch deshalb fordern Finanzexperten deutlich strengere Regeln als die von Peer Steinbrück.

John Christensen, ehem. Regierungsberater Jersey (Übersetzung MONITOR): "Die EU müsste ganz neue Standards einführen, um internationale Banken und Konzerne zu zwingen, getrennte Konten für jedes einzelne Land und jede Steueroase vorzulegen. Dann könnte man nämlich sehr genau sehen, wie zum Beispiel die deutschen Banken ihre Gewinne in Steueroasen umbuchen. Das ist es, was wir brauchen: Ein neues automatisiertes Auskunftssystem, um diese Informationen öffentlich zu machen."

Zurück auf Jersey. Die Finanzkrise, sagen die Politiker uns hier, werde irgendwann schon wieder vorbeigehen. Jersey sei flexibel, man freue sich schon auf neue Kunden aus Deutschland.

Stand: 22.02.2014, 12:06 Uhr